Samstag, 20. April 2024

Archiv


Stille Post

Floyd Landis hat vor zwei Jahren ein zivilrechtliches Verfahren in Gang gebracht, durch das der Brief- und Paketdienst US Postal Service Millionen von Dollar zurückbekommen kann. Als Informant steht ihm ein großer Teil der Summe in Millionenhöhe zu.

Von Jürgen Kalwa | 15.12.2012
    Erfolgreiche amerikanische Sportler haben im Laufe der letzten Jahre eine erstaunliche Menge Zeit und Geld in eine eher abwegige Beschäftigung investiert. Die hat nichts mit Sport zu tun, aber sehr viel mit den krummen Geschäften, auf die sich manche von ihnen eingelassen haben.

    Wenn nicht alles täuscht, dann ist Floyd Landis, in Frankreich vorbestraft wegen Einbruchs in das Computersystem eines Dopinglabors und in der Schweiz wegen übler Nachrede zum Nachteil der Spitzenfunktionäre des Weltradsportverbandes, derzeit so etwas wie der inoffizielle Ranglistenerste dieser Disziplin. Und das auch, weil er im August in San Diego nur knapp einer mehrjährigen Gefängnisstrafe wegen Betrugs entging, als er sich bereit erklärte, zahlreichen Spendern das Geld zurückzuzahlen, das er einst im Zusammenhang mit seinem Dopingfall erhalten hatte. Es geht um knapp 500.000 Dollar.

    ""I can never undo what happened. I can never undo having lied to people. But if in some small way making restitution helps them to forgive me then that’s a step in the right direction. I don’t wish to build the rest of my life feeling people have animosity towards me for decisions that were not the right decisions.”"

    Er hoffe, dass die Wiedergutmachung den Getäuschten helfen werde, ihm zu vergeben, erklärte Landis, als er das Gerichtsgebäude verließ. Er wisse, dass er mit dem Geld eines ganz gewiss nicht erreichen werde: die vielen Lügen, die ihm einst so locker von der Zunge rollten, wieder aus der Welt zu bringen.

    Wo das Geld herkommen soll, sagte er nicht. Viele Optionen gibt es nicht. Der Sohn sehr religiöser und bescheiden lebender Eltern ist mittellos und hat es sich im Radsport mit vielen verdorben, so dass ihm derzeit niemand einen Job gibt.

    Ein Szenario allerdings zeichnete sich vor einer Woche ab. Der 37-Jährige hat vor zweieinhalb Jahren mit seinen Enthüllungs-Emails nicht nur die Lawine losgetreten, unter der die Karriere von Lance Armstrong begraben wurde. Er leitetete damals gleichzeitig ein juristisches Verfahren ein, das es so nur in den USA gibt. Er bot sich der amerikanischen Post als Informant an, um der die Möglichkeit zu geben, rund 40 Millionen Dollar zurückzufordern. Die Summe, die sie einst in den Radsport investiert hatte. Das Besondere: Ein Informant – in den USA auch "Whistleblower” genannt – erhält bis zu 30 Prozent der vor Gericht erkämpften Schadensersatzsumme. Der Anteil von Landis wäre höher als ein Sechser im Lotto. Die finanziellen Folgen wären nicht nur für Armstrong katastrophal. Auch die Mitinhaber von Tailwind, dem offiziellen Vertragspartner der Post, wären betroffen.

    Die Materie ist kompliziert. Und ihr Ausgang lässt sich beim besten Willen nicht prognostizieren. Aber seit einer Woche lassen sich zumindest die Konturen der Causa nachzeichnen. Da wurden nämlich Dokumente veröffentlicht, die bislang von einem Gericht in Washington unter Verschluss gehalten worden waren. Sie zeigen, wie weit die Sache gediehen ist. Demnach hatte sich Lance Armstrong zwei Jahre lang mit Hilfe seiner Anwälte nach Kräften geweigert, den Ermittlern der amerikanischen Post auch nur irgendetwas von den angeforderten Unterlagen auszuhändigen. Deren Neugier ist umfassend. Sie formulierten exakt 21 Punkte und listeten alles auf, was sie wissen wollten. Nicht zuletzt alle Belege über sein Verhältnis zu Dopingdoktor Michele Ferrari. Emails, Kalenderaufzeichnungen und ärztliche Unterlagen.

    Wie das "Wall Street Journal” berichtete, hat der Texaner inzwischen seinen Widerstand aufgegeben und Unterlagen zur Verfügung gestellt.

    Interessantereise meldete sich nun der Italiener Ferrari erstmals zu Wort, gegen den in seinem Heimatland staatsanwaltliche Untersuchungen laufen. In einem Interview mit dem Fernsehsender Al-Dschasira erklärte er, dass er nie gesehen habe, dass sein Kunde Armstrong gedopt habe.

    ""I have never seen, I never heard something about that. And he never asked me information about doping. Okay?”"

    Als nächstes wird übrigens das Justizministerium in Washington entscheiden, ob es die Ermittlungen unterstützt. Was die Chancen der Post und die Aussichten des Informanten Landis auf seine Belohnung deutlich verbessern würde.

    Die sind ohnehin gestiegen, seit ehemalige US-Postal-Fahrer im Verfahren der amerikanischen Anti-Dopingagentur unter Eid das System beschrieben, mit dem bei US Postal illegale Substanzen eingesetzt und die Dopingfahnder düpiert wurden. Die Enthüllungen legen eines nahe: Dass die Radfahrer in den blauen Trikots mit dem stilisierten weißen Adlerkopf konsequent gegen den Sponsorenvertrag mit der Post verstießen.

    Die, eine halb-staatliche Einrichtung, kann das Geld gut gebrauchen. Sie meldete erst vor kurzem ein Jahresdefizit von 15 Milliarden Dollar.