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Stille Revolutionen in Rhein-Main

Von einer stillen Revolution sprach die Frankfurter Rundschau, als die Goethe-Universität Frankfurt am Jahresbeginn zur Stiftungsuniversität wurde. Die TU Darmstadt setzt unterdessen auf ein neues Führungsteam zur Umsetzung der Autonomie. Dann ist da noch die 400 Jahre alte Universität Giessen. Erfolgreicher als von vielen erwartet bei der Exzellenzinitiative. Wie stellen sich die südhessischen Universitäten neu auf?

Von Ludger Fittkau | 08.01.2008
    Sein Vorgänger Johann Dietrich Wörner trug einst ein schwarzes T-Shirt mit einem roten Stern und der Aufschrift "autonom". Das war im Jahr 2005. Damals war die TU Darmstadt die erste autonome öffentliche Uni Deutschlands - mit selbstständigen Berufungen von Professoren und eigener Geldverwaltung.

    Einiges hat sich seitdem verändert, andere Unis haben nachgezogen. Hans Jürgen Prömel ist nun neuer Präsident der TU Darmstadt. Nach hundert Tagen präsentiert der profilierte Reformer, der von der Berliner Humboldt-Universität nach Darmstadt kam, sein Programm. Hans Jürgen Prömel will auf "junge Wilde" in der Forschung setzen:

    "Die TU Darmstadt war immer ein Vorreiter. So wie beim Autonomiegesetz kann man historisch sehen. Wir hatten die erste Elektrotechnik, wir hatten einen der ersten Fachbereiche in der Informatik. Ich stelle mir vor, das wir Forschungsschwerpunkte generieren, die den Charakter einer Zukunftswerkstatt haben, das man eine zeit lang Forschung auf interessanten neuen Gebieten fördert , um dann zu sehen, ob sie tragfähig sind, um dann in einen Megatrend zu münden oder aber Forschung ist immer risikobehaftet, dann wieder eingestellt zu werden. Und ich kann mir gerade für jüngere Wissenschaftler vorstellen, dass Initiativen in diesem Bereich hochattraktiv sind."

    Nicht nur der Mathematiker Hans Jürgen Prömel zeigt Experimentierfreude.

    30 Kilometer weiter nördlich sitzt sein Kollege Rudolf Steinberg oben im "Juridicum" - einem Hochhaus auf dem alten Frankfurter Campus Bockenheim. Von seinem Büro aus kann der Jurist auf die Taunus-Höhen blicken. Von der anderen Seite des Gebäudes aus hat man das Bankenviertel der Main-Metropole im Blick. Doch nicht nur auf spendable Geldinstitute zielt Steinberg mit seinem seit dem 1.1. 2008 gesetzlich abgesegneten Projekt einer Stiftungsuni. Im letzten Jahr spendete eine Privatperson 33 Millionen Euro - ohne jede Zweckbindung. Rudolf Steinberg erzählt stolz, dass die ersten 500.000 Euro Ertrag aus dieser Stiftung an ein geisteswissenschaftliches Forschungsprojekt gingen. Solche Bemerkungen sollen nicht zuletzt Kritiker beruhigen. Lange galt Frankfurt als linke Hochburg. Gemeinsam mit Roland Koch engagierte sich Rudolf Steinberg jedoch für Studiengebühren und versprach, die Goethe-Uni auf Finanzuniversität und Leistung zu trimmen. Das langfristige Ziel: Frankfurt will die Champions League der 50 internationalen Spitzenuniversitäten. Rudolf Steinberg:

    "Das ist sicher ein ehrgeiziges Ziel, aber ich bin sicher, dass die Universität Frankfurt das schaffen kann."

    Zunächst jedoch wartet die Konkurrenz in der Nachbarschaft. In Giessen zum Beispiel. Dort schnitt die 400 Jahre alte Universität in der Exzellenzinitiative überraschend gut ab. Auch in Gießen hat man nichts gegen privates Kapital - zum Beispiel zur Sanierung maroder Gebäude wie das Universitätsklinikum. Der private Betreiber, die die Klinik trotz vieler Proteste inzwischen übernommen hat, verspricht hoher Neuinvestitionen.

    Geldmangel ist auch für die TU Darmstadt ein Dauerproblem. Doch zur Zeit strukturiert der neuen TU-Chef Hans Jürgen Prömel erst einmal kräftig die Uni-Leitung um. Die üblichen Ressorts wie "Forschung" und Lehre" sind out: Stattdessen gibt es neuerdings einen Vizepräsidenten für Internationales und Wissenstransfer, einen Vize für Studierende und wissenschaftlichen Nachwuchs. Eine Vizepräsidentin kümmert sich
    um wissenschaftliche Infrastruktur und Interdisziplinarität. Hans Jürgen Prömel will nicht nur Ingenieure ausbilden:

    "Die Technische Universität Darmstadt hat sich sehr bewusst den Namen Universität gegeben. Und eine Universität heißt eine Fächervielfalt, das heißt die Präsenz von Geisteswissenschaften, Sozialwissenschaften in einer Technischen Universität. Und das würde ich als Qualitätsmerkmal auch weiterentwickeln wollen. Das ist eine Gradwanderung, weil ich auf der anderen Seite gesagt habe, dass es ein klares Forschungsprofil geben muss. Aber die Breite und die Interdisziplinarität ist für mich ein klares Qualitätsmerkmal."

    Qualität brauchen die hessischen Universitäten dringend. In Hessen gewann keine Uni ein Exzellenzetikett beim Wettbewerb des Bundes. Insider munkeln, dass dies nicht zuletzt an notorischer Unterfinanzierung lag.

    Wiesbaden hat inzwischen reagiert. Im Jahr 2007 hat die hessische Landesregierung ein landeseigenes Exzellenzprogramm aufgelegt. Es steht zu erwarten, dass die südhessischen Universitäten dabei gut abschneiden werden. In Giessen, Frankfurt und Darmstadt herrscht kreative Aufbruchstimmung.

    Doch ein bisschen Konkurrenz, vor allem mit Darmstadt, belebt durchaus das Geschäft, findet Frankfurts Uni-Chef Rudolf Steinberg:

    "Das ist eine gute Zusammenarbeit mit Darmstadt, aber ein bisschen Konkurrenz kann nicht schaden. "