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Stillstand ist Rückschritt

Bis heute bringt die Eidgenössisch- Technische Hochschule (ETH) in Zürich so alle fünf bis zehn Jahre einen neuen Nobelpreisträger hervor. Jetzt feiert die renommierte Hochschule ihren 150. Geburtstag – und wie es sich für eine außergewöhnliche Institution gehört, stieß man an einem außergewöhnlichen Ort auf das Jubiläum an.

Von Thomas Wagner | 22.04.2005
    Zürich Hauptbahnhof, gestern am frühen Abend: Auf Gleis 14 tut sich Ungewöhnliches.

    "Es ist eine Lokomotive, die wir von der SBB geschenkt bekommen haben, mit 150 Jahren ETH drauf, zwei Studierenden, die jetzt in der Lok in die Zukunft fahren."

    Wie ein kleines Kind, das zu Weihnachten eine Spielzeugeisenbahn geschenkt bekommen hat, freut sich Professor Olaf Kübler, Präsident der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich, über dieses originelle Geburtstagsgeschenk: eine Lokomotive, die mit der Aufschrift "150 Jahre ETH – welcome tomorrow" in den kommenden Monaten durch die Schweizer Lande braust. Das hat schon was:

    "Es gibt für mich fast nichts besseres, als den Anschluss an die Tradition und den Aufbruch in die Moderne zu zeigen als mit der Eisenbahn. Denn so hat die Schweiz und auch die ETH sich Mitte des 19. Jahrhunderts positioniert, so hat sie sich ständig modernisiert und so geht sie auch in die Zukunft."
    Stillstand ist für die ETH Rückschritt, so wie im richtigen Eisenbahnerleben. Vor 150 Jahren noch wurde am Züricher Polytechnikum, dem Anfang der späteren ETH, die Grundzüge des Eisenbahnbaus gelehrt; heute geht es in den Hörsälen und Seminarräumen rings um den neoklassizistischen Kuppelbau der ETH auf einer Anhöhe oberhalb von Zürich um Atomoptik, Neuroinformatik und um die Erforschung von Proteinstrukturen. Für letzteres gab’s unlängst sogar den Nobelpreis für Chemie: Professor Kurz Wüthrich, der seit Jahrzehnten an der ETH Zürich forscht und lehrt, hätte zwar nie mit dieser begehrten Auszeichnung gerechnet. Doch nun, drei Jahre nach der Preisvergabe, steht für Wüthrich fest: Das Klima an der ETH war mitentscheidend für diesen Erfolg.

    "Da ist es einfach so, dass wir hier sehr langfristig gefördert werden. Ich bin jetzt hier 35 Jahre tätig. Man hat auch damals, als ich als sehr junger Dozent herkam, sehr viel Vertrauen in mich gesetzt und langfristig unsere Forschungsprojekte unterstützt."

    Hinzu kommt, so Wüthrich, der besondere Geist der ETH Zürich:

    "Es ist so, dass weit mehr als die Hälfte unserer Dozenten aus dem Ausland berufen werden. Wir versuchen immer, den besten anzustellen und nicht einen Schweizer anzustellen. In meinem Institut sind wir nur zwei Schweizer. Wir haben Amerikaner, wir haben Osteuropäer, wir haben Engländer, wir haben einen Franzosen. Ich glaube, es ist diese Mischung von Kulturen, die sich zur Mischung von hervorragender Leistungsfähigkeit paart."

    Davon profitieren auch die Studenten: Ein ETH-Diplom in der Tasche ist in der Regel ein guter Start ins Berufsleben – dies auch deshalb, weil viele Personalchefs wissen: So ein Studium an der ETH mit ihrem breiten technisch-naturwissenschaftlichen Fächerkanon ist kein Zuckerschlecken.

    "Es ist alles recht eng gepackt und nicht so, dass du alles herauszögern kannst. Da hast du genau deinen Plan und musst nicht den Fächern nachrennen und dich für sieben Sachen entscheiden. Das gefällt mir eigentlich, obwohl du dafür sehr viele Stunden hast,"

    meint Anita, Studentin der Lebensmittelwissenschaften an der ETH Zürich. Nur einen Wermutstropfen gibt’s: Das Studentenleben in Zürich ist

    "sehr teuer, so eine Drei-Zimmer-Wohnung, so zwischen 1200 und 1800 Franken etwa, Essen an der ETH-Mensa 5,80 das Menü, sonst ein Menü 20 Franken, billiges Mittagsrestaurant vielleicht 10."

    Umgerechnet zwischen 800 und 1200 Euro für eine Drei-Zimmer-Wohnung ist für die Studenten kein Pappenstil, selbst wenn sie sich die Wohnung mit ein paar Kommilitonen teilen. Hinzu kommen nochmals pro Semester knapp 600 Schweizer Franken Studiengebühren. Und auch ansonsten geht das Geld in Zürich weg wie nichts.

    "Ein Bier zweieinhalb mal so viel, eine Pizza kostet zweieinhalb mal so viel."

    Manchmal erinnert sich Christoph Kölble ein wenig wehmütig an seine Studienzeit in Stuttgart zurück. Heute arbeitet der Bauingenieur aus dem Schwabenland als wissenschaftlicher Assistent am ETH-Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme – und das schon seit drei Jahren. Obwohl das Bier teurer ist – Christoph Kölble hat den Schritt nach Zürich nie bereut. Ins Ausland wollte er ohnehin schon immer:

    "Es fällt einem dann auch nochleicht, hier anzufangen. Man hat ja keine Sprachprobleme. Es fällt einem leichter als in der Türkei oder Italien hier anzufangen."


    Und tatsächlich: In Sachen Verständigung hat der Schwabe von der Alb gleich gar kein Problem mit den Kollegen an de ETH:

    "Man hat einen gewissen Sympathiebonus, wenn man nicht dieses astreine Schriftdeutsch redet. Dann heißt es eben so: Der kann’s ja auch nicht gescheit. Insofern hat man ein bisschen einen Sympathievorsprung."