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Stillstand oder Erneuerung

In Bosnien-Herzegowina wird am kommenden Sonntag gewählt. Der Staat hat heute - 15 Jahre nach Kriegsende - mit immensen Problemen zu kämpfen, die nicht zuletzt in der ethnischen Teilung des Landes begründet liegen.

Von Christian Bremkamp |
    Mitten im Zentrum von Sarajevo. Dort, wo die Haupteinkaufsstraße, die "Ferhadija", in den osmanisch geprägten Teil der bosnischen Hauptstadt mündet. Vor einem kleinen, zweistöckigen Haus sitzt eine Gruppe junger Leute:

    "Wir sind hier in der Altstadt in Sarajevo, befinden uns in einem Club, der "Babylon" heißt – und - hier treffen sich so alternative Menschen, die keine Nationalisten sind, mit denen man sich unterhalten kann, egal welcher Ethnie sie gehören und denen es eigentlich total egal ist."

    Gleichgültig, woher jemand kommt, gleichgültig, ob Bosniake, Kroate oder Serbe? Auch 15 Jahre nach Kriegsende ist solch eine Haltung immer noch nicht die Regel in Bosnien-Herzegowina. Das Land ist in zwei sogenannte Entitäten gespalten. In der Föderation leben vornehmlich Muslime – also Bosniaken – und Kroaten. In der Republika Srpska haben die Serben das Sagen. Ein Austausch – geschweige denn ein Miteinander – findet kaum statt. Eine Situation, mit der sich Aida Vehabovic nicht abfinden möchte. Die junge Frau, die während des Krieges im bayerischen Straubing lebte und 1997 in ihre Heimat zurückkehrte, hat sich schon früh bei der deutschen Organisation "Schüler Helfen Leben" engagiert. Mitte der 90er-Jahre gegründet, hat sich der Verein der Bildungs-, Jugend- und Friedensarbeit auf dem West-Balkan verschrieben. Heute ist Aida die Leiterin des SHL-Büros in Sarajevo. Mit viel Elan hat sie eine landesweite Schülervertretung aufgebaut:

    "Es ist in Deutschland wahrscheinlich nicht so toll, wenn man sagt: okay – bundesweite Schülervertretung. Aber hier bedeutet es etwas, weil wir drei Schulprogramme haben, weil wir drei ethnische Aufteilungen haben, die hier sehr, sehr stark sind und, wo das komplette System eigentlich den Jugendlichen verbietet, miteinander Kommunikation aufzunehmen. Und wenn sich die Politiker überhaupt vorstellen, dass Jugendliche irgendetwas noch gemeinsam machen, dann bekommen sie eine Krise."

    Das trifft sicherlich nicht auf alle Politiker zu. Auch in Bosnien gibt es hier und da Versuche, den Stillstand aufzubrechen. Doch es ist schwer, für junge Leute ganz besonders, meint Aida Vehabovic:

    "Es gibt paar Ansätze, wo Jugendliche auch irgendwie in die Politik gehen wollen, aber die Türen von den dicken, großen, 15-jährigen regierenden Nationalisten sind so dick, dass man da nicht durchkommt; und dass man ungefähr nach einem Jahr Versuch auch irgendwann mal aufgibt, weil man da keine Chancen hat."

    In der Innenstadt von Sarajevo sind nur noch wenige Kriegsspuren zu sehen, sind historische Gebäude mit ihren reichen Verzierungen aufwendig saniert worden. Das gilt für das Gebiet rund um den osmanischen Basar genauso wie für jene Straßenzüge, die an die Herrschaftszeit der Habsburger erinnern.

    Nur wenige Schritte entfernt von der römisch-katholischen Kathedrale Sarajevos liegt das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung. Seit gut einem Jahr wird die Außenstelle von Sabina Wölkner geleitet. Die studierte Slawistin weiß um die Probleme Bosniens. Probleme, die auch, aber nicht nur hausgemacht sind. Das Friedensabkommen von Dayton, unterzeichnet nach wochenlangen Verhandlungen im Winter 1995, stoppte den Krieg, legte aber auch den Grundstein für das, was ein Fortkommen des Landes heute so schwierig erscheinen lässt:

    "Die Dayton-Verfassung, die in dem Daytoner Friedensvertrag, um genauer zu sein im Anhang 4, festgeschrieben ist, ist eine hochkomplexe Struktur, die das politische Staatsgebilde in erster Linie nach ethnischen Prinzipien ausrichtet, den Staat stark dezentralisiert und eine Reihe von Blockademöglichkeiten den politischen Akteuren einräumt, die dazu führen, dass Entscheidungen im Parlament oder in anderen Institutionen kaum durchgesetzt werden können."

    Beispiel: eine vom Ausland immer wieder angemahnte Reform der Verfassung. Sie soll das Land und seine Strukturen effizienter machen, weg- von der Teilung, hinführen zu mehr gesamt-staatlichem Handeln. Dafür machte sich zuletzt noch einmal Bundesaußenminister Guido Westerwelle stark, bei seinem Besuch in Sarajevo Ende August:

    "Bosnien und Herzegowina haben eine europäische Perspektive, nicht mehrere. Wir wissen alle, dass der Weg natürlich auch nach Europa, aber auch beispielsweise in die NATO, ein Weg ist, der mit harter Arbeit und auch eigenen Anstrengungen verbunden ist, das gilt zum Beispiel auch für die Notwendigkeit einer Verfassungsreform; und wir setzen darauf, dass dieses unmittelbar nach den Wahlen von allen Kräften mit Energie, mit Mut, Kraft und dem Willen zur Einheit angepackt wird."

    Ob das schon bald geschehen wird? Sabina Wölkner von der Konrad-Adenauer-Stiftung ist skeptisch. Was fehlt, sei ein "Konsens in den wichtigsten Fragen". Doch was sind die "wichtigsten Fragen"? Schon an diesem Punkt gehen die Meinungen weit auseinander. Mehr Zentralstaat? Der Ministerpräsident der serbischen Teilrepublik, Milorad Dodik, hat oft genug mit Abspaltung gedroht. Wie könnte eine Lösung aussehen?

    "Ich glaube, dass der Schlüssel in der Versöhnung liegt. Der Krieg hat tiefe Spuren in der Gesellschaft hinterlassen und 15 Jahre nach dem Krieg ist keine lange Zeit, wenn man bedenkt, dass der Krieg die Hälfte der Bevölkerung zu Vertriebenen gemacht hat, wenn man bedenkt, dass 100.000 Menschen gestorben sind, und dass die Belagerung Sarajevos drei Jahre gedauert hat."

    Die katholische Kathedrale unweit einer großen Moschee, nur wenige Schritte entfernt eine orthodoxe Kirche, eine prächtige Synagoge - ebenfalls gleich um die Ecke. Rund 700 Juden leben heute noch in Sarajevo, im ganzen Land sind es ungefähr 1000. Die meisten von ihnen sind sephardische Juden, haben ihre frühen Wurzeln in Spanien. Während des Bosnienkrieges konnten sie vergleichsweise einfach das Land verlassen – oft in Richtung Israel. Unvergessen – mit ihren Papieren halfen sie auch vielen nicht-jüdischen Einwohnern bei der Flucht. So verwundert es kaum, dass vor den Türen des jüdischen Gemeindezentrums keine Polizisten zu sehen sind, die Türen offen stehen.

    Mit einer Ausstellung und einer Art Dia-Show erinnerten diesen Sommer Studenten an die wechselvolle Geschichte der Juden in Sarajevo. Eine Geschichte, die seit einigen Monaten um ein Kapitel reicher ist. Jakob Finci, Präsident der Gemeinde und gleichzeitig bosnischer Botschafter in der Schweiz, klagte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen sein eigenes Land, genauer: gegen die bosnische Verfassung. Hat doch Anhang 4 des Dayton-Abkommens die Bevölkerung des Landes nicht nur drei- sondern viergeteilt in: Bosniaken, Kroaten, Serben und die "Anderen", wozu Juden, Roma, Kinder aus gemischten Ehen und Angehörige weiterer Minderheiten gezählt werden. Der Stein des Anstoßes: Diese "Anderen" dürfen weder für das Amt des Präsidenten noch für einen Sitz in der sogenannten "Völkerkammer", der zweiten Parlamentskammer, kandidieren.

    "Ich habe diesen Fall gewonnen. Aber leider hat unser Land bisher weder die Verfassung noch das Wahlrecht dahin gehend geändert. So bleibt die zentrale Frage: Wie lange sollen wir noch darauf warten, bis wirklich alle Menschen in Bosnien, egal von woher sie kommen, dieselben Rechte erhalten? Denn es ist ja auch so, selbst Angehörige der drei großen Volksgruppen haben das Problem, dass sie nicht dieselben Rechte haben, wenn sie – sagen wir es mal so – im falschen Landesteil leben."

    Was Jakob Finci meint: Auch ein Bosniake beispielsweise, der in der Republika Srpska lebt, kann nicht ins Staatspräsidium gewählt werden. Fincis gerichtliche Auseinandersetzung liegt nun bereits ein Jahr zurück, geändert hat sich nichts – trotz des Urteils, trotz internationaler Verpflichtungen, die Bosnien eingegangen ist. Was erwartet er vor diesem Hintergrund von der Wahl am 3. Oktober?

    "Unglücklicherweise wird sich nichts ändern, es wird alles beim Alten bleiben. Ich glaube, wir werden dieselben Ergebnisse wie bei der letzten Wahl von vor vier Jahren haben, dieselben Namen, dieselben Gesichter."

    Caroline Ravaud ist Vertreterin des Europarates in Sarajevo. Sie kennt den "Fall Finci" genau und sagt unumwunden, um eine Verfassungsänderung werde Bosnien nicht herumkommen:

    "Denn alle politischen Parteien und alle ethnischen Gruppen sind sich voll dessen bewusst, dass dieses Urteil unbedingt ausgeführt werden muss. Und dieses Urteil kann nur ausgeführt werden, indem man die Verfassung ändert. Das ist der erste Fall in den 60 Jahren der Menschenrechtskonvention, wo der Gerichtshof eine Diskriminierung festgestellt hat, die in der Verfassung fest geankert ist."

    Doch wie sollte solch eine Reform aussehen? Da gebe es mehrere Möglichkeiten, betont Caroline Ravaud und warnt zugleich vor der vermeintlich naheliegendsten:

    "Einer der Vorschläge ist eben, einen vierten Präsidenten einzuführen, der die Minderheiten dieses Landes vertreten würde. Ich meine, das ist ja noch schlimmer als mit drei Präsidenten und würde den Staat nicht funktionsfähiger machen. Man kann es auch übertreiben. Zu viel gleiche Rechte, im Endeffekt, würden dann keine Rechte für keinen sein."

    Neben einer Verfassungsreform wird vom Ausland, vor allem von der Europäischen Union, auch immer eine Polizeireform in Bosnien angemahnt. Beratend zur Seite steht die "Europäische Polizeimission", kurz EUPM. Seit 2003 im Land konzentriert sie sich derzeit vor allem auf die Bereiche "Organisierte Kriminalität" und "Korruptionsbekämpfung". Leiter der EUPM ist seit November 2008 der Deutsche Stefan Feller.
    "Wir sind hier, um vorhandene Kräfte zu stärken, wir ersetzen nicht", unterstreicht er nachdrücklich. Doch auch Stefan Feller kann nicht verhehlen, dass die komplizierten Strukturen, mit denen er es auch in seinem Bereich zu tun hat, die Zusammenarbeit mit den bosnischen Partnern nicht gerade erleichtern:

    "Die derzeitigen Schwachstellen dieses Systems sind nach wie vor, dass sehr, sehr viele Polizeibehörden, sehr, sehr viele Strafverfolgungsbehörden, wir arbeiten auch mit dem staatlichen Ausländeramt zusammen oder mit dem Zoll, und dass diese Behörden sehr stark unterschiedlich strukturiert sind, dass es insgesamt 17 von ihnen auf verschiedenen Ebenen gibt, und dass die Fähigkeit zur institutionalisierten Zusammenarbeit derzeit noch nicht da ist."

    Was ist das Hauptproblem?

    "Das eigentliche Problem liegt darin, dass es bislang nicht gelungen ist, Minister, Innenminister und den Sicherheitsminister zu einer gemeinsamen Definition einer mehrjährigen Sicherheitsstrategie davon zu überzeugen, dass das notwendig ist. Aber das ist eben halt auch etwas, wo man manchmal das nicht innerhalb von einem Tag erreichen kann."

    Wann dann? Und wer soll entscheiden? War es vielleicht ein Fehler, dass sich ausländische Vertreter wie der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina in den letzten vier, fünf Jahren eher zurückgehalten haben?

    In der Zentrale des erst vor wenigen Wochen an den Start gegangenen Fernsehsenders tv1. Untergebracht im ersten Stock eines schmucklosen Zweckbaus, leuchtet das rot-weiße Logo des Kanals von allen Seiten. Kurz vor Beginn der abendlichen Informationssendung "Face to Face" herrscht unter den Dutzenden Flachbild-Schirmen, hinter den Computern und dem Regie-Pult noch Aufregung. Alles ist neu.

    Als Studiogast ist der Politikexperte Srecko Latal von der "International Crisis Group" geladen; einer Nichtregierungsorganisation, die seit Ende der 90er-Jahre Analysen und Lösungsvorschläge zu internationalen Konflikten liefert. Srecko Latal stammt aus Sarajevo, blieb während des Krieges in der Stadt und berichtete als Korrespondent für eine amerikanische Nachrichtenagentur. Für ihn stellten die Internationalen Organisationen und Vertreter aus dem Ausland lange Zeit so etwas wie einen "Sicherheits-Mechanismus" dar, der das Land bisher auf Kurs hielt:

    "Meine größte Sorge ist, dass der Einfluss der internationalen Gemeinschaft mittlerweile so stark zurückgegangen ist, dass dieser 'Sicherheits-Mechanismus' nicht mehr funktioniert. Sollten radikale Stimmen in diesem Land wieder lauter werden, was hätten die internationalen - aus heutiger Sicht – denen noch entgegenzusetzen? Meine zentrale Botschaft lautet: Die Sicherheit und die Stabilität der ganzen Balkan-Region liegen in erster Linie in den Händen von Deutschland, Frankreich, dem Rest der EU und den übrigen Staaten der internationalen Gemeinschaft."

    Aber in der Tat, die Zeichen stehen auf Abzug. Trotz aller Widrigkeiten heute, so bald wie möglich sollen bosnische Behörden und Institutionen in Eigenregie das Land verwalten. Hoffnungen ruhen daher auf neuen Kräften, gerade jetzt kurz vor der Wahl. Immer wieder fällt in diesem Zusammenhang der Name der Partei "NasaStranka" – "Unsere Partei". Im April 2008 gegründet, will sie diejenigen Wähler ansprechen, die genug haben von nationalistischen Tönen und die für eine weitere Annäherung an die Europäische Union eintreten. Einen ersten Achtungserfolg konnte "NasaStranka" bereits bei den Kommunalwahlen 2008 für sich verbuchen. Einer der Vizebürgermeister-Posten in Sarajevo ging an "Unsere Partei":

    "Die Grundidee von NasaStranka ist, endlich mit den wichtigen Reformen in diesem Land anzufangen, anzupacken, damit aus Bosnien ein stabileres europäisches Land wird, Teil der europäischen Familie; und: Mitglied der Europäischen Union sowie der NATO. Das, so glauben wir, ist der Mechanismus, wie sich die Dinge ändern können."

    So der Generalsekretär der Partei Srdzan Dizdarevic. Einen Kritikpunkt, den er zuletzt häufiger zu hören bekam, weist er entschieden zurück:

    "Ich glaube nicht, dass wir zu intellektuell auftreten. Wofür wir uns einsetzen, das wird in erster Linie von unseren jungen Mitgliedern formuliert und ausgesprochen. Sie sind diejenigen, die die Kampagnen machen, von Tür zu Tür gehen. Das ist nicht die Führungsriege, das sind nicht die Leute, die vielleicht älter sind als ich selbst."

    SDA, SDP, Partei für Bosnien und Herzegowina ... - die Liste der Gruppierungen, die bei der Wahl antreten werden, ist lang. Wie "NasaStranka" abschneiden wird, bleibt abzuwarten. Doch gleichgültig, wer das Rennen machen wird, der junge Politik-Wissenschaftler Sasa Gavric, der unter anderem an der Universität Konstanz studiert hat, warnt vor zu hohen Erwartungen und vergleicht sein Land mit einer Familie:

    "Also es gibt natürlich gut ausgebildete Eltern, die am liebsten ihr Kind im Gymnasium sehen würden und ein Studium machen lassen würden. Aber am Ende macht das Kind nur Hauptschule und ne Ausbildung, und das ist auch gut so. Und genauso gibt es halt gut funktionierende Länder und schlecht funktionierende Länder, und ich glaube, Bosnien ist halt so ein Land, was einem Hauptschüler ähnelt – ohne jemanden zu beleidigen – aber einfach, sozusagen, Bosnien-Herzegowina gehört zu den Ländern, die nicht wirklich funktionieren. Man wird keinen extremen Fortschritt in diesem Land sehen, und das wird alles sehr langsam laufen und Bosnien-Herzegowina braucht seine Zeit."

    Doch hat es die? Die Meinungen darüber, wie nachdrücklich die internationale Gemeinschaft im Land auftreten sollte, ob der Hohe Repräsentant beispielsweise nicht wieder stärker ins Geschehen eingreifen sollte, um die Dinge zu beschleunigen, sind gespalten. Valentin Inzko – seit Frühjahr 2009 Internationaler Bosnien-Beauftragter – kennt die unterschiedlichen Erwartungshaltungen an ihn und zeigt Verständnis dafür, wenn sich beispielsweise junge Menschen kritisch über die internationale Präsenz in Bosnien äußern:

    "Ich versteh die Jungen absolut, auch mein Sohn will von den Eltern nichts mehr hören, der ist 20 Jahre alt, und zum Teil besteht ja meine Funktion auch darin, mich selbst abzuschaffen. Also, das ändert sich, unsere Präsenz ist eine andere, und wir wollen weniger OHR haben in Zukunft, vielleicht auch kein Büro mehr einmal, aber mehr EU-Präsenz."

    Valentin Inzko ist unzufrieden mit der jetzigen Situation in Bosnien, das sagt er deutlich:

    "Wenn wir die französisch-deutsche Freundschaft anschauen, die Regierung, die sich einmal pro Jahr, zweimal pro Jahr trifft, so fehlt mir das hier in Bosnien vollkommen. Ich kann mich nicht erinnern, dass sich die Föderationsregierung einmal mit der Republika-Srpska-Regierung getroffen hätte, oder dass die Premierminister einfach einen Kaffee trinken, das war bis 2006 noch der Fall."

    Doch Valentin Inzko weiß um die Geschichte des Landes, kennt die Menschen und schätzt sie. Deshalb blickt er durchaus hoffnungsvoll in die Zukunft:

    "Die kurzfristigen Prognosen sind eher pessimistisch, die langfristigen aber optimistisch. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, als ich Botschafter hier war nach dem Krieg, hatte ich selbst beinahe Todesangst. Die Leute haben gigantische Umwege auf sich genommen, um nicht durch den anderen Landesteil zu fahren ... ist alles vorbei. Viele Dinge wurden einfach angenommen, sind jetzt eine Erfolgsgeschichte wie die Währung, das wird jetzt einfach als etwas Selbstverständliches akzeptiert, wie ein Mobiltelefon. Das war damals aber eine große Frage."

    Staus sind im Zentrum von Sarajevo, dort wo sich das Büro von Valentin Inzko befindet, an der Tagesordnung. Bis das Land – Bosnien-Herzegowina – auch politisch wieder an Fahrt gewinnt, braucht es wohl noch viel mehr, als nur einen Wahltermin.