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Stimmungsmache gegen den Islam

Politiker der Schweizerischen Volkspartei haben eine Volksabstimmung über ein generelles Minarettverbot im Land initiiert. Mit provokativen Propagandaplakaten und einem Computerspiel namens "Minarett Attack" machen sie gegen Muslime Front.

Von Claudia Witte | 27.11.2009
    Walter Wobmann ist kein Liebhaber von Minaretten. Deshalb hat der Politiker der Schweizerischen Volkspartei (SVP) das Computerspiel "Minarett Attack" ins Netz gestellt: eine idyllische Schweizer Stadtsilhouette mit Kirchtürmen vor schneebedeckten Hügeln. Doch die Idylle trügt. Wenn man nur lange genug wartet, sprießen überall auf dem Bildschirm dunkle Minarette in den Himmel. Entweder man schießt sie ab oder es meldet sich der Muezzin.

    Vier Minarette gibt es derzeit in der Schweiz, davon zwei jüngeren Datums. Der Bau von zwei weiteren Minaretten wird diskutiert. Für Walter Wobmann ist das ein untrügliches Zeichen für die fortschreitende Islamisierung der Schweiz.

    "Also die Grundsatzfrage ist natürlich auch in der Schweiz, warum ging es bis jetzt ohne Minarette und warum kommen sie jetzt plötzlich mit Minaretten. Und das ist natürlich eine zentrale Frage und es klar warum: weil es einen anderen Grund hat, mit der Islamisierung, mit dem politischen Islam. Den wollen sie installieren!"

    Wobmann lebt im Kanton Solothurn, den er gern als "minarett-geschädigten Kanton" bezeichnet, weil eines der vier Schweizer Minarette hier steht, in der Ortschaft Wangen. Mit Leib und Seele hat der SVP-Politiker gegen dieses Minarett angekämpft und dabei fast Erfolg gehabt. Doch als der örtliche türkische Kulturverein im Namen der Religionsfreiheit vors Bundesgericht zog und Recht bekam, musste er aufgeben; aber nur in Wangen. Vor zwei Jahren lancierten Wobmann und einige seiner Parteifreunde eine Unterschriftensammlung für eine Volksabstimmung über ein generelles Minarettverbot in der Schweiz.

    Fast 115.000 Unterschriften konnte das Komitee im vergangenen Juli bei der Regierung einreichen. Die Volksinitiative war damit zustande gekommen. Der Bundesrat, das ist die Schweizer Regierung, nimmt sich normalerweise viel Zeit bei der Behandlung von Volksinitiativen, aber in diesem Fall lief es anders, erklärt der Politologe Adrian Vatter von der Universität Bern:

    "Er hat das in einem Rekordtempo im Bundesrat behandelt, durchs Parlament gebracht und auch sehr kurz die Termine gesetzt für die Abstimmung. Aus einem einfachen Grund: Er befürchtete den Druck aus dem Ausland, dass das zu lange in den internationalen Medien behandelt wird. Und er wollte das Thema möglichst rasch quasi vom Tisch haben."

    Der Höhepunkt der Anti-Minarett-Kampagne setzte Ende Oktober ein, als das Initiativkomitee die ganze Schweiz mit provokativen Propagandaplakaten zukleisterte. Sie zeigen eine rot-weiße Schweizerflagge, aus der zahlreiche dunkle Minarette in den Himmel ragen. Die bedrohliche Szenerie wird von einer Frauengestalt in einer Burka flankiert. Die Plakate wurden zum Thema Nummer eins und spalten seitdem die öffentliche Meinung,

    "Find ich noch schön, farblich. Gefällt mir."

    "Total geschmacklos."
    "Sollte verboten werden."

    "Initiative ist nötig!"

    "Sehr provokativ und negativ"

    "Blöd! Ich find es blöd."

    "Das ist nicht ausländerfeindlich, das ist ganz neutral. Das zeigt ein Schweizerkreuz."

    Nicht nur die Schweizer Regierung will das Thema Minarettverbot vom Tisch haben. Auch die Muslime in der Schweiz wollen es hinter sich bringen. Hisham Maizar, der Präsident der Föderation Islamischer Dachverbände in der Schweiz, glaubt nicht, dass die Debatte über die Stellung der Muslime in der Schweizer Gesellschaft am Abstimmungssonntag ausgestanden ist. Er hofft aber inständig, dass der Ton sich danach ändern wird:

    "Was wird ausgestanden sein? Vielleicht die Art und Weise, wie aggressiv die Initianten ihre Initiative geleitet haben. Das wird für alle ein Feiertag sein, dass man sagt, man ist nicht mehr mit derartig diffamierenden und diskriminierenden Plakaten konfrontiert. Aber die Initiative in sich, die bringt immer etwas. Und zwar: Die Diskussion ist ins Rollen gekommen."