Dienstag, 19. März 2024

Archiv


Stimmungsmache gegen neue Flüchtlinge

Jedes Jahr erreichen rund 20.000 Bootsflüchtlinge Australien. Der neue konservative Premier Tony Abbott muss nun schnell sein Wahlversprechen umzusetzen: Die Eindämmung der Einwanderungsströme - auch mithilfe von Abschreckung.

Von Udo Schmidt | 14.09.2013
    Cabramatta im Südwesten von Sydney, der Multikulti-Stadtteil der australischen Metropole - gerne auch Little Saigon genannt, nach den vielen vietnamesischen Boatpeople, die ab Ende der Siebziger Jahre in Australien ankamen und von denen manche noch immer hier in Cabramatta leben. Doch Cabramatta ist mehr als ein kleines Exil-Vietnam.

    Hier leben Menschen aus vielen Regionen der Welt, und hierher kommen viele Einwohner Sydneys, denen ihr Australien für einen Moment zu klein und zu eng geworden ist, weiß Rose, die mit ihrem Bruder das Backwaren-Geschäft One Cake betreibt und eigentlich Tu Fi heißt. Vor über 30 Jahren kam sie aus Vietnam – als Bootsflüchtling:

    "Ich liebe Cabramatta, wir sind alle sehr freundlich hier, und es kommen viele aus dem Norden Sydneys wegen des leckeren asiatischen Essens, alle mögen es hier.""

    Auf einer Bank in der Sonne sitzt Danny aus Battambang in Kambodscha, seit 20 Jahren ist er in Australien, auch er kam als Flüchtling, aber von den vielen neuen Boatpeople, gegen die die konservative Regierung unter Tony Abbott nun radikal vorgehen will, hält er nicht viel. Zumindest glaubt er, dass die Abschreckung wirkt:

    "Wahrscheinlich gibt es bald keine Bootsflüchtlinge mehr, es ist auch alles sehr kompliziert, man muss so vieles regeln, man bekommt Kopfschmerzen davon. Ich glaube, ab jetzt kommen keine Bootsflüchtlinge mehr."

    Danny aus Kambodscha hat keine regelmäßige Arbeit, er schlägt sich so durch, erklärt er lachend, vielleicht lehnt er deshalb neue Flüchtlinge ab, sie stellen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt dar.

    David aus Myanmar betreibt einen eigenen Kiosk, in Mount Druitt, einem westlichen Vorort Sydneys, der auch bunt, aber nicht so lustig ist wie Cabramatta. Hier wird schon vormittags getrunken, hier haben mehr Menschen mehr Zeit, als sie vernünftig verbringen können, hier ist Australien auch dreckig. David geht es gut, man sieht ihm seine asiatischen Wurzeln an und er ist stolz darauf, aber auch er ist gegen die neuen Flüchtlinge:

    "Das Land kann nicht alle Flüchtlinge, die ins Land kommen unterstützen. Sie müssen untergebracht werden, brauchen Essen, das kostet doch Millionen. Am Ende haben wir nicht genug Geld, um ums um alle zu kümmern."

    Woran liegt das? Warum ist dieses Australien, dass doch ohne Einwanderer gar nicht existieren würde, so gegen diese Flüchtlinge, die ihr Leben riskieren, in kaum seetüchtigen Booten. Julian Burnside ist einer der bekanntesten Menschenrechtsanwälte Australiens. Er lebt in Melbourne, in der Weltbürgerstadt Down Under, in einem frisch restaurierten viktorianischen Gründerzeithaus.
    Burnside gibt vor allem der australischen Politik die Schuld. Seit Jahren habe sie Asylsuchende zur Zielscheibe gemacht, um von anderen Problemen abzulenken:

    "Sie haben die Asylsuchenden dämonisiert über die Jahrzehnte, sie nennen sie Illegale oder Vordrängler, was falsch ist, besonders die Konservativen haben dazu beigetragen, dass die Menschen die Bootsflüchtlinge ablehnen und hassen.""

    Grundsätzlich, meint Paul Power, der das Refugee Council of Australia leitet, ist Australien, sind die Australier aber offen für Neuankömmlinge jeder Art:

    "Es ist nicht typische Fremdenfeindlichkeit, die da vorliegt, denn ist Ansiedlung von Flüchtlingen in Australien ist von allen akzeptiert, das geht auch auf die alten britischen Wurzeln zurück, aber die Menschen wollen, dass es ordentlich abläuft. Und die Bootsflüchtlinge nehmen eben nicht ihren Platz in der Reihe ein, sie drängeln vor nach australischem Verständnis."

    Die vietnamesischen Boatpeople Ende der 70er-Jahre wurden damals, verglichen mit der Stimmung in Australien heute, geradezu mit offenen Armen empfangen. Das, sagt Paul Power, lag an der ökonomischen Situation. Australien suchte händeringend Arbeitskräfte, heutzutage werden Jobs auch Down Under rarer, außerdem gab es auch in Australien ein schlechtes, ein sehr schlechtes Gewissen nach den Greueltaten im Vietnamkrieg.

    Jeff lebt in Rooty Hill. Rooty Hill ist nicht weit vom etwas schäbigen Mount Druitt entfernt, aber doch deutlich ansehnlicher. Jeff ist pensionierter Verwaltungsbeamter der Stadt, der von Politik nichts verstehe, meint er - um dann viele schlaue Sachen zu sagen:

    "Die Flüchtlinge haben so viele verschiedene Dinge nach Australien gebracht, früher waren wir doch Fleisch und etwas Gemüse – Esser, mehr kannten wir nicht. Gerade hier in Rooty Hill gibt es jetzt Läden und Restaurants aus Indien, aus ganz Asien, von den Fijis. Sie haben doch viel für unser Land getan und uns bereichert.""

    Die, die nette asiatische Restaurants oder auch Bäckereien betreiben, sind nicht unbedingt ganz so liberal. Rose, die Vietnamesin, die seit 30 Jahren in Cabramatta mit ihrem Bruder leckere asiatische Süßigkeiten verkauft, sieht es so:

    "Wenn die Neuen in Australien leben wollen, dann dürfen sie nichts Falsches hier tun. Wenn sie hierherkommen mit reinem Herzen, dann ist es gut. Aber wenn sie herkommen, und beispielsweise nicht arbeiten und nichts für das Land tun wollen, dann sollen sie nicht kommen."