"Ich habe viele Ziele, nicht nur ein Abschlusszeugnis. Ich will eine Brücke bauen, zwischen dem Irak und Deutschland, ein Netzwerk schaffen. Ich möchte neue Techniken und neue Fähigkeiten, die ich hier lerne, in meine Heimat bringen."
Demnächst wird Raed Mejbel Ali an der Universität Düsseldorf Computer Engineering studieren. Derzeit lernt der 29-jährige Iraker noch Deutsch. Mejbel Ali ist DAAD-Stipendiat und hat vorher in Bagdad studiert:
"In unserem Land haben die Menschen großes Vertrauen in Deutschland, Made in Germany ist sehr populär bei uns."
Mejbel Ali sitzt in der Sonne, auf dem Aussichtsdeck der MS Godesia, ein Passagierschiff, das den Rhein entlang fährt. Der DAAD hat die Bootsfahrt organisiert, mit an Bord rund 40 Stipendiaten aus allen Teilen des Irak. Das Land hatte vor Jahrzehnten eine leistungsfähige Hochschullandschaft, vielleicht die leistungsfähigste in der gesamten arabischen Welt. Doch das war einmal.
Lage an den Hochschulen verbessert sich nur langsam
"Ich glaube, der Todesstoß kam 2003, als infolge der amerikanischen Besatzung die Hochschulen geplündert wurden, Hochschullehrer eliminiert worden sind, von den eigenen Landsleuten. Viele sind in die Migration gegangen, mindestens 500 sind tatsächlich auch erschossen worden. Und das hat die irakischen Hochschulen sehr stark zurückgeworfen."
Alexander Haridi ist Leiter des Referats Irak beim DAAD. Die Situation der Hochschulen im Irak habe sich in den vergangenen Jahren nur sehr langsam verbessert, sagt er. Und die Kämpfe im Norden des Landes mache es nicht leichter.
"Wird es in einem Jahr einen Irak, so wie wir ihn heute auf der Karte sehen, geben? Das kann im Moment niemand beantworten. Wir sind in einer historischen Situation. Ich glaube die größte Herausforderung für den Irak ist die Befriedung des Landes. Und die Befriedung des Landes wird nur funktionieren, wenn die verschiedenen Bevölkerungsgruppen sich im politischen System wiederfinden. Und wenn die Korruption bekämpft wird. Wenn Sie hier mit den Studierenden sprechen, kommt man am Ende der Diskussion immer auf Korruption und Klientelismus als die Ursachen für den Zerfall des Staates."
Student Mejbel Ali stammt aus einem Teil des Landes, der auch jetzt noch relativ sicher ist - anders als Amer Hussein Taha. Vor fünf Monaten ist er aus Mossul nach Deutschland gekommen, um hier Stammzellforschung zu betreiben, ohne seine Frau und seine drei Kinder - angereist aus einer Stadt, die nach seinem Abschied von IS-Milizen eingenommen wurde.
"Als die Angriffe kamen war meine Familie noch in Mossul, sie sind erst drei Tage später geflohen und waren in einer schlimmen Lage, ohne Trinkwasser, ohne Lebensmittel. Der DAAD hat mir geholfen für meine Familie VISA zu bekommen."
Hochschulsystem krankt an der Bürokratie
Noch am gleichen Abend will Taha in die Türkei fliegen, wo er seine Familie erwartet, um dann mit ihr gemeinsam nach Deutschland zu reisen. Die IS-Milizen hätten alles zerstört, sagt er. Die Universität Mossul, an der Taha studiert hat, immerhin die zweitgrößte Hochschule des Irak, hat den Betrieb eingestellt - unklar ob und wann er jemals wieder aufgenommen werden kann. Aber auch in den Teilen des Landes, die nicht unmittelbar vom sogenannten Islamischen Staat bedroht werden, haben die Hochschulen mit Problemen zu kämpfen, sagt Zaid Alnewaini. Der macht derzeit seinen Doktor in Medizinphysik an der Uni Heidelberg. Das Hochschulsystem kranke an der Bürokratie, meint er. Ursprünglich wollte der 36-Jährige nicht in seine Heimat zurückkehren.
"Im April 20007 wurde ich in Bagdad entführt. Danach wollte ich nur noch raus aus meinem Land. Als ich den Irak verließ, um nach Deutschland zu gehen, entschied ich mich, nicht zurückzukehren. Ich wollte hier bleiben, eine Karriere starten, eine Existenz gründen. Aber nach sechs Monaten hab ich mich anders entschieden. Dort bin ich nützlicher, hier bin ich nur jemand, der einen Doktor hat, aber dort kann ich viel mehr Leuten helfen."