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Stipendien mit Schwarz-Gelb

Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsminister, Andreas Pinkwart (FDP), fordert ein bundesweites Stipendiensystem für Studierende. Es soll eine ähnliche Förderung, wie sie bereits im Bundesland Nordrhein-Westfalen besteht, in ganz Deutschland eingeführt werden.

Andreas Pinkwart im Gespräch mit Elif Senel |
    Elif Senel: Ein bundesweites Stipendiensystem ist noch nicht begraben. Das stellen zumindest Union und FDP in Aussicht, wenn die Bundestagswahl eine schwarz-gelbe Koalition hervorbringt. Die Initiative geht auf den nordrhein-westfälischen FDP-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart zurück, und das, obwohl sein erster Anlauf im März dieses Jahres in der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern gescheitert ist. SPD-geführte Bundesländer hatten gegen ein solches bundesweites System gestimmt. Wir hatten darüber berichtet.

    In NRW läuft dieses Stipendiensystem jetzt trotzdem, jeweils zur Hälfte vom Land und der Wirtschaft finanziert. Aber wie das System sich auch auf den Bund übertragen lassen soll, darüber spreche ich jetzt mit NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart. Schönen guten Tag!

    Andreas Pinkwart: Ja, guten Tag!

    Senel: Ein neuer Vorstoß für ein bundesweites Stipendiensystem - warum glauben Sie, dass die Länder, die dagegen waren, jetzt, nach der Bundestagswahl, dafür sein werden?

    Pinkwart: Weil ich wahrnehme, dass es ihnen kaum möglich sein wird, es ihren Studierenden, die über die entsprechenden Talente und Begabungen verfügen, zu verwehren. Wir sehen das jetzt gerade in Sachsen. Dort hat meine Kollegin Stange, SPD, unser Konzept bis zuletzt bekämpft und dann auch abgelehnt. Ihr eigener Finanzminister geht jetzt hin und sagt, er stelle aber in Sachsen nach dem NRW-Modell 400 Stipendien in Aussicht.

    Das zeigt offensichtlich, dass selbst in den Ländern, aus denen über die Wissenschaftsminister Widerstand organisiert worden ist, dieser Widerstand jetzt gebrochen wird, was ja auch nur richtig ist, denn es muss doch unser gesamtdeutsches Interesse sein, dass wir unsere besten Köpfe besser fördern, damit sie sich hier in Deutschland auch entfalten können.

    Senel: Wie sehr soll denn das System sich an das NRW-System anlehnen?

    Pinkwart: Ja, wir haben ja zum einen das BAföG, dazu stehen wir auch, gerade Nordrhein-Westfalen hat für Verbesserungen beim BAföG sehr geworben, im Übrigen bis zuletzt gegen erhebliche Widerstände von Herrn Steinbrück. Zum Zweiten haben wir die Begabungsförderungswerke, die wichtige Arbeit leisten, aber das hat bisher nur dazu geführt, dass gerade einmal zwei Prozent aller Studierenden in Deutschland ein begabungsbezogenes Stipendium bekommen.

    Und wir haben gesagt: Es müsste doch erreicht werden können, schrittweise wenigstens zehn Prozent unserer Studierenden ein Stipendium zu geben, unabhängig vom Einkommen und der Herkunft der Eltern, einfach bezogen auf ihre Fähigkeiten, und die Studienstiftung des Deutschen Volkes hat uns auch gesagt, dass dieses Zehnprozentziel, bezogen auf das Begabungspotenzial, sehr richtig liegen würde und dass das sehr sachgerecht wäre.

    Senel: Also, wie soll dann das System aussehen? Auch wieder zur Hälfte von der Wirtschaft finanziert?

    Pinkwart: Ja, das wäre sehr gut, und ich meine jetzt gar nicht mal immer die Wirtschaft, wer ist denn die Wirtschaft? Das sind wir irgendwo doch alle, mindestens die Unternehmen und die dort Beschäftigten. Aber uns geht es gar nicht um die Wirtschaft, sondern uns geht es um Staat und privat. Das sind Unternehmen, große wie mittelständische, aber das sind auch Stiftungen, private Stiftungen, deren Zahl ja ständig steigt - Gott sei Dank - in Deutschland, und das sind auch Privatpersonen, etwa Ehemalige, die nach ihrem Studium in ihrem Beruf erfolgreich sind und einen Teil ihres Erfolgs an ihre Kommilitonen von heute zurückgeben wollen.

    Senel: Aber Unternehmen gehören ja auch dazu und in NRW ist das ja auch schon der Fall. Da ist es allerdings so, dass die Hälfte der Stipendien an beispielsweise Ingenieurwissenschaften, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften gebunden sind. Da sind die Geisteswissenschaften ja schon benachteiligt. Ist das nicht ein Abschied auch vom humanistischen Ideal?

    Pinkwart: Sie müssen sehen, ich finde das beachtlich, weil diese Kritik, die Sie ja jetzt hier anbringen, ist ja uns auch vorher entgegengehalten worden, dass nahezu 40 Prozent aller privat zugesagten Stipendien überhaupt nicht inhaltlich gebunden worden sind. Das heißt, da sind die Hochschulen völlig frei, welchen Fachgebieten sie diese Stipendien geben wollen. Und wenn Sie sich auch die andere Verteilung ansehen, dann spiegelt das in etwa die Fächerverteilung auch an unseren Hochschulen wider.

    Ich sehe überhaupt kein Problem, dass die Geistes- und Kulturwissenschaften nicht entsprechend auch von den Hochschulen mit diesen Mitteln gefördert werden.

    Senel: In NRW sollen jetzt in diesem Wintersemester 1400 Stipendien zur Verfügung gestellt werden, aber die freien Stipendien sind da wirklich nur eine ganz geringe Zahl.

    Pinkwart: Ja, gut, wenn Sie 40 Prozent von 1400 rechnen, dann ist das mit 560 Stipendien schon eine ganz beachtliche Zahl, und wenn die schwerpunktmäßig in diese Bereiche hineingehen sollten, dann haben wir in etwa die Fächerstruktur, wie wir sie an unseren Hochschulen vorfinden. Und wen das stört, so möchte ich mal den Zuhörern zurufen, die können ja ihrerseits gerne vielleicht auch ein Stipendium geben, damit sie gerade diese Fächer fördern.

    Also, hier ist auch die Bürgergesellschaft gefordert, und das Beachtliche - und das wäre ein anderes Gegenargument gerade aus den neuen Ländern - ist ja in Nordrhein-Westfalen, dass es den Universitäten wie jetzt ja der Uni Duisburg-Essen, die in einem relativ schwierigen, wirtschaftlichen Umfeld sich bewegen, ja am besten sogar gelungen ist, private Mittel einzuwerben, weil es doch eine beachtliche Zahl von Bürgern gibt, die wissen, wie wichtig Universitäten, Hochschulen für ihre Region sind, die wissen …

    Senel: Schauen wir einmal ganz kurz noch mal auf den Bund vielleicht. Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche. Der Bund soll ja auch einen Teil dazu finanzieren in diesem bundesweiten Stipendienprogamm. Nun ist es ja nicht so wirklich einfach, aus dem Bund Gelder an das Land zu verteilen. Wie soll das funktionieren?

    Pinkwart: Ja, wir wollen es ja nicht ans Land verteilen, wir wollen es ja an die Hochschulen geben. Und dieserlei Finanzierung findet ja heute schon statt. Man muss sehen, zurzeit ist es so, beim BAföG: Zwei Drittel finanziert der Bund, ein Drittel finanzieren die Länder. Bei den Begabungsförderungswerken ist es gar so, dass der Bund fast ausschließlich die Stipendien in Deutschland finanziert, insofern steigen nach unserem Vorschlag die Länder erstmalig erkennbar in eine Stipendienfinanzierung mit ein.

    Und deswegen hatte ich zum Vorschlag gebracht, dass wir die Anzahl der Stipendien deutlich erhöhen könnten, wenn der Bund etwa zwei Drittel der Finanzierung, der staatlichen Finanzierung übernehmen wird, die Länder ein Drittel, und dass das dann gematched wird mit den von den Hochschulen bei Privaten eingeworbenen Mitteln, weil wir dann einfach auch ein "viel größeres Rad", in Anführungszeichen, drehen können - und Deutschland endlich zu der Stipendienkultur findet, die andernorts längst üblich ist.

    Senel: Spekulieren wir doch einmal ganz kurz die Verhältnisse nach den Bundestagswahlen. Gesetzt den Fall, es kommt wirklich zu einer Koalition zwischen Union und FDP, können Sie sich vorstellen, das Ressort Wissenschaft vielleicht im Bund zu übernehmen?

    Pinkwart: Es geht ja hier uns nicht um Fragen von irgendwelchen Ämterverteilungen, damit mögen sich andere beschäftigen. Mir geht es darum, dass wir hier in der Sache etwas erreicht bekommen. Wir haben über Jahre in Deutschland, wenn nicht Jahrzehnte, gesagt, wir müssten mehr tun auf dem Gebiet der Stipendien, aber wir sind ja im Prinzip nur im Schneckentempo vorangekommen.

    Hier liegt ein Vorschlag vor, seit anderthalb Jahren, wir haben intensiv diskutiert, wir hatten ja auch einen Arbeitsauftrag, wir in der GWK [Gemeinsame Wissenschaftskonferenz], wir haben alle maßgeblichen Vertreter - bis hin zu den Studentenwerken, Stifterverband, Studienstiftung und andere - gefragt. Es gab eigentlich ungeteilte, fachliche Unterstützung.

    Wir sehen jetzt im Piloten, in Nordrhein-Westfalen: Offensichtlich geht das auch. Und es wäre jetzt schön, wenn die nächste Bundesregierung das natürlich kraftvoll aufgreifen würde, wenn aber auch, und das rufe ich den Kolleginnen und Kollegen jetzt in der GWK zu, auch in den Ländern das hinreichende Forum erreicht würde. Sie wissen, nach der Föderalismusreform sind Foren notwendig, dass sich die Länder und der Bund abstimmen - hier ist es also notwendig, dass alle auch zusammenwirken.

    Senel: Nach der Bundestagswahl werden wir dann wissen tatsächlich, ob Sie diese Gelegenheit noch haben werden. Vielen Dank NRW-Wissenschafts ...

    Pinkwart: Die werden wir über Nordrhein-Westfalen immer wieder neu ergreifen, bis wir dafür auch eine Mehrheit gefunden haben.

    Senel: Vielen Dank. NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart, zu einem neuen Anlauf für ein bundesweites Stipendiensystem nach den Bundestagswahlen.