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Stipendium fürs Baby

Nur 18 Prozent der Lehrenden an deutschen Hochschulen sind Frauen. Ein Grund für das Missverhältnis ist der Nachwuchs: Immer noch sind es vor allem Frauen, die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen. Die Stiftung einer Nobelpreisträgerin sponsert Betreuungsplätze, damit Wissenschaftlerinnen Kind und Karriere besser bewältigen.

Von Gaby Mayr |
    Die Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung unterstützt junge Naturwissenschaftlerinnen mit Kind, damit sie auch als Mutter in ihrem anspruchsvollen Beruf am Ball bleiben.

    Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard hat genaue Vorstellungen, wann es für eine Wissenschaftlerin günstig ist, ein Kind zu bekommen:

    "Wenn man Doktorandin ist, ist die Zeit, finde ich, wo die Kinder da sein sollten."

    Das Examen in der Tasche, aber noch nicht auf einem verantwortlichen, anstrengenden Arbeitsplatz im Wissenschaftsbetrieb - das ist die Zeit der Promotion. Nüsslein-Volhard:

    "Und deswegen diese Stiftung, dass man Leute doch ermutigt, eben in früheren Jahren die Kinder zu kriegen."

    Daniela Hülle untersucht in ihrer Doktorarbeit Gesteinsablagerungen in der Mongolei - um daraus Schlüsse auf Klimaveränderungen in den letzten 30.000 Jahren zu ziehen.

    Daniela Hülle wurde schwanger, als sie gerade mitten in der Promotion steckte. Das passte ihr eigentlich gut - aber als das Kind dann auf der Welt war, geriet sie doch ordentlich unter Druck. Obwohl ihr Partner sich sehr engagierte. Das Geld der Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung war da eine große Hilfe:

    "Ich habe 400 Euro im Monat bekommen von der Stiftung für jegliche Investitionen, die es mir ermöglichen, mehr Zeit für die Forschung zu haben."

    Zeit für Forschung "kaufen" - das ermöglicht die 2004 gegründete Stiftung. Und dass die Wissenschaftlerinnen sich nach der Arbeit ihrem Kind widmen können und nicht dem Haushalt. Daniela Hülle:

    "Das war bei mir, dass ich eine Haushaltshilfe angestellt habe, die zumindest ein Mal die Woche für eine Grundordnung und Grundsauberkeit in der Wohnung sorgt. Dann habe ich das Geld dazu verwendet, zusätzliche Kinderbetreuung zu organisieren. Nämlich wenn ich auf einer Tagung war, ich war teilweise dann auch mal eine Woche im Ausland, und dafür brauchte ich dann jemanden."

    Wenn die Kita Ferien hat oder die Tagesmutter plötzlich krank wird - auch für solche Notfälle sind die monatlichen Zahlungen der Stiftung ein Segen:

    "Einfach solche Zeiten überbrücken zu können und sehr viel flexibler zu sein und einfach auch Freiraum dann für die Forschung zu haben."

    Die Förderung ist mittlerweile ausgelaufen. Aber die braucht Daniela Hülle auch nicht mehr: Im Sommer 2011 hat sie ihre Promotion abgeschlossen. Und ihr Sohn ist mit drei Jahren aus dem Allergröbsten raus.

    Fast 70 Wissenschaftlerinnen hat die Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung bisher gefördert. Auch nach Ende der Zahlungen werden die Naturwissenschaftlerinnen zu Treffen eingeladen - da entsteht ein Netzwerk von Forscherinnen mit Kindern.

    Mara ist eineinhalb Jahre. Ihre Mutter Judith Klatt bringt sie zur Kita. Klatt erforscht am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen den Stoffwechsel von Matten aus Kleinstlebewesen - früher bedeckten sie weite Teile der Erde, heute kommen sie nur noch an einigen abgelegenen Orten vor. Auch Judith Klatt bezahlt eine Haushaltshilfe von dem Stiftungsgeld, und

    "ein Teil des Geldes werde ich sparen, um meine Familie mit auf Expedition nehmen zu können. Also auf jeden Fall meine Tochter. Und eine Begleitperson, hoffentlich mein Partner."

    Denn das weiß Judith Klatt: Wer nicht auf Expedition geht, wer nicht an Tagungen teilnimmt, ist schnell abgehängt in der Wissenschaft.

    Das Bremer Max-Planck-Institut unterstützt Klatts Pläne. Dort denkt man jetzt sogar darüber nach, wie man anderen Müttern - und vielleicht auch Vätern - ermöglichen kann, Forschung und Familie besser zu vereinbaren. Judith Klatt schätzt die Unterstützung durch die Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung, nicht nur wegen des ausgezahlten Geldes:

    "Es bewegt eine Menge. Weil das einfach öffentlich gemacht wird, dass es junge Wissenschaftlerinnen mit Kindern gibt. Dass es etwas ganz Normales ist."