Ein Verbrechen so alt wie die Seefahrt: Schon Homer beschrieb es in seiner "Odyssee"; um 1400 machte Klaus Störtebeker den Koggen der Hanse das Leben schwer; zwei Jahrhunderte später raubten von der britischen Krone mit Kaperbriefen versehene Abenteurer spanischen Galeonen in Südamerika zusammengeraffte Reichtümer; die Kaperer verkamen zu Freibeutern – ab dem späten 17. Jahrhundert rigoros bekämpft auch von der britischen Regierung.
Irgendwann damals verwob sich reichlich gesponnenes Seemannsgarn zu langlebigen Mythen: zu Mythen von anarchischer Freiheit auf See, von Degen schwingenden Robin Hoods der Weltmeere, von einäugigen, holzbeinernen und doch irgendwie gutherzigen Raubeinen, die schließlich einen tragikumflorten Heldentod sterben. Hollywood – von Errol Flynn bis Johnny Depp – rettete die Mythen in die Moderne; bis heute verkleiden sich Kinder wie Karnevalisten von Herzen gern als Piraten.
Tatsächlich zählen Piraten seit jeher zu den brutalsten Verbrechern überhaupt. Sie vergewaltigen, foltern und morden meist ohne Skrupel; und sie sind keineswegs nur Geschichte.
Im Gegenteil: Die Piraterie breitet sich im frühen 21. Jahrhundert auf den Weltmeeren aus wie eine Grippe-Epidemie. Von 1994 bis 2003 stieg die Zahl bekannt gewordener Piratenangriffe auf Handelsschiffe von 90 pro Jahr auf 445. Im vergangenen Jahrzehnt wurden 2.500 Seeleute als Geiseln genommen und rund 500 von Piraten ermordet.
Zum Beispiel jene zwölf Fischer, die Ende Oktober 2004 vor Bangladesh in den Tiefkühlraum ihres Trawlers eingeschlossen wurden; zum Beispiel jener deutsche Yachtkapitän, der am 8. Juli 2001 in einer Bucht vor Ecuador den Sonnenuntergang genoss – wie sein Freund, der Düsseldorfer Weltumsegler Klaus Hympendahl, berichtet.
Er war allein an Bord. In den Tropen geht man ja sehr früh ins Bett, weil es um sechs Uhr schon dunkel wird. Er war um zehn Uhr im Bett, und er hörte Geräusche und sieht, wie ein Mann durch den Niedergang im Boot in seine Yacht eindringt, und spricht ihn an. Und in dem Moment kommt es schon zu einem Handgemenge; und ein zweiter ist da. Und den ersten kann er überwältigen, und der zweite, da löst sich im Handgemenge ein Schuss und trifft ihn, direkt ist die Kugel vor dem Herzen im Brustbein stecken geblieben. Und mit letzter Kraft kann er den zweiten Segler, einen Engländer, der auch in der Bucht vor Ecuador lag, vor diesem Fischerdorf, über das UKW-Gerät informieren, was passiert ist; und dann ist er in Ohnmacht gefallen und im nächsten Krankenhaus aufgewacht.
Wenige solcher Überfälle gelangen zur Kenntnis auch nur der örtlichen Polizei, geschweige denn internationaler Institutionen. Offizielle Zahlen spiegeln folglich nur die Spitze des Eisbergs: Nach einer Studie der japanischen Nippon-Foundation wird höchstens jeder zehnte Akt von Piraterie gegen japanische Schiffe offiziell registriert.
Das Verbrechen Piraterie kann indirekt jeden betreffen. Die Versorgung der ganzen Welt mit Gütern ist auf den Seetransport angewiesen, der 90 Prozent des Welt-Transportaufkommens bewältigt. 46.000 Handelsschiffe transportieren Obst und Gemüse über die Weltmeere; Kleider, Möbel und Baustoffe; Munition, Säuren und giftige Chemikalien; Treibstoff und bisweilen radioaktives Material.
Den sicheren Transport solcher Güter bedrohen Piraten, desgleichen zahllose Fischerboote und Yachten. Die so genannten "hot spots" liegen derzeit vor Somalia, Jemen, Brasilien und natürlich im von der jüngsten Naturkatastrophe heimgesuchten Südostasien. Dort ist vor allem die "Straße von Malakka" betroffen – jener Seeweg zwischen Sumatra und Westmalaysia, den jährlich 60.000 Handelsschiffe passieren.
Am häufigsten – sagen Experten sei so genannte Gelegenheits- oder Armutspiraterie. Millionen Menschen in Entwicklungsländern sehen im Fernsehen, auf der Straße, vor der Küste den Luxus der Reichen, während sie arbeitslos dahinvegetieren – zum Beispiel an der Küste der indonesischen Insel Sumatra – wo politische Instabilität, Massenarmut und Korruption dem Verbrechen Vorschub leisten.
Wir sehen derzeit sehr viel Gelegenheitspiraterie vor allem im südlichen Teil der "Straße von Malakka". Indonesische Piraten überfallen Schiffe und rauben, was sie können – bewaffnet meist mit kleinen Waffen wie Pistolen und Macheten. – Im Norden der "Straße von Malakka" sehen wir deutlich besser organisierte Piraten – unter ihnen, nach Meinung der indonesischen Regierung, Rebellen, die für die Unabhängigkeit der Region Aceh im Nordwesten Sumatras kämpfen. Viele dieser Piraten sind mit AK 47, manche mit Granatwerfern ausgerüstet. Interessiert sind sie vor allem an Kapitänen und Ingenieuren der von ihnen überfallenen Schiffe – die sie in Geiselhaft nehmen und erst nach Zahlung eines Lösegelds freilassen.
Noel Choong, Chef des "Piracy Reporting Center" in Kuala Lumpur – einer Einrichtung des "International Maritime Bureau", IMB. Das von der Privatwirtschaft finanzierte IMB ist das Organ der "Internationalen Handelskammer", das Diebstahl, Betrug und andere Verbrechen im Bereich der Handelsschifffahrt bekämpft. Es entwickelt vorbeugende Maßnahmen und untersucht, ähnlich einer Privatdetektei, konkrete Fälle. Für Piraterieopfer unterhält das "Piracy Reporting Center" eine spezielle Hotline; es füttert zuständige Behörden mit allen verfügbaren Informationen, dokumentiert Piraterie und informiert per Satellit Handelsschiffe über aktuelle "hot spots".
"Uns bereiten vor allem professionelle Piraten Sorge", sagt Noel Choong; Piraten, die Schiffe und Mannschaften entführen. Spezialisten sind da zum Beispiel somalische Milizen, die so ziemlich jedes Schiff angreifen, das vor ihrer Küste ankert. Die Besatzung wird in Geiselhaft genommen, an Land, wo es weder Regierung noch Polizei gibt, versteckt und erst nach Zahlung eines Lösegeldes freigelassen.
Den klassischen Fall einer Schiffsentführung beschreibt in London IMB-Chef Pottengal Mukundan. Eine solche Entführung gehe in der Regel von einem Mutterschiff aus – einem unauffällig aussehenden Fischtrawler oder Frachtschiff.
Das Mutterschiff lässt ein Speedboat zu Wasser, besetzt mit typischerweise sieben bis zehn schwer bewaffneten Piraten, davon einige, in der Regel, militärisch ausgebildet. – Blitzschnell klettern die Piraten an Bord, wo sie sich sofort der Kontrollzentren des Schiffs, der Brücke und des Maschinenraums, bemächtigen. Das Schiff wird von nun an ohne die Hilfe der Crew manövriert, die meist – gefesselt und mit verbundenen Augen – in die Mannschaftsmesse gesperrt wird. Schließen sich Crew-Mitglieder in Kabinen ein, werden die Türen aufgeschossen. Anschließend wird die Crew umgebracht, in einem kleinen Boot ausgesetzt oder auf das Mutterschiff der Piraten verbracht. Diese versehen das gekaperte Frachtschiff mit einer komplett neuen Identität – mit gefälschten Papieren für Schiff und Ladung, mit gefälschten Pässen für die neue Crew. Mit neuem Namen und unter neuer Flagge steuert schließlich das Schiff einen zuvor festgelegten Hafen an – wo auf die Ladung, die meist mehrere Millionen Dollar wert ist, bereits ein Käufer wartet.
Organisiert ist die professionelle Piraterie zum Teil in mafiaähnlichen Syndikaten, die ihre Leute überall haben – bei Reedereien, Hafenbehörden und Polizei, oft auch auf dem Schiff selbst. Professionelle Piraterie ist Teil des transnationalen Verbrechens, das auch Menschen- und
Waffen-, Zigaretten-, Drogen- und Holzschmuggel umfasst.
Einen ganz anderen, nicht kommerziellen, sondern ideologischen Hintergrund hat die vielleicht bedrohlichste Form der Piraterie: der bislang wenig beachtete Terror auf See. – Wer erinnert sich noch an das von Islamisten verübte Schnellboot-Attentat auf den französischen Super-Tanker "Limburg" 2002; wer an den Bombenangriff auf die vor Aden liegende "USS Cole" im Jahre 2.000, der 17 Menschenleben forderte; wer an die zahllosen Angriffe srilankischer "Tamil Tigers" auf Handelsschiffe oder tschetschenischer Rebellen auf Passagierfähren?
Experten verweisen darauf, dass vor allem in Südostasien islamische Rebellen- und Terrororganisationen auch auf hoher See operieren – die Aceh-Rebellen vor Sumatra etwa, die philippinische "Abu Sayyaf" in der Sulu-See. Solche Terroristen könnten zum Beispiel in der "Straße von Singapur", dem Wurmfortsatz der "Straße von Malakka", einen Tanker voller Öl oder Chemikalien in die Luft jagen. Die Explosion eines großen Flüssiggas-Tankers würde binnen Sekunden die Energie einer mittleren Atombombe freisetzen.
Als Folge eines solchen Terroranschlags wäre eine der am meisten befahrenen Seestraßen, die Ostasien mit Europa und dem Öl des Mittleren Ostens verbindet, auf vielleicht längere Zeit unpassierbar. Die Preise für Öl und andere Güter würden drastisch steigen; Singapur und Malaysia in eine Wirtschaftskrise taumeln. Nach einer Studie der "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung", OECD, könnte ein strategisch geschickt inszenierter Terroranschlag auf See allein der US-Wirtschaft einen Schaden von 50 Milliarden Euro zufügen – ein Anschlag, wie ihn in Kuala Lumpur Commander John Ferguson befürchtet, bis vor kurzem Kapitän eines britischen Kriegsschiffes.
Ich mache mir Sorgen, dass Terroristen – irgendwo in einer abgelegenen Bucht – ein größeres Schiff speziell für ihre Zwecke ausstatten und sich dann mit diesem Schiff in den Schiffsverkehr durch die Straße von Malakka einklinken. Der Kapitän des Schiffes wäre Terrorist und würde es an geeigneter Stelle, zusammen mit vielleicht mehreren Tankern, in die Luft jagen. – Diese Gefahr stellt, meine ich, unsere Wachsamkeit und Aufklärungsarbeit vor die größten Herausforderungen. Ein äußerlich harmloses Schiff, das tatsächlich eine Terroristenwaffe ist – diese Perspektive sollte uns wirklich Kopfzerbrechen bereiten.
Wir befinden uns jetzt in der Straße von Malakka, außerhalb der Hafenbucht von Port Klang. Die meisten Schiffe erreichen den Hafen durch den so genannten "Nordkanal", die Passage nördlich jener vorgelagerten Insel dort drüben. Die Schiffe ankern dann im Nord-, im Süd- oder im Westhafen.
Patrouillenboot PSC 39 strebt mit inzwischen 25 Knoten weiter auf die offene See. Über das Maschinengewehr hinweg deutet Thara Madurai, Chef der Marinepolizei im malaysischen Bundesstaat Selangor, auf den ruhig dahin fließenden Schiffsverkehr in der Bucht von Port Klang. An einer der blau gestrichenen Brücken des Nord-Terminals werden Autos ausgeladen; die 300 Meter lange "China Sea" dampft – mit Hunderten Containern an Bord – Richtung Singapur; mitten in der Bucht ankert ein privates Segelschulschiff. Am Horizont – wie auf eine Perlenkette gezogen – 15, 16 Schiffe, die zu stehen scheinen.
Die malaysische Marinepolizei, sagt Kommandeur Madurai, hat in jüngster Zeit investiert. Sie verfügt über rund 20 zumeist nagelneue Boote, die – unterstützt von Zoll und Marine – die östliche, malaysische Hälfte der "Straße von Malakka" überwachen, über tausend Kilometer Küste. Koordiniert wird mittels modernster Elektronik.
Es handelt sich um ein Radarnetzwerk, das von der Küste des malaysischen Bundesstaates Selangor bis hoch zur Küste Singapurs reicht. Jedes Schiff über 500 Tonnen muss sich bei diesem System anmelden und wird, solange es die Straße von Malakka befährt, von uns überwacht. – Nähert sich dem Schiff dann ein unbekanntes Objekt, fragen wir gleich: "Könnt Ihr das Objekt 800 Meter westlich von Euch identifizieren?" Mit Hilfe der Crews überprüfen wir so jede Menge kleinerer Boote und mobilisieren nötigenfalls unserer Patrouillen – zum Beispiel, wenn ein unbekanntes Speedboat mit 30 Knoten durch die Straße von Malakka rast. Solche Boote unterscheiden wir auf dem Radarschirm übrigens leicht von Fähren, die sich ja auch bei unserem System anmelden müssen.
Die engmaschige Überwachung zeitigt Erfolge. Vor wenigen Tagen nahm Boot PSC 39 die Schmuggler von 145 Kilo Cannabis hoch; auf sie wartet der Strang. – Piraten, sagt Kommandeur Madurai, lassen sich seit Anfang 2004 in malaysischen Gewässern kaum mehr blicken.
Diese Erfolge hat Malaysia auch dem "Piracy Reporting Center" des "International Maritime Bureau" zu verdanken – wo die Notrufe überfallener Schiffe zuerst einlaufen.
Wird uns ein Schiff als entführt gemeldet, mobilisieren wir mit einem speziellen IMB-Alarm sofort die Polizeidienststellen der Region, alle Häfen und Zollbehörden. Außerdem setzen wir unser Netzwerk von Informanten in Bewegung. Aus hereinkommenden Informationen versuchen wir dann zu erschließen, wo sich das entführte Schiff befindet. Haben wir es geortet, stellen wir mit der Polizei des betroffenen Landes das Objekt sicher, zahlen den Informanten ihre Belohnung und sorgen dafür, dass die rechtmäßigen Eigentümer Schiff und Ladung zurückbekommen.
Auf spezielle Anfrage und gegen Bezahlung, sagt Noel Choong, fahndet das IMB auch nach Schiffen – wie Ende 2003 nach einem vor Sumatra entführten Schleppverband.
Schlepper und Kahn wurden im September 2003 entführt. Wir leiteten eine Fahndung ein und bedienten uns dazu auch unseres Netzwerks von Informanten, die den Piraten-Gangs teils sehr nahe stehen. Ein Informant wies uns auf einen Hafen in Thailand hin, wo unsere Ermittler die Schiffe tatsächlich lokalisierten. Deren Äußeres hatten die Piraten in der Zwischenzeit einer verblüffenden Verwandlung unterzogen: Mehrere Aufbauten hatten sie abgerissen, auf die Schiffsnamen Platten mit neuen Namen geschweißt und auf dem Schlepper sogar die Form des Schornsteins verändert. Dennoch identifizierten wir Schlepper wie Kahn und sorgten dafür, dass ihre rechtmäßigen Eigentümer sie zurück erhielten.
IMB-Chef Pottengal Mukundan und sein Kollege Noel Choong könnten sich ihre Arbeit leichter vorstellen. "Viele Schiffsführer verhalten sich falsch", sagen sie. Um Zeit und Geld zu sparen, navigieren etliche Kapitäne durch piratenverseuchte Gewässer zum Beispiel vor Aceh; und passiert etwas, decken sie oft den Mantel des Schweigens darüber.
Viele Kapitäne scheuen sich, Piratenüberfälle zu melden, weil sie Angst haben, Ermittlungsbehörden könnten das Schiff tagelang festhalten – mit der Folge, dass die Reederei so mehr Geld verliert als durch den Überfall selbst. Verschwiegen werden Begegnungen mit Piraten auch aus Imagegründen: Man könnte ja in den Ruf geraten, ein unsicherer Frachtführer zu sein. – Wir empfehlen trotzdem, uns jeden Akt von Piraterie sofort zu melden. Wird uns nämlich nur einer von hundert Überfällen gemeldet, können wir gar nichts tun. Erfahren wir dagegen von allen hundert Überfällen, können wir erheblichen Druck ausüben auf die relevanten Behörden, aktiv zu werden.
Schutz vor Piraterie beginnt beim Selbstschutz – sagen die IMB-Experten. Damit meinen sie allerdings kein Waffenarsenal an Bord. Im Gegenteil: Mit Waffen an Bord beschere man sich Schwierigkeiten bis hin zur Beschlagnahme des Schiffes.
Selbstschutz heißt vor allem, piratenverseuchte Gewässer zu meiden und stets wachsam zu sein. Hinzu kommen technische Maßnahmen: auf kleinen Yachten Sensoren, die bei unerwarteten Bewegungen an Deck Alarm auslösen; auf großen Handelsschiffen Wasserkanonen, Elektrozäune und an Bord versteckte Ortungssysteme, die es Fahndern ermöglichen, praktisch jedes damit ausgestattete Schiff zu lokalisieren.
Auf passive Sicherheit setzt auch John Bradley, Südostasien-Chef der Hamburger Reederei "Hapag Lloyd".
Mit unseren, großen, starken und schnellen Containerschiffen sehen wir uns im Allgemeinen nicht von Piraten bedroht. Trotzdem haben wir für unsere Flotte detaillierte Sicherheitssysteme entwickelt. Alle unsere Besatzungen folgen standardisierten Richtlinien zum Schutz von Schiff und Ladung. Das reicht von guter Bewachung des Schiffs auf See und im Hafen über gute Beleuchtung der Schiffsseiten in Küstennähe bis hin zu jederzeit hoher Alarmbereitschaft. Außerdem wird der Zugang zu Fracht und Mannschaftsquartieren streng kontrolliert. Wer nicht über die richtigen Codes verfügt, kann auch mit Schusswaffengebrauch nicht in Quartiere und Kontrollzentren unserer Schiffe vordringen.
In der internationalen Handelsschifffahrt hat sich nach dem 11. September 2001 ein neues Sicherheitsbewusstsein entwickelt. So schreibt seit Juli 2004 eine neue Richtlinie der UN-Schifffahrtsbehörde IMO konkrete Sicherheitsmaßnahmen für Schiffe und Häfen vor; ab 2006 soll eine individuelle IMO-Nummer, die tief in die Außenwand eines Schiffes eingeprägt wird, kriminellen Identitätswechsel erschweren.
"Zentrale Schwachstelle des neuen Systems sind die schlampig betriebenen Häfen in vielen Entwicklungsländern", meint IMB-Chef Mukundan. Dessen ungeachtet, sagt er, seien dank des neuen Sicherheitsbewusstseins Entführungen großer Schiffe samt Ladung deutlich seltener geworden; und endlich hätten auch Indien und China begonnen, die Pest der Piraterie entschlossen zu bekämpfen.
In den späten 90er Jahren war China ein bevorzugtes Ziel für von Piraten entführte Schiffe und Ladungen. Das änderte sich, als Chinas Polizei einen hohen Beamten des Pekinger Ministeriums für öffentliche Sicherheit verhaftete und als Chef einer Hehlerbande anklagte. Heute traut sich kein Pirat mehr, ein Schiff nach China zu bringen, weil er weiß, dass Piraten dort hingerichtet werden.
Irgendwann damals verwob sich reichlich gesponnenes Seemannsgarn zu langlebigen Mythen: zu Mythen von anarchischer Freiheit auf See, von Degen schwingenden Robin Hoods der Weltmeere, von einäugigen, holzbeinernen und doch irgendwie gutherzigen Raubeinen, die schließlich einen tragikumflorten Heldentod sterben. Hollywood – von Errol Flynn bis Johnny Depp – rettete die Mythen in die Moderne; bis heute verkleiden sich Kinder wie Karnevalisten von Herzen gern als Piraten.
Tatsächlich zählen Piraten seit jeher zu den brutalsten Verbrechern überhaupt. Sie vergewaltigen, foltern und morden meist ohne Skrupel; und sie sind keineswegs nur Geschichte.
Im Gegenteil: Die Piraterie breitet sich im frühen 21. Jahrhundert auf den Weltmeeren aus wie eine Grippe-Epidemie. Von 1994 bis 2003 stieg die Zahl bekannt gewordener Piratenangriffe auf Handelsschiffe von 90 pro Jahr auf 445. Im vergangenen Jahrzehnt wurden 2.500 Seeleute als Geiseln genommen und rund 500 von Piraten ermordet.
Zum Beispiel jene zwölf Fischer, die Ende Oktober 2004 vor Bangladesh in den Tiefkühlraum ihres Trawlers eingeschlossen wurden; zum Beispiel jener deutsche Yachtkapitän, der am 8. Juli 2001 in einer Bucht vor Ecuador den Sonnenuntergang genoss – wie sein Freund, der Düsseldorfer Weltumsegler Klaus Hympendahl, berichtet.
Er war allein an Bord. In den Tropen geht man ja sehr früh ins Bett, weil es um sechs Uhr schon dunkel wird. Er war um zehn Uhr im Bett, und er hörte Geräusche und sieht, wie ein Mann durch den Niedergang im Boot in seine Yacht eindringt, und spricht ihn an. Und in dem Moment kommt es schon zu einem Handgemenge; und ein zweiter ist da. Und den ersten kann er überwältigen, und der zweite, da löst sich im Handgemenge ein Schuss und trifft ihn, direkt ist die Kugel vor dem Herzen im Brustbein stecken geblieben. Und mit letzter Kraft kann er den zweiten Segler, einen Engländer, der auch in der Bucht vor Ecuador lag, vor diesem Fischerdorf, über das UKW-Gerät informieren, was passiert ist; und dann ist er in Ohnmacht gefallen und im nächsten Krankenhaus aufgewacht.
Wenige solcher Überfälle gelangen zur Kenntnis auch nur der örtlichen Polizei, geschweige denn internationaler Institutionen. Offizielle Zahlen spiegeln folglich nur die Spitze des Eisbergs: Nach einer Studie der japanischen Nippon-Foundation wird höchstens jeder zehnte Akt von Piraterie gegen japanische Schiffe offiziell registriert.
Das Verbrechen Piraterie kann indirekt jeden betreffen. Die Versorgung der ganzen Welt mit Gütern ist auf den Seetransport angewiesen, der 90 Prozent des Welt-Transportaufkommens bewältigt. 46.000 Handelsschiffe transportieren Obst und Gemüse über die Weltmeere; Kleider, Möbel und Baustoffe; Munition, Säuren und giftige Chemikalien; Treibstoff und bisweilen radioaktives Material.
Den sicheren Transport solcher Güter bedrohen Piraten, desgleichen zahllose Fischerboote und Yachten. Die so genannten "hot spots" liegen derzeit vor Somalia, Jemen, Brasilien und natürlich im von der jüngsten Naturkatastrophe heimgesuchten Südostasien. Dort ist vor allem die "Straße von Malakka" betroffen – jener Seeweg zwischen Sumatra und Westmalaysia, den jährlich 60.000 Handelsschiffe passieren.
Am häufigsten – sagen Experten sei so genannte Gelegenheits- oder Armutspiraterie. Millionen Menschen in Entwicklungsländern sehen im Fernsehen, auf der Straße, vor der Küste den Luxus der Reichen, während sie arbeitslos dahinvegetieren – zum Beispiel an der Küste der indonesischen Insel Sumatra – wo politische Instabilität, Massenarmut und Korruption dem Verbrechen Vorschub leisten.
Wir sehen derzeit sehr viel Gelegenheitspiraterie vor allem im südlichen Teil der "Straße von Malakka". Indonesische Piraten überfallen Schiffe und rauben, was sie können – bewaffnet meist mit kleinen Waffen wie Pistolen und Macheten. – Im Norden der "Straße von Malakka" sehen wir deutlich besser organisierte Piraten – unter ihnen, nach Meinung der indonesischen Regierung, Rebellen, die für die Unabhängigkeit der Region Aceh im Nordwesten Sumatras kämpfen. Viele dieser Piraten sind mit AK 47, manche mit Granatwerfern ausgerüstet. Interessiert sind sie vor allem an Kapitänen und Ingenieuren der von ihnen überfallenen Schiffe – die sie in Geiselhaft nehmen und erst nach Zahlung eines Lösegelds freilassen.
Noel Choong, Chef des "Piracy Reporting Center" in Kuala Lumpur – einer Einrichtung des "International Maritime Bureau", IMB. Das von der Privatwirtschaft finanzierte IMB ist das Organ der "Internationalen Handelskammer", das Diebstahl, Betrug und andere Verbrechen im Bereich der Handelsschifffahrt bekämpft. Es entwickelt vorbeugende Maßnahmen und untersucht, ähnlich einer Privatdetektei, konkrete Fälle. Für Piraterieopfer unterhält das "Piracy Reporting Center" eine spezielle Hotline; es füttert zuständige Behörden mit allen verfügbaren Informationen, dokumentiert Piraterie und informiert per Satellit Handelsschiffe über aktuelle "hot spots".
"Uns bereiten vor allem professionelle Piraten Sorge", sagt Noel Choong; Piraten, die Schiffe und Mannschaften entführen. Spezialisten sind da zum Beispiel somalische Milizen, die so ziemlich jedes Schiff angreifen, das vor ihrer Küste ankert. Die Besatzung wird in Geiselhaft genommen, an Land, wo es weder Regierung noch Polizei gibt, versteckt und erst nach Zahlung eines Lösegeldes freigelassen.
Den klassischen Fall einer Schiffsentführung beschreibt in London IMB-Chef Pottengal Mukundan. Eine solche Entführung gehe in der Regel von einem Mutterschiff aus – einem unauffällig aussehenden Fischtrawler oder Frachtschiff.
Das Mutterschiff lässt ein Speedboat zu Wasser, besetzt mit typischerweise sieben bis zehn schwer bewaffneten Piraten, davon einige, in der Regel, militärisch ausgebildet. – Blitzschnell klettern die Piraten an Bord, wo sie sich sofort der Kontrollzentren des Schiffs, der Brücke und des Maschinenraums, bemächtigen. Das Schiff wird von nun an ohne die Hilfe der Crew manövriert, die meist – gefesselt und mit verbundenen Augen – in die Mannschaftsmesse gesperrt wird. Schließen sich Crew-Mitglieder in Kabinen ein, werden die Türen aufgeschossen. Anschließend wird die Crew umgebracht, in einem kleinen Boot ausgesetzt oder auf das Mutterschiff der Piraten verbracht. Diese versehen das gekaperte Frachtschiff mit einer komplett neuen Identität – mit gefälschten Papieren für Schiff und Ladung, mit gefälschten Pässen für die neue Crew. Mit neuem Namen und unter neuer Flagge steuert schließlich das Schiff einen zuvor festgelegten Hafen an – wo auf die Ladung, die meist mehrere Millionen Dollar wert ist, bereits ein Käufer wartet.
Organisiert ist die professionelle Piraterie zum Teil in mafiaähnlichen Syndikaten, die ihre Leute überall haben – bei Reedereien, Hafenbehörden und Polizei, oft auch auf dem Schiff selbst. Professionelle Piraterie ist Teil des transnationalen Verbrechens, das auch Menschen- und
Waffen-, Zigaretten-, Drogen- und Holzschmuggel umfasst.
Einen ganz anderen, nicht kommerziellen, sondern ideologischen Hintergrund hat die vielleicht bedrohlichste Form der Piraterie: der bislang wenig beachtete Terror auf See. – Wer erinnert sich noch an das von Islamisten verübte Schnellboot-Attentat auf den französischen Super-Tanker "Limburg" 2002; wer an den Bombenangriff auf die vor Aden liegende "USS Cole" im Jahre 2.000, der 17 Menschenleben forderte; wer an die zahllosen Angriffe srilankischer "Tamil Tigers" auf Handelsschiffe oder tschetschenischer Rebellen auf Passagierfähren?
Experten verweisen darauf, dass vor allem in Südostasien islamische Rebellen- und Terrororganisationen auch auf hoher See operieren – die Aceh-Rebellen vor Sumatra etwa, die philippinische "Abu Sayyaf" in der Sulu-See. Solche Terroristen könnten zum Beispiel in der "Straße von Singapur", dem Wurmfortsatz der "Straße von Malakka", einen Tanker voller Öl oder Chemikalien in die Luft jagen. Die Explosion eines großen Flüssiggas-Tankers würde binnen Sekunden die Energie einer mittleren Atombombe freisetzen.
Als Folge eines solchen Terroranschlags wäre eine der am meisten befahrenen Seestraßen, die Ostasien mit Europa und dem Öl des Mittleren Ostens verbindet, auf vielleicht längere Zeit unpassierbar. Die Preise für Öl und andere Güter würden drastisch steigen; Singapur und Malaysia in eine Wirtschaftskrise taumeln. Nach einer Studie der "Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung", OECD, könnte ein strategisch geschickt inszenierter Terroranschlag auf See allein der US-Wirtschaft einen Schaden von 50 Milliarden Euro zufügen – ein Anschlag, wie ihn in Kuala Lumpur Commander John Ferguson befürchtet, bis vor kurzem Kapitän eines britischen Kriegsschiffes.
Ich mache mir Sorgen, dass Terroristen – irgendwo in einer abgelegenen Bucht – ein größeres Schiff speziell für ihre Zwecke ausstatten und sich dann mit diesem Schiff in den Schiffsverkehr durch die Straße von Malakka einklinken. Der Kapitän des Schiffes wäre Terrorist und würde es an geeigneter Stelle, zusammen mit vielleicht mehreren Tankern, in die Luft jagen. – Diese Gefahr stellt, meine ich, unsere Wachsamkeit und Aufklärungsarbeit vor die größten Herausforderungen. Ein äußerlich harmloses Schiff, das tatsächlich eine Terroristenwaffe ist – diese Perspektive sollte uns wirklich Kopfzerbrechen bereiten.
Wir befinden uns jetzt in der Straße von Malakka, außerhalb der Hafenbucht von Port Klang. Die meisten Schiffe erreichen den Hafen durch den so genannten "Nordkanal", die Passage nördlich jener vorgelagerten Insel dort drüben. Die Schiffe ankern dann im Nord-, im Süd- oder im Westhafen.
Patrouillenboot PSC 39 strebt mit inzwischen 25 Knoten weiter auf die offene See. Über das Maschinengewehr hinweg deutet Thara Madurai, Chef der Marinepolizei im malaysischen Bundesstaat Selangor, auf den ruhig dahin fließenden Schiffsverkehr in der Bucht von Port Klang. An einer der blau gestrichenen Brücken des Nord-Terminals werden Autos ausgeladen; die 300 Meter lange "China Sea" dampft – mit Hunderten Containern an Bord – Richtung Singapur; mitten in der Bucht ankert ein privates Segelschulschiff. Am Horizont – wie auf eine Perlenkette gezogen – 15, 16 Schiffe, die zu stehen scheinen.
Die malaysische Marinepolizei, sagt Kommandeur Madurai, hat in jüngster Zeit investiert. Sie verfügt über rund 20 zumeist nagelneue Boote, die – unterstützt von Zoll und Marine – die östliche, malaysische Hälfte der "Straße von Malakka" überwachen, über tausend Kilometer Küste. Koordiniert wird mittels modernster Elektronik.
Es handelt sich um ein Radarnetzwerk, das von der Küste des malaysischen Bundesstaates Selangor bis hoch zur Küste Singapurs reicht. Jedes Schiff über 500 Tonnen muss sich bei diesem System anmelden und wird, solange es die Straße von Malakka befährt, von uns überwacht. – Nähert sich dem Schiff dann ein unbekanntes Objekt, fragen wir gleich: "Könnt Ihr das Objekt 800 Meter westlich von Euch identifizieren?" Mit Hilfe der Crews überprüfen wir so jede Menge kleinerer Boote und mobilisieren nötigenfalls unserer Patrouillen – zum Beispiel, wenn ein unbekanntes Speedboat mit 30 Knoten durch die Straße von Malakka rast. Solche Boote unterscheiden wir auf dem Radarschirm übrigens leicht von Fähren, die sich ja auch bei unserem System anmelden müssen.
Die engmaschige Überwachung zeitigt Erfolge. Vor wenigen Tagen nahm Boot PSC 39 die Schmuggler von 145 Kilo Cannabis hoch; auf sie wartet der Strang. – Piraten, sagt Kommandeur Madurai, lassen sich seit Anfang 2004 in malaysischen Gewässern kaum mehr blicken.
Diese Erfolge hat Malaysia auch dem "Piracy Reporting Center" des "International Maritime Bureau" zu verdanken – wo die Notrufe überfallener Schiffe zuerst einlaufen.
Wird uns ein Schiff als entführt gemeldet, mobilisieren wir mit einem speziellen IMB-Alarm sofort die Polizeidienststellen der Region, alle Häfen und Zollbehörden. Außerdem setzen wir unser Netzwerk von Informanten in Bewegung. Aus hereinkommenden Informationen versuchen wir dann zu erschließen, wo sich das entführte Schiff befindet. Haben wir es geortet, stellen wir mit der Polizei des betroffenen Landes das Objekt sicher, zahlen den Informanten ihre Belohnung und sorgen dafür, dass die rechtmäßigen Eigentümer Schiff und Ladung zurückbekommen.
Auf spezielle Anfrage und gegen Bezahlung, sagt Noel Choong, fahndet das IMB auch nach Schiffen – wie Ende 2003 nach einem vor Sumatra entführten Schleppverband.
Schlepper und Kahn wurden im September 2003 entführt. Wir leiteten eine Fahndung ein und bedienten uns dazu auch unseres Netzwerks von Informanten, die den Piraten-Gangs teils sehr nahe stehen. Ein Informant wies uns auf einen Hafen in Thailand hin, wo unsere Ermittler die Schiffe tatsächlich lokalisierten. Deren Äußeres hatten die Piraten in der Zwischenzeit einer verblüffenden Verwandlung unterzogen: Mehrere Aufbauten hatten sie abgerissen, auf die Schiffsnamen Platten mit neuen Namen geschweißt und auf dem Schlepper sogar die Form des Schornsteins verändert. Dennoch identifizierten wir Schlepper wie Kahn und sorgten dafür, dass ihre rechtmäßigen Eigentümer sie zurück erhielten.
IMB-Chef Pottengal Mukundan und sein Kollege Noel Choong könnten sich ihre Arbeit leichter vorstellen. "Viele Schiffsführer verhalten sich falsch", sagen sie. Um Zeit und Geld zu sparen, navigieren etliche Kapitäne durch piratenverseuchte Gewässer zum Beispiel vor Aceh; und passiert etwas, decken sie oft den Mantel des Schweigens darüber.
Viele Kapitäne scheuen sich, Piratenüberfälle zu melden, weil sie Angst haben, Ermittlungsbehörden könnten das Schiff tagelang festhalten – mit der Folge, dass die Reederei so mehr Geld verliert als durch den Überfall selbst. Verschwiegen werden Begegnungen mit Piraten auch aus Imagegründen: Man könnte ja in den Ruf geraten, ein unsicherer Frachtführer zu sein. – Wir empfehlen trotzdem, uns jeden Akt von Piraterie sofort zu melden. Wird uns nämlich nur einer von hundert Überfällen gemeldet, können wir gar nichts tun. Erfahren wir dagegen von allen hundert Überfällen, können wir erheblichen Druck ausüben auf die relevanten Behörden, aktiv zu werden.
Schutz vor Piraterie beginnt beim Selbstschutz – sagen die IMB-Experten. Damit meinen sie allerdings kein Waffenarsenal an Bord. Im Gegenteil: Mit Waffen an Bord beschere man sich Schwierigkeiten bis hin zur Beschlagnahme des Schiffes.
Selbstschutz heißt vor allem, piratenverseuchte Gewässer zu meiden und stets wachsam zu sein. Hinzu kommen technische Maßnahmen: auf kleinen Yachten Sensoren, die bei unerwarteten Bewegungen an Deck Alarm auslösen; auf großen Handelsschiffen Wasserkanonen, Elektrozäune und an Bord versteckte Ortungssysteme, die es Fahndern ermöglichen, praktisch jedes damit ausgestattete Schiff zu lokalisieren.
Auf passive Sicherheit setzt auch John Bradley, Südostasien-Chef der Hamburger Reederei "Hapag Lloyd".
Mit unseren, großen, starken und schnellen Containerschiffen sehen wir uns im Allgemeinen nicht von Piraten bedroht. Trotzdem haben wir für unsere Flotte detaillierte Sicherheitssysteme entwickelt. Alle unsere Besatzungen folgen standardisierten Richtlinien zum Schutz von Schiff und Ladung. Das reicht von guter Bewachung des Schiffs auf See und im Hafen über gute Beleuchtung der Schiffsseiten in Küstennähe bis hin zu jederzeit hoher Alarmbereitschaft. Außerdem wird der Zugang zu Fracht und Mannschaftsquartieren streng kontrolliert. Wer nicht über die richtigen Codes verfügt, kann auch mit Schusswaffengebrauch nicht in Quartiere und Kontrollzentren unserer Schiffe vordringen.
In der internationalen Handelsschifffahrt hat sich nach dem 11. September 2001 ein neues Sicherheitsbewusstsein entwickelt. So schreibt seit Juli 2004 eine neue Richtlinie der UN-Schifffahrtsbehörde IMO konkrete Sicherheitsmaßnahmen für Schiffe und Häfen vor; ab 2006 soll eine individuelle IMO-Nummer, die tief in die Außenwand eines Schiffes eingeprägt wird, kriminellen Identitätswechsel erschweren.
"Zentrale Schwachstelle des neuen Systems sind die schlampig betriebenen Häfen in vielen Entwicklungsländern", meint IMB-Chef Mukundan. Dessen ungeachtet, sagt er, seien dank des neuen Sicherheitsbewusstseins Entführungen großer Schiffe samt Ladung deutlich seltener geworden; und endlich hätten auch Indien und China begonnen, die Pest der Piraterie entschlossen zu bekämpfen.
In den späten 90er Jahren war China ein bevorzugtes Ziel für von Piraten entführte Schiffe und Ladungen. Das änderte sich, als Chinas Polizei einen hohen Beamten des Pekinger Ministeriums für öffentliche Sicherheit verhaftete und als Chef einer Hehlerbande anklagte. Heute traut sich kein Pirat mehr, ein Schiff nach China zu bringen, weil er weiß, dass Piraten dort hingerichtet werden.