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Strafrechtler hegt Bedenken gegen Bundestrojaner

Der Strafrechtler Ulf Buermeyer mahnt zu einer engen Begrenzung von Online-Durchsuchungen. "Wenn erst einmal die Online-Durchsuchung mit Hilfe von Bundestrojanern auf den Rechner eines Betroffenen eingepflanzt werden darf, dann hat der Staat quasi den virtuellen Fuß in die Wohnungstür gesetzt", sagte Buermeyer. Eine Späh-Software zum Abhören von Telefonaten via Internet sei allerdings wohl verfassungsrechtlich weniger heikel als eine Durchsuchung der Festplatte.

Moderation: Sandra Schulz | 31.08.2007
    Sandra Schulz: Was hat Bundesinnenminister Schäuble in Sachen Online-Durchsuchung vor? Seit Anfang der Woche gewinnen die Pläne ein wenig Gestalt. Erst war ein eigentlich noch internes Papier des Bundesinnenministeriums im Netz erschienen. Unter anderem ging daraus hervor, dass das Aufspielen von Späh-Software, sogenannter Bundestrojaner geprüft werde. Nun will die "Berliner Zeitung" in Erfahrung gebracht haben, dass Schäuble den Ermittlern den Online-Zugriff noch einfacher machen will als bisher bekannt. Sicher eines der Themen beim heutigen Treffen der Arbeitsgruppe der Großen Koalition. ( MP3-Audio , Bericht von Gudula Geuther)

    Am Telefon ist nun Ulf Buermeyer, Strafrechtler aus Berlin und Experte für Online-Untersuchungen. Herr Buermeyer, die Pläne, die bisher bekannt waren, die standen ja schon in der Kritik vor allem mit Blick auf die Idee, die sogenannten Bundestrojaner zum Einsatz zu bringen. Was ist daran denn so heikel?

    Ulf Buermeyer: Ja, guten Tag Frau Schulz!

    Man sollte sich zunächst vor Augen führen, worum es eigentlich geht beim Online-Trojaner. Und zwar muss man aus technischer Sicht im Wesentlichen zwei Zugriffsformen unterscheiden. Zum einen soll Zugriff genommen werden auf die Daten, die auf privaten Computern gespeichert werden sollen. Es geht quasi um eine virtuelle Durchsuchung der privaten Festplatte. Die zweite Zugriffsform, das ist der Zugriff auf Telefongespräche, die über das Internet geführt werden. Die sind bislang unter bestimmten Voraussetzungen nicht mit den klassischen Mitteln der Telekommunikationsüberwachung mitzuschneiden. Deswegen möchten Sicherheitsbehörden gerne an der Quelle ansetzen. Kurz bezeichnen sie diesen Zugriff auf Internet-Telefonie deswegen auch als Quellen-TKÜ, also Quellen-Telekommunikationsüberwachung.

    Heikel ist das insbesondere dann, wenn der so überwachte Computer in einer Privatwohnung aufgestellt ist oder auch in Geschäfts- oder Betriebsräumen. Alle diese Räumlichkeiten fallen nämlich unter den Begriff der Wohnung, so wie ihn das Bundesverfassungsgericht interpretiert, so wie er Verwendung findet in unserem Grundgesetz in Artikel 13, das die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert. Wie gesagt, dieser Eingriff in Artikel 13 ist ein ganz zentraler verfassungsrechtlicher Punkt. Hinzu kommen Eingriffe, die denkbar sind, in das Fernmeldegeheimnis und in den Schutz des unantastbaren Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung.

    Schulz: Aber wenn wir bei den Mitschnitten von Internet-Telefonaten bleiben, bei der Internet-Telefonie. Was ist dann der Unterschied zwischen einem über die Wireless-Lan-Verbindung geführten Gespräch und einem normalen Telefongespräch?

    Buermeyer: In der Tat kann man sich diese Frage stellen, und deswegen ist aus meiner rechtlichen Sicht die Quellen-TKÜ auch noch am ehesten mit den Anforderungen unseres Grundgesetzes zu vereinbaren. Man kann also in der Tat zunächst vertreten juristisch, dass eine Quellen-TKÜ, also ein Mitschnitt, der am Endgerät in der Wohnung eines der Überwachten ansetzt, auch zugleich einen Eingriff in die Unverletzlichkeit dieser Wohnung darstellt.

    Auf der anderen Seite haben Sie gerade schon auf eines der zentralen Probleme dieses Arguments hingewiesen. Es ist nämlich nicht so recht einzusehen, warum eigentlich ein Telefongespräch nur deswegen nicht abgehört werden können soll, weil es über das Internet geführt wird und dazu aus technischen Gründen das Ansetzen in der Privatwohnung nötig ist. Was die juristische Bewertung angeht, ist es eben nicht unmittelbar einleuchtend, dass das einen Unterschied darstellen soll. Insbesondere kann man ja auch argumentieren, dass, wer ein Telefongespräch führt, sich damit ohnehin mit seiner Sprache aus der räumlich geschützten Sphäre seiner Wohnung hinausbegibt. Er weiß ja, dass seine Sprache über die Distanz telefoniert wird. Und möglicherweise erleichtert dies auch den Zugriff der staatlichen Organe auf diese Telekommunikation.

    Schulz: Also würde man auf die Telekommunikationsqualität abheben. Es blicken ja viele derzeit nach Karlsruhe, allen voran Bundesjustizministerin Zypries. Da wird Anfang Oktober über das nordrhein-westfälische Verfassungsschutzgesetz verhandelt. Anfang Januar wird eine Entscheidung erwartet. In diesem Verfassungsschutzgesetz steht die Online-Durchsuchung ja schon drin. Welche Punkte, die Karlsruhe behandelt, werden auch verfassungsrechtlich interessant für das BKA-Gesetz Schäubles?

    Buermeyer: Es ist nicht ganz leicht abzusehen, auf welche Punkte im Einzelnen das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung abstellen wird. In der juristischen Diskussion geht die Meinung fast einhellig dahin, dass das Gesetz wohl keinen Bestand haben wird in Karlsruhe, ohne dem Gericht vorgreifen zu wollen. Allerdings ist die entscheidende Frage, auf welche Gründe im Einzelnen das Gericht seine Entscheidung stützen wird. Da blicken wir alle gespannt nach Karlsruhe. Insofern bleibt abzuwarten, inwieweit das Gericht sich zum Beispiel zu den Grundrechten, die ich eben angeschnitten habe, äußern wird, oder ob es eine eher formelle Argumentation wählt. Denn auch bereits im formalen Bereich gibt es eine ganze Reihe von Kritikpunkten, die alleine jedenfalls nach meiner Bewertung ausreichen würden, um dieses Gesetz an den Hürden der Verfassung scheitern zu lassen.

    Schulz: Könnte es denn auch sein, dass nach dem Urteil aus Karlsruhe sich die Pläne des Innenministers komplett erledigen?

    Buermeyer: So weit würde ich jetzt vielleicht nicht gehen wollen, da zu spekulieren, einfach weil aus meiner Sicht nicht vorherzusehen ist, wie weit das Verfassungsgericht wiederum materiell auf diese Grundrechte, die ich angeschnitten habe, bezogen argumentieren wird. Ich denke, dass eine Online-Durchsuchung zum Zwecke der Überwachung der Telekommunikation wohl verfassungsrechtlich weniger heikel ist als die Durchsuchung der Festplatte aus den genannten Gründen, da es sich letztlich um Telefongespräche handelt und die Online-Durchsuchungen da nur eine ganz bestimmte Form des technischen Zugriffs auf den Rechner darstellt.

    Auf der anderen Seite sollte man sich vor Augen führen, dass da natürlich dann der Eskalation Tür und Tor geöffnet ist. Wenn erst einmal die Online-Durchsuchung mit Hilfe von Bundestrojanern auf den Rechner eines Betroffenen eingepflanzt werden darf, dann hat der Staat quasi den virtuellen Fuß in die Wohnungstür gesetzt. Und der Schritt von der bloßen Überwachung der Telekommunikation hin zur vollständigen Überwachung des Rechners, zum Auslesen der Festplatte, zum Mitschneiden sämtlicher Tastatureingaben ist dann nur noch ein technisch gesehen sehr kleiner. Da genügt es dann schon, ein Modul nachzuladen, und schon wird aus der online durchgeführten Telekommunikationsüberwachung eine online durchgeführte Komplettüberwachung des Rechners. Verfassungsrechtlich jedenfalls wäre das aus meiner Sicht dann etwas komplett anderes. Da bewegt man sich dann in der Tat in Bereichen, die ähnlich heikel sind zumindest wie der Große Lauschangriff.

    Schulz: Wie sehen Sie denn verfassungsrechtlich die Pläne, die heute Morgen bekannt wurden? Laut einem Bericht der "Berliner Zeitung" plant Bundesinnenminister Schäuble, die Online-Durchsuchungen in Einzelfällen auch ohne richterliche Anordnung zuzulassen. Wie ist das verfassungsrechtlich aus Ihrer Sicht zu beurteilen?

    Buermeyer: Da hätte ich große Bedenken. Natürlich gibt es die Möglichkeit, auch ohne richterliche Anordnung zum Beispiel eine Wohnung auf klassische Weise zu durchsuchen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren dort seine Rechtsprechung deutlich verschärft und hat in vielen, vielen Fällen Durchsuchungen für unzulässig erklärt, weil die Polizei oder auch die Staatsanwaltschaft vorschnell die sogenannte Gefahr im Verzuge angenommen hat. Das heißt also, selbst bei einer klassischen Wohnungsdurchsuchung ist der Zugriff ohne richterliche Anordnung die absolute Ausnahme, und das muss auch verfahrensrechtlich sichergestellt werden zum Beispiel dadurch, dass Richter 24 Stunden regelmäßig erreichbar sind, zum Beispiel über Handy, um eben vor der Durchsuchung konsultiert werden zu können. Wenn man jetzt sich jetzt überlegt, dass die Online-Überwachung eines privaten Computers, einer privaten Festplatte hinsichtlich ihrer Eingriffsintensität aus meiner Sicht jedenfalls nicht milder zu bewerten ist als ein Großer Lauschangriff, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Gesetz Bestand hätte in Karlsruhe, das wesentlich niedrigere Hürden vorsieht. Beim großen Lauschangriff ist es nämlich so, dass regelmäßig eine mit drei Richtern besetzte Kammer entscheiden muss über diesen Zugriff, und nur im Einzelfall darf es ein einzelner Richter.

    Schulz: Also die Blicke gehen weiter nach Karlsruhe. Vielen Dank an Ulf Buermeyer, Strafrechtler aus Berlin und Experte für Online-Untersuchungen.

    Buermeyer: Vielen Dank.