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Strafrechtler über ein NPD-Verbot
"Die besondere Gefährlichkeit zeigt sich in den Bundesländern"

Es wäre fatal, wenn ein NPD-Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht erneut scheitern würde, sagte Ulrich Battis, Staatsrechtler an der Humboldt-Universität Berlin im DLF. Durch die Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in den vergangenen Monaten habe das Verbotsverfahren eine neue Dringlichkeit bekommen. Auffällig sei auch, dass es eindeutige Überschneidungen zwischen Rednern der Pegida-Bewegung und der NPD gebe.

Ulrich Battis im Gespräch mit Christine Heuer | 08.12.2015
    Eine Fahne der NPD weht in Berlin bei einer Demonstration der rechtsextremen Partei auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor.
    Eine Fahne der NPD weht in Berlin bei einer Demonstration der rechtsextremen Partei auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor. (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
    Christine Heuer: Die Bundesländer sind froh und zuversichtlich - froh, weil das Bundesverfassungsgericht ihren Antrag auf ein NPD-Verbot diesmal hinreichend begründet findet und deshalb eine Hauptverhandlung angesetzt hat, und zuversichtlich, dass sie in dem Verfahren obsiegen werden.
    Am Telefon begrüße ich den Staatsrechtler Ulrich Battis von der Humboldt-Universität in Berlin. Guten Tag, Herr Battis.
    Ulrich Battis: Guten Tag, Frau Heuer.
    Heuer: Die Bundesländer schöpfen neue Hoffnung. Wie wahrscheinlich ist es denn aus Ihrer Sicht, dass die NPD am Ende dann tatsächlich verboten wird?
    Battis: Nun, das kann niemand abschließend beurteilen. In dem vorangegangenen Kommentar ist das Für und Wider ja schon sehr deutlich angesprochen worden. Richtig ist aber, dass man es jetzt geschafft hat, dass das Gericht gesagt hat, dass dem Antrag nach dem Vorverfahren stattgegeben werden soll und dass eine hinreichende Begründung für die Eröffnung des Hauptverfahrens besteht. Daran ist ja letztes Mal das Verfahren gescheitert. Insofern ist das schon mal ein gutes Zeichen.
    Heuer: Die V-Leute-Problematik ist jetzt ausgeschlossen? Das sehen Sie auch so?
    Battis: Es sieht so aus, dass sie ausgeschlossen ist. Nur wissen Sie, man kann nie sicher wissen, wir reden von V-Leuten, dass da plötzlich doch ein Schlapphut noch mal hochgeht. Ich hoffe das nicht, aber ein gewisses Risiko besteht da immer noch.
    Heuer: Dann lassen Sie uns mal versuchen, das durchzudeklinieren. Es gibt, grob gesprochen, drei Voraussetzungen für ein Parteiverbot. Erste Frage: Will die NPD, wäre eine Voraussetzung, die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen, oder gar die Bundesrepublik Deutschland?
    Battis: Die Bundesrepublik Deutschland, wie Sie es schon betonen, das erscheint recht schwierig zu sein, das zu begründen. Aber da muss man auch sehen: Diese Kriterien, die sind ja sehr vage und sie sind durch die Rechtsprechung vor über 50 Jahren präzisiert worden. Und die Frage ist, ob nicht dieser Ansatz jetzt im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte präzisiert werden muss.
    Heuer: Nämlich wohin gehend?
    Battis: Ja nun, dass man einen Gleichlauf findet zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der ja sagt, es muss gefährlich sein für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland.
    Heuer: Halten Sie die NPD für gefährlich für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland?
    Battis: In der Vergangenheit hätte ich das verneint. Wenn wir jetzt angucken, was in den letzten Wochen und Monaten passiert ist, wie viele, über 200 Flüchtlingsunterkünfte in Flammen oder sonst beschädigt wurden, und wenn sich herausstellen sollte, dass hier die NPD maßgeblich beteiligt war - das muss aber auch bewiesen werden -, dann halte ich es durchaus für möglich, dass man in diese Richtung geht.
    Ein Feuerwehrmann löscht am 08.10.2015 in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Grimma (Sachsen) einen Brand. Foto: Frank Schmidt/dpa
    Ausgebranntes Flüchtlingsheim in Grimma am 8.10.2015 (picture alliance / dpa / Frank Schmidt)
    Heuer: Da hätten die Bundesländer aber noch ein bisschen nachzulegen und diesen Beweis erst mal zu erbringen.
    Battis: Ja! Aber Sie müssen sehen: Das ist ja das Besondere an diesem Verfahren. Es haben ja nur die Bundesländer den Antrag gestellt, weil die anderen sich nicht getraut haben, und man hat dann bewusst darauf gesetzt und gesagt, wir nehmen die Bundesländer, weil in den Kommunen in den einzelnen Ländern zeigt sich die besondere Gefährlichkeit. Insofern, das ist jetzt zynisch vielleicht: Der Ansatz, der spezifische Ansatz, den die Kläger hier vertreten haben, den die Antragsteller vertreten haben, der ist durch die Ereignisse der letzten Monate bestätigt worden.
    Heuer: Das ist der Teil, der Gewaltausübung betrifft.
    Battis: Ja.
    Heuer: Zweite Voraussetzung: Ist die NPD wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus?
    Battis: Ich denke, das wird noch am leichtesten zu begründen sein.
    Heuer: Nämlich wie?
    Battis: Indem man einfach die Schriften nimmt. Das war ja nun in dem früheren Verfahren doch ein ganz wesentlicher Aspekt, dass man gesagt hat, dass man die Schriften ausgewertet hat und auch die öffentlichen Reden, aber auch Erklärungen, die im Parteivorstand und in sonstigen Zirkeln der Partei vorgekommen sind. Da würde ich sagen, das ist wahrscheinlich das Einfachste.
    "Es geht auch um die Auswirkungen von Gewalt"
    Heuer: Dritte Voraussetzung, einfach gesprochen, nicht juristisch-fachlich: Ist die NPD nicht viel zu unbedeutend, um sie zu verbieten? In den meisten Bundesländern gibt es ja nur wenige Ausnahmen, bekommt die NPD bei Wahlen ja nicht wirklich viele Stimmen.
    Battis: Ja. Es geht natürlich nicht nur um die Stimmen. Es geht natürlich auch darum - und das habe ich ja bei der ersten Frage schon angedeutet -, um die Auswirkung, die sich in der Bevölkerung durch das Erzeugen von Gewalt, von Angst, von doch Zuständen andeutet. Ich meine, wir kennen doch die Bilder aus Freital und anderen Orten, die ja nun wirklich Bilder gezeitigt haben, die einem schon Angst machen können. Aber ich bin wie Sie der Meinung, wenn ich das so sagen darf, ...
    Heuer: Das weiß ich noch nicht!
    Battis: ..., dass wahrscheinlich das die größte Hürde ist.
    Heuer: Was ist denn im Moment eigentlich gefährlicher, die NPD oder Pegida, oder vielleicht manche Redner von der AfD?
    Battis: Zwischen den Pegida-Rednern, ich sage extra Rednern, nicht allen, die da mitlaufen, aber den meisten Pegida-Rednern und der NPD, da würde ich schon sagen, das überschneidet sich und bei manchen Vertretern der AfD kann ich auch keinen großen Unterschied feststellen.
    Heuer: Aber gegen die kann man nicht vorgehen, oder kann man?
    Battis: Natürlich kann man dagegen vorgehen. Das wäre dann bei Pegida, das liefe hinaus auf ein Vereinsverbotsverfahren. Und bei der AfD, das halte ich im Moment für verfrüht, weil die Partei ja nun doch noch ziemlich unterschiedliche Signale, auch nach dem Hinauswurf von Herrn Lucke immer noch unterschiedliche Signale sendet. Sonst würde für die AfD natürlich dasselbe Verfahren gelten wie bei der NPD.
    Heuer: Aber Herrn Höcke jetzt erst mal noch nicht verklagen?
    Battis: Ihn persönlich, das wäre ohnehin - - Es geht ja nicht darum. Wir reden jetzt von Parteiverfahren. Das andere wäre: Bei Höcke könnte man reden über ein Grundrechts-Verwirkungsverfahren, das auch ein gesondertes Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wäre, was aber bisher noch nie erfolgreich war.
    Heuer: Herr Battis, kann man eine Partei überhaupt verbieten? Im Fall der NPD: Sucht die sich dann nicht einfach andere Wege und es wird vielleicht sogar noch gefährlicher, weil sie im Untergrund dann agiert und überhaupt nicht mehr greifbar ist?
    Battis: Eine Partei kann man sicher verbieten. Nur ob es Wirkung zeigt, das ist die Frage. Das meinen Sie ja auch.
    Heuer: Ja, das meinte ich.
    Battis: Ich teile Ihre Skepsis. Die völlig verbohrten Menschen werden Sie dadurch nicht überzeugen können. Andererseits müssen Sie sehen: Wenn eine Partei als Partei sich beteiligt - wir haben Parteienfinanzierung, die Parteien sind bei uns in vielfacher Weise privilegiert, und das zumindest entfällt.
    Heuer: Aber darüber hinaus geht es eigentlich mehr um Symbolik jetzt in Karlsruhe?
    Battis: Ja.
    Heuer: Und was, wenn es schiefgeht?
    Battis: Ja das wäre fatal.
    Heuer: Ulrich Battis, Staatsrechtler aus Berlin. Herr Battis, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch.
    Battis: Bitte schön. Ich danke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.