Freitag, 29. März 2024

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Strafverfolgung im Internet
Hass im Netz und kein Ende

Hetze im Internet werde künftig "effektiver verfolgt und härter bestraft", kündigte vor Kurzem das Bundesjustizministerium an. Hintergrund sind neue Gesetze, die in Kraft getreten sind. Die Wirklichkeit ist noch eine andere: Der Ton bleibt rau – und Betroffene fühlen sich alleine gelassen.

Von Michael Borgers / Tobias Schmid im Gespräch mit Annika Schneider | 13.04.2021
Ein Passant läuft an dem Plakat des Projekts #RespektBW vorbei
Mit dem Projekt #RespektBW geht das Land Baden-Württemberg seit Herbst 2019 gegen Hass und Hetze im Netz an (picture alliance/dpa | Tom Weller)
Meldungen über Hass im Netz sind längst eine Art journalistische Routine geworden. In den vergangenen Wochen berichteten etwa Fußballer über ihre Erfahrungen. Spieler, die genug haben von den Anfeindungen, die ihnen in sozialen Netzwerken entgegenschlagen. Oder ganze Vereine, die Facebook, Twitter und Co. für ihren Umgang mit dem Problem kritisieren und zeitweise, wie in Großbritannien geschehen, deshalb boykottieren.
In Deutschland sorgte gerade Uschi Glas für Schlagzeilen. In einem Video des "DUB Unternehmer-Magazins" beschreibt die Schauspielerin die Reaktionen auf ihren Einsatz für die Corona-Impfkampagne der Bundesregierung. In Mails sei sie als Mörderin bezeichnet worden, manche der verbalen Angriffe seien "schwerst beleidigend", so Glas. Sie finde es traurig und beängstigend, "wie viel Hass und wie viel Ablehnung in unserer Gesellschaft ist".

Der Fall Jasmina Kuhnke: Neue Dimension

Ein anderer Fall, über den zuletzt einige Medien berichtet haben, ist der von Jasmina Kuhnke. Bei ihr hat der Hass eine neue Dimension erreicht: Denn die Autorin und mehrfache Mutter hat sich aus Sicherheitsgründen entschieden, mit ihrer Familie umzuziehen. Zuvor war ihre bisherige Adresse in einem Video öffentlich worden, in dem angedeutet wird, dass auf ihren Kopf geschossen wird. Eine digital inszenierte Morddrohung, der unmittelbar Dutzende Essenslieferungen in ihrer analogen Welt folgten - ein Zeichen, mit dem ihr signalisiert wird: Wir wissen wirklich, wo Du wohnst!
"Als Frau anders herabgesetzt"
Wenn von Hass, Missbrauch oder Gewalt im Netz die Rede ist, geht es meist um Soziale Netzwerke. Ein besonderes Problem stellt dort der Ton gegenüber Frauen dar. Das zeigt das Beispiel von Twitter, das Amnesty untersucht hat.
Kuhnke folgen mehr als 80.000 Menschen auf Twitter. In der "Zeit" heißt es über die Art, wie sie dort auftritt: "Manchmal macht sie sich auch über andere Twitter-Nutzerinnen und -Nutzer lustig, manchmal provoziert sie, ist polemisch. Viele Menschen reagieren darauf mit Zustimmung. Manche mit Hass." Doch diejenigen zu identifizieren, die mit – möglicherweise justiziablem – Hass reagieren, bleibt ein Problem, wie dieser Fall zeigt.
Nicht immer geben die Digitalunternehmen wie Twitter IP-Adressen an die Strafermittlungsbehörden weiter. Und selbst wenn sie es tun, bleibt die Frage der Strafbarkeit. Bei ihr habe der Staatsschutz gesagt, man sehe keine Bedrohungslage, das Video (mit der inszenierten Mord-Phantasie) sei nicht direkt auf sie zu beziehen, so berichtet es Kuhnke in der "Zeit".

Landesmedienanstalt: Thema wird ernst genommen

An einigen Stellen müsse das Bewusstsein für diese Art von Delikten wohl noch wachsen, beobachtet auch Tobias Schmid, Jurist und Direktor der Landesanstalt für Medien in NRW, die (wie auch das Deutschlandradio) bei "Verfolgen statt nur Löschen" mitmacht, eine Initiative des Landes NRW gegen Hassrede im Netz. Ein weiteres Problem sei die juristische Bewertung der Taten, so Schmid im Deutschlandfunk. Diese sei kompliziert, weil es gleichzeitig auch immer um das Recht gehe, seine Meinung frei zu äußern.
Insgesamt habe das Thema aber in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Landeskriminalamt, Staatsanwaltschaft und Polizei würden das Thema ernst nehmen und neue Stellen schaffen. "Aber das geht nicht von heute auf morgen". Schmid erwartet, dass auch die neuen Gesetze der Bundesregierung Wirkung zeigen werden.

Neue Regeln seit April

Das neue Gesetzespaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet ist am 3. April in Kraft getreten. Mit dem Gesetz gegen Hass im Netz soll geregelt werden, dass Anbieter sozialer Netzwerke Straftaten künftig nicht nur blockieren und löschen, sondern auch an das Bundeskriminalamt melden sollen. Zudem sollen auch die Androhungen von Straftaten künftig geahndet und Beleidigungen vor dem Millionenpublikum im Netz schärfer bestraft werden.
Die neuen Reglen seien "ein wichtiger Grundstein zur Stärkung der Rechte von Betroffenen", lobte die gemeinnützige Organisation HateAid, eine Beratungsstelle für digitale Gewalt, die auch Jasmina Kuhnke geholfen hat.
Auswahl von Angeboten gegen Hass im Netz und für Betroffene:
- Die Organisation HateAid sieht sich als Beratungs- und Anlaufstelle von Opfern digitaler Gewalt.
- Die Initiative Verfolgen statt nur löschen ist eine Initiative des Landes NRW gegen Hassrede im Netz.
- Die Initiative Hass melden prüft Meldungen auf ihre mögliche strafrechtliche Relevanz.
- Das No Hate Speech Movement ist eine Initiative des Europarats, die Betroffene stärken will.
- Die Website aufstehen-gegen-hass-im-netz.de versteht sich als feministische Website gegen Hate Speech.
- Die Kampagne #RespektBW für Diskussionskultur in Sozialen Medien hat das Land Baden-Württemberg gestartet.
- Der Verein Zebra bietet Beratung für Betroffene rechter Angriffe, auch im Internet.