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Straße oder Schiene

Informatik. - Straße oder Schiene - LKW oder Bahn? Vor dieser Frage stehen in Deutschland täglich einige Tausend Logistik-Experten. Die Entscheidungen müssen schnell fallen, manchmal binnen weniger Minuten. Dass da manches schief läuft, liegt auf der Hand, viele Transporte ließen sich kostengünstiger abwickeln, gäbe es nur eine Entscheidungshilfe. Es gibt sie! Informatiker der Fernuniversität Hagen haben eine Software entwickelt, die die Frage "Straße oder Schiene?" auf Knopfdruck beantwortet.

Von Mirko Smiljanic |
    Die Lager einer großen norddeutschen Spedition sind voll bis unters Dach: Stückgut aus der metallverarbeitenden Industrie, Textilien, 1000 Kisten Laborbedarf, außerdem stapeln sich in einer Ecke Kinderschlitten - der nächste Winter kommt bestimmt! Die Frage, wie die Waren transportiert werden sollen, hängt dabei von vielen Faktoren ab.

    " Wie lange dauert das, wie schnell ist es vor Ort, wie hoch sind die Lagerhaltungskosten, wenn ich etwas zwischenlagern muss, aber natürlich auch in der finanziellen Dimension, was habe ich für Kosten von Seiten des Transporteurs, und so haben wir schon mal zwei Faktoren identifiziert."

    Hinzu kommen - sagt Matthias Hemmje, Professor für Informatik an der Fernuniversität Hagen - technische Faktoren: Sind Kühlwagen notwendig oder bestimmte Container, wie stoßempfindlich ist die Ware und so weiter. Nicht zu vergessen sind ökologische Faktoren, ein Spediteur könnte sich ja auch die Frage stellen, welcher Transportweg der Umwelt möglichst wenig schadet. Für all diese Transport-Faktoren haben Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden ein mathematisches Bewertungsschema entwickelt, das der Hagener Informatiker als Basis für seine Entscheidungssoftware nutzt.

    " Das ganze läuft in eine Datenbank ein, und von dort aus könnte man Handlungsalternativen berechnen und simulieren, wenn sich eine bestimmter Komponente von den Kosten her oder von der technischen Funktionalität her in eine bestimmte Richtung entwickelt, wie würde sich denn das auf die Kosten oder auf das zeitliche Verhalten im Gesamtprozess auswirken."

    Das Datenbanksystem selbst ist als Entscheidungshilfe für Logistiker viel zu kompliziert, die in kürzester Zeit wissen wollen, wie sie Transport A abwickeln und wie Transport B. Aus diesem Grund wird der Datenwust über bildgenerierende Verfahren so aufbereitet, dass Schaubilder auf einen Blick unterschiedliche Handlungsmuster wieder geben. Die Aufbereitung der Rohdaten läuft dabei so ab.

    " Die Daten werden gehalten in klassischen Relationalen Datenbanksystemen, dann werden in der Regel aus diesen Datenbanken bestimmte Datensätze, die visualisiert werden sollen, ausgelesen, wir benutzen dafür XML-Formate, das ist der Standard für Datenaustausch in der Informatik, diesen XML-Formaten setzen wir dann Visualisierungsverfahren auf, die können dreidimensional visualisieren, dann verwenden wir VML als Darstellungssprache, weil die sich eben auch sehr weit etabliert hat."

    Dabei erscheint auf dem Bildschirm nicht die einzig richtige Entscheidung, sondern immer eine nach den jeweiligen Bedürfnissen gewichtete. Wer Waren schnell transportieren muss, lässt die Bahn wahrscheinlich links liegen. Entscheidend ist aber: Die Resultate lassen sich in kürzester Zeit darstellen.

    " In der Informationsvisualisierung sagt man, diese Bilder müssen in Echtzeit generiert werden. Das bedeutet, wenn ich bei einer Anfrage ein Entscheidungskriterium verändere und ich sage, es kommt nicht auf einen günstigen Preis an sondern auf eine schnelle Lieferzeit, dann verändere ich das direkt in der Benutzerschnittstelle, dann sollte es nur einige wenige Sekunden oder sogar nur Bruchteile von Sekunden dauern, bis die Ergebnisse in veränderter Form dargestellt werden."

    Das Programm liegt als Prototyp vor und soll im nächsten Schritt unter kontrollierten Bedingungen in einer Spedition getestet werden. Dann erst wird sich das gesamte Einsparpotential zeigen. Matthias Hemmje ist sich aber schon jetzt sicher, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Softwarenutzer steigt:

    " Weil sie eben ihren Kundenbedürfnissen gezielter nachkommen kann, der Spediteur ist ja auch nur Sprachrohr seines Kunden, für den er Waren bewegt. Man kann Kostenersparnisse erzielen und insgesamt natürlich wettbewerbsfähiger werden."