Durak: Das verstehe ich aber trotzdem nicht ganz. Was hat die Konsumzurückhaltung bei den Menschen mit Managementfehlern zu tun?
Maximow: Nein, das sind zwei unterschiedliche Dinge. Das eine sind klassische Managementfehler, aber ich meine, dass sich die Politik auf die Rahmenbedingungen konzentrieren sollte, um letztendlich den Konsum wieder anzuheizen. Das ist eigentlich der Punkt. Wenn Sie sich an das Prozedere im vergangenen Jahr zurückerinnern, was die Ladenöffnungszeiten betrifft, dann bestätigt dies das nur.
Durak: Sie haben es gesagt, eigentliche Aufgabe der Politik ist es, der Wirtschaft Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln zu schaffen. Überschreiten die Politiker im Fall Karstadt die Grenzen, wenn sie jetzt schon versprechen, soziale Folgen abzufedern?
Maximow: Ich weiß nicht, wie sie das tatsächlich machen wollen. Ich habe es letztendlich so verstanden, dass sie sagen, im Rahmen der Möglichkeiten. Das heißt also, wenn Arbeitnehmer freigesetzt werden, dann versucht wird, die Härten, die daraus entstehen, in irgendeiner Form etwas abzumildern.
Durak: Das ist ja eine Einladung an jeden Unternehmer, Beschäftigte, die er nicht mehr braucht, zu entlassen, nach dem Motto, der letzte Sanierer ist der Staat.
Maximow: Nein, das sehe ich überhaupt nicht so, und das wird auch gar nicht so passieren, davon bin ich überzeugt, sondern das ist also wirklich, wenn Arbeitslosigkeit eintritt, dann greifen die normalen Regeln letztendlich. Dass dann irgendwelche Subventionen zusätzlicher Art oder irgendetwas passiert, gibt es nicht. Es gibt ja heute schon eine Vielzahl. Wenn heute ein Unternehmer sein Unternehmen schließt oder Teile stilllegt, dann greift letztendlich hier die Agentur für Arbeit ein. Dabei bleibt es auch.
Durak: Es ist aber trotzdem so etwas wie eine Notnagelsituation. Der Unternehmer kann tun und lassen, was er will. Am Ende kümmert sich der Staat um seine, sagen wir mal böse, Restbestände.
Maximow: Ja, so ist aber letztendlich die Regelung, wenn Arbeitslosigkeit auch durch Pleiten eintritt. Da muss man immer fragen, sind es Managementfehler gewesen, oder haben die Banken irgendeinem Unternehmen den Hahn zugedreht? Ich meine, die Diskussion kennen wir auch alle, dass man nicht mehr an das notwendige Kapital, Betriebsmittelkredite, et cetera rankommt. Alle diese Schlagworte verdeutlichen das ja.
Durak: Der Fall Karstadt ist ja ein anderer. Da hat Konzernchef Achenbach ja gestern noch einmal ausdrücklich Fehler im Management des Unternehmens in den vergangenen Jahren eingeräumt. Wie sehen Sie das? Fehlentscheidungen im Management, falsche Entscheidungen in der Unternehmensführung, für wie ausgeprägt halten Sie das in Deutschland? Noch dazu, wenn ja die Politik so oft für mitschuldig erklärt wird, nach dem Motto, sie haben die Rahmenbedingungen nicht geschaffen.
Maximow: Wissen Sie, mein Grund ist immer der: Unternehmensergebnisse entstehen nicht, sondern sie werden gemacht, und zwar tagtäglich mit irgendwelchen Entscheidungen. Insofern ist es völlig richtig, was Herr Achenbach sagt. Er sagt, wir werden dieses Jahr 200 Millionen Verlust machen, das heißt fast eine halbe Million am Tag. Das zeigt, dass etwas völlig aus dem Ruder gelaufen ist.
Durak: Für wie ausgeprägt halten Sie das in Deutschland?
Maximow: Für sehr ausgeprägt. Ich denke schon, dass in den meisten der Fälle von Unternehmenskrisen und Pleiten irgendwelche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden. Da sind wir in einer Welle, die da passiert. Da besteht schon längst die strategische Krise, dann kommt die Ergebniskrise und dann kommt letztendlich die Liquiditätskrise.
Durak: Was machen diese Unternehmer denn im Wesentlichen falsch?
Maximow: Ein Punkt ist sicherlich Verdrängen und sich nicht rechtzeitig mit dem Umfeld und dem Wettbewerb auseinanderzusetzen. Das ist ja auch bei Karstadt der Fall. Wenn Sie die Warenhäuser nehmen, die gibt es seit 100 Jahren, und sie haben sich zu dem Dinosaurier entwickelt, und das ist passiert Mitte der 70er Jahre, wo sie in einem Lebenszyklus jetzt eigentlich am Ende sind. Da sind viele Versäumnisse letztendlich gemacht worden.
Durak: Die Fehler haben aber weniger die Beschäftigten gemacht. Sie sind ja Unternehmensberater. Wie sehen Sie das? Stehen die Konsequenzen für Fehlentscheidungen, für Schuld und Mitschuld an Firmenpleiten in einem adäquaten Verhältnis zu den Folgen für die Beschäftigten?
Maximow: Denken Sie doch mal an den Anfang der 90er Jahre. Da hatte die Automobilindustrie eine Riesenkrise. Sie haben 600.000 Arbeitsplätze vernichtet. Die damals durchgeführte Restrukturierung innerhalb der deutschen Automobilindustrie hat dazu geführt, dass die deutsche Automobilindustrie heute wieder führend ist auf der Welt, und sie hat mehr als 600.000 neue Arbeitsplätze wieder geschaffen.
Durak: Wir kennen die Fälle von Vodafone und Mannesmann, die Riesenabfindungen. Ist das soweit in Ordnung, wenn Manager, wenn Unternehmensführungen nicht so zur Verantwortung gezogen werden, wie die Beschäftigten Folgen tragen von solchen Fehlentscheidungen?
Maximow: Eigentlich nicht. Das wird ja auch im Augenblick in der Öffentlichkeit diskutiert: Wofür haftet eigentlich ein Vorstand oder ein Geschäftsführer?
Durak: Diese Diskussion lässt schon ganz schön stark nach.
Maximow: Ich finde, sie kommt gerade jetzt richtig hoch, weil wenn der Unternehmer letztendlich versagt, dann haben wir die Pleite, dann ist auch alles futsch, wenn er noch ein selbsthaftender Unternehmer ist, und zwar bis zu seinem Privatvermögen.
Durak: Das sind doch eher die kleinen.
Maximow: Sie haben Recht, aber es gibt auch große Unternehmen mit persönlich haftenden Gesellschaftern. Aber zur Zeit wird natürlich diskutiert, dass Vorstände zur Rechenschaft gezogen werden, wenn irgendwelche Fehler passieren. Das mit den Abfindungen ist auch so eine moralische Geschichte. Der Fall Vodafone und Mannesmann lag völlig anders. Da ging es um eine Übernahme eines Unternehmens, und man muss das so sagen, der Herr Esser, ob er das nun berechtigterweise bekommen hat oder nicht, hat die Aktionäre sehr reich gemacht mit dem Verkauf von Mannesmann an Vodafone, und letztendlich sind nicht Tausende von Arbeitsplätzen letztendlich weggefallen.
Durak: Besten Dank für das Gespräch.