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Streit am Schiffbauerdamm

Im Streit um das Berliner Ensemble musste der Dramatiker Rolf Hochhuth eine Niederlage hinnehmen: Das Landgericht Berlin entschied, dass er sein Stück "Sommer 14" nicht im Theater am Schiffbauerdamm aufführen darf.

Hartmut Krug im Gespräch mit Rainer Berthold Schossig | 13.08.2009
    Rainer Berthold Schossig: Der Dramatiker Rolf Hochhuth lag schon länger im Streit mit seinem ewigen Widersacher Claus Peymann. Seit gestern eskalierte der Konflikt und heute endete er auch fast wieder schon: Hochhuth hat zunächst verloren, darf sein Stück "Sommer 14" nicht im Hause Berliner Ensemble aufführen. Das Landgericht Berlin hob heute eine einstweilige Verfügung gegen das Berliner Ensemble auf, weil Hochhuth eben seinen Aufführungswunsch im Hause zu spät angemeldet und deshalb keinen Anspruch habe.

    Hochhuth sagte, damit falle auch die Premiere am 23. August aus. Kurz zuvor hatte er noch wutschnaubend verkündet, die Ära Peymann am Berliner Ensemble sei beendet. Nach Tisch, sprich also nach den heutigen Entscheidungen des Berliner Landgerichts, liest es sich doch alles etwas anders. Hochhuth muss draußen bleiben.

    Frage an meinen Kollegen Hartmut Krug in Berlin: Also, der Vermieter Rolf Hochhuth hat gegen seinen Untermieter Claus Peymann heute vor Gericht verloren. Die Ära Peymann [ist] also nicht zu Ende. Bleibt am Schiffbauerdamm zunächst alles, wie es war und ist?

    Hartmut Krug: Ja, es wird alles so bleiben, wie es war und wie es ist. Es ist natürlich nicht gut. Also die gesamte Vertragssituation ist extrem verkorkst und ist einem Kultursenator Radunski "zu verdanken" in Anführungsstrichen.

    Es ist natürlich auch so, dass es hier zwei ältere Herren, um es mal vorsichtig zu sagen, gibt, die beides Egozentriker sind, und beide von dem, was sie tun, sehr überzeugt sind. Und allein der Theaterleiter Claus Peymann kann es eigentlich von Anfang an nicht vertragen, dass er einen Vertrag hat, in dem dem Eigentümer, mit dem er früher sogar zeitweilig ein künstlerisches Paar war, zugewiesen wird, dass er jeden Sommer dort eigentlich mit eigenen Stücken, die er selber inszenieren kann, hineinkann.

    Das hat er ihm nur einmal möglich gemacht, gleich 2001, nein, gleich 2000, mit der "Hebamme", aber sonst hat er eigentlich immer nur behindert. Und der Rolf Hochhuth hat selber mit großer Ungeschicklichkeit, wie dieses Mal auch wieder, die Fristen, die nun mal vertraglich festgelegt sind, damit das organisatorisch gemacht werden kann, immer wieder vertan. Und so wird es einen ewigen Streit zwischen diesen beiden Herren geben.

    Schossig: Nun hat ja, wie man hört und liest, Hochhuth beziehungsweise die Holzapfel-Stiftung heute dem Land Berlin als Nutzer der Theaterimmobilie gekündigt. Wenn dies nun auch nicht sofort, sondern vielleicht erst nach längerem Rechtsstreit dann greift, dann wäre ja eine verlässliche Theater- beziehungsweise Spielplangestaltung am Schiffbauerdamm gar nicht mehr möglich.

    Krug: Na ja, zumindest bis zum 31. Dezember 2012, so lange läuft nämlich der Mietvertrag erst einmal, ist alles verlässlich - und dann gibt es in diesem Vertrag noch eine Option der Verlängerung, über die man sich dann verhalten und unterhalten kann.

    Also, so gefährlich ist das gar nicht. Und erst einmal müsste man auch abwarten, ob die Holzapfel-Stiftung, die ja einen Vorstand hat, in der auch Rolf Hochhuth ist, aber die nicht nur aus Rolf Hochhuth besteht, ob die wirklich diesen Vertrag kündigen wird, weil die Situation ist ja so: Was soll sie mit dem Haus? Es ist ja nur das Haupthaus. Alle technischen Nebengebäude und so weiter gehören gar nicht dazu. Was soll sie dann mit dem Haus sonst tatsächlich machen? Das ist ein für die Holzapfel-Stiftung eigentlich ganz angenehmer Vertrag mit dem Land Berlin.

    Schossig: Es sei denn eben, der Zorn verraucht nicht so schnell von dem alten Rolf Hochhuth. Was ist eigentlich von seiner Ankündigung zu halten, in Berlin ein Theater der Autoren zu gründen und das subito? Der Suhrkamp-Verlag hat ja heute Nachmittag schon ausdrücklich dementiert, dass er für ein solches von Hochhuth angekündigtes Unterfangen [gar nicht] zur Verfügung stehe.

    Krug: Na ja, das ist die alte Sehnsucht von Rolf Hochhuth, der sich nicht ganz zu Unrecht verkannt fühlt, der überhaupt selber nicht mehr aufgeführt wird. Und als er damals dieses - über die Holzapfel-Stiftung nach seiner Mutter benannt -, dieses Theater gewissermaßen als Miteigentümer bekam, hatte er schon damals immer gehofft, jetzt könnte er sein Autorentheater, das er immer gefordert hat, zu dem er aber keine weiteren Namen genannt hat, einrichten. Und das ist ja auch mit so eigentlich der Grund dieses gesamten Streites.

    Er wirft ja auch Peymann immer wieder vor, er hat keine Uraufführung eines noch nicht berühmten Autors an seinem Berliner Ensemble jemals gemacht, und was ein großer Fehler von Rolf Hochhuth ist: Er ist sehr zornig, sehr schnell aufbrausend und erzählt dann viel, was eigentlich nur seine Wünsche sind, aber, was er gar nicht belegen kann. Und so sehe ich auch diese Aussage mit den beiden Theaterverlagen. Wenn man das überhaupt mal durchdenkt: Wie sollten Theaterverlage ein Autorentheater selber betreiben? Also, das ist auch so von der ganzen Konstruktion, wie Theaterverlage organisiert sind, überhaupt nicht denkbar.

    Schossig: Ja, was ist zu tun, Herr Krug? Vielleicht sollten Hochhuth und Peymann mal zusammen Hosen kaufen gehen.

    Krug: Na ja, das wird nicht mehr gehen. Wenn man sich vorstellt, dass das Stück, was jetzt dort gespielt worden sein sollte und nicht sein kann, dass das ein Auftragswerk von Peymann ist, das er sogar an seinem Wiener Burgtheater hat uraufführen lassen, dann merkt man doch, dass da wirklich alle wirklich normalen Verhältnisse zerrissen sind - und dass jetzt nur noch psychologische Erklärungsmuster, enttäuschte Liebe oder wie auch immer, greifen und da hilft ein Hosenkauf allein wirklich nicht mehr weiter.

    Schossig: Das war Hartmut Krug zum Streit des Dramatikers Rolf Hochhuth mit dem Theatermacher Claus Peymann in Berlin.