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Streit über Anschubfinanzierung für freie Schulen in Berlin

Privatschulen bekommen 93 Prozent ihrer Personalkosten vom Staat. In Berlin will die SPD-Bildungssenatorin, dass Schulen diese Kosten erst nach drei oder fünf Jahren erstattet bekommen. Zuerst sollen sie zeigen, dass sie ordentliche Arbeit leisten. Der CDU-Verbraucherschutzsenator stellt sich allerdings quer.

Von Anja Nehls | 10.09.2013
    Soll bei Neugründungen von freien Schulen die Anschubfinanzierung gestrichen werden – darum geht es im Streit in der Berliner Koalition zwischen Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und Justiz- und Verbraucherschutzsenator Thomas Heilmann (CDU):

    Freie Schulen, Schulen in privater Trägerschaft bekommen 93 Prozent ihrer Personalkosten vom Staat. Aber in Berlin erst nach einer Wartezeit von drei Jahren bei weiterführenden Schulen und fünf Jahren bei Grundschulen. Die Schulen sollten erst mal zeigen, dass sie in der Lage sind, ordentliche Arbeit zu leisten.

    Eine Ausnahmeregelung galt bisher für die Schulen in sogenannter bewährter Trägerschaft, also Träger, die schon eine oder mehrere Schulen in Berlin erfolgreich betreiben. Alteingesessene Waldorfschulen oder konfessionelle Schulen zum Beispiel. Die bekommen gleich von Anfang an fast den kompletten Personalkostenanteil von 93 Prozent erstattet.

    Das soll sich ändern, wenn es nach dem Willen von Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres geht. In Zukunft sollen alle Schulen drei bzw. fünf Jahre warten, bis sie Geld bekommen. Justizsenator Thomas Heilman ist dagegen:

    "Nein, ich finde, die sogenannte Wartefrist dient ausschließlich dem Ziel, zu gucken, ob ein Schulträger auch nachhaltig das kann. Was wir nämlich nicht wollen ist, dass jemand einfach Schulen aufmacht und nach zwei Jahren dann pleite ist und offensichtlich gar nicht einen Schulbetrieb bewältigen kann und denkt, das ist eine leichte Aufgabe. Aber dass wir bewährten Trägern nicht die Möglichkeit geben bei Nachfrage eine weitere Schule aufzumachen, der dürfte dann bei weiterer zusätzlicher Finanzierung einen weiteren Klassenzug aufmachen und dann eine Riesenschule draus machen, er dürfte aber keinen neuen Standort aufmachen mit einer neuen Schule, das erscheint mir nicht sinnvoll zu sein."

    Lange Zeit hinkte Berlin bei Privatschulen hinterher, also musste ein Anreiz für Neugründungen geschaffen werden. Weil die Personalkosten circa zwei Drittel der Gesamtkosten ausmachen, war die Anschubfinanzierung ein starker Anreiz. Jetzt braucht es aber keinen Anreiz mehr, meint die Bildungssenatorin.

    In Berlin gibt es 115 freie allgemeinbildende Schulen, darunter 47 Grundschulen und 58 Sekundarschulen und Gymnasien. Darüber hinaus 70 berufliche Schulen.

    Das schwächt das staatliche Angebot und gefährdet die soziale Durchmischung, sagen besonders SPD-Bildungspolitiker. Thomas Heilmann sieht aber gerade im Wegfall der Anschubfinanzierung eine Gefahr für Kinder aus sozial schwächeren Familien, weil die Schulen, die sich dann noch gründen können, viel teurer sein müssten als bisher:

    "Wenn man das deutsche System anwendet, dass wir private Schulen auch in sozialen Brennpunkten haben und der Staat die dann finanziert, was für den Staat ja nicht teurer ist, denn die privaten Schulen sind ja eher günstiger als die öffentlichen Schulen, dann können wir private Schulen auch für sozial schwache zugänglich halten. Da steckt ja meistens, wie bei Montessori oder Waldorf, eine besondere Bildungspädagogik dahinter oder bei kirchlichen Schulen, es gibt inzwischen ja auch muslimische Schulen ein religiöser Hintergrund. Und das gehört zur freien Entfaltung der Eltern dazu und das können wir ja nicht nur Reichen vorbehalten."

    Betreffen würde die neue Regelung zurzeit 31 Schulen, die sich in Berlin in der Aufbauphase befinden. Die Hälfte der allgemeinbildenden Schulen davon ist in der sogenannten bewährten Trägerschaft.

    Im Berliner Senat wurde die Gesetzesvorlage heute behandelt, aber zu einer Einigung kam man nicht. Die ganze Sache ist vertagt worden. Vordringlich sollen jetzt Fragen geklärt werde. Es geht um die Wartefrist, also darum, ob es die Förderung tatsächlich erst nach drei bzw. fünf Jahren geben soll. Und es geht um eine Regelung für die beruflichen Schulen, von denen es besonders viele Neugründungen in Berlin gab.

    Die geplante Regelung gilt übrigens nicht für Schulen, die während der NS-Zeit verboten wurden, wie zum Beispiel jüdische oder katholische Schulen. Die bekommen weiterhin von Anfang an Geld.