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Streit über Denkmäler und Symbole in Split

Split ist eine der traditionsreichsten Städte Kroatiens; die aus der Spätantike und dem Mittelalter stammende Altstadt ist ihr Wahrzeichen. Ohne größere Rücksicht auf dieses Erbe hat der Bürgermeister Dschelko Kerum mit zwei Denkmälern jetzt heftige Kontroversen ausgelöst.

Von Martin Sander | 02.06.2013
    Es ist ein lauter Platz nahe dem Ufer, dort, wo viele Reisende zum Fährhafen hasten.

    "Oh, wen haben wir denn hier?"

    "Tja, Franjo Tudjman, den Vater Kroatiens, also das Denkmal in Split. Nicht sehr schön. Es ist kein Ort, an den die Spliter gerne kommen."

    Blažena Radas ist Literaturübersetzerin. Die Deutsch-Kroatin lebt seit einigen Jahren in Split und koordiniert "KroatienKreativ2013", ein Programm, mit dem man aus Anlass von Kroatiens EU-Beitritt die Kultur des Landes in Deutschland präsentiert.

    Erst seit zwei Wochen steht das Denkmal für Franjo Tudjman, den Gründer des unabhängigen Kroatien. Tudjman ist heute in Kroatien wegen seiner Kriegspolitik und allgegenwärtiger Korruption umstritten. Gegen heftigen Widerstand unter seinen Bürgern hat Željko Kerum, der amtierende Bürgermeister von Split, das Denkmal durchgesetzt. Kerum ist ein Selfmademan aus der Supermarktbranche, der gern die nationalkatholische Karte spielt. Viele Spliter verspotten den ungehobelten Mann aus dem Hinterland Dalmatiens, der gern vulgär und sexistisch auftritt als Berlusconi im Westentaschenformat und gern bekundet, er wolle auf keinen Fall einen serbischen Schwiegersohn haben. Abgesehen vom Tudjman-Denkmal hat Kerum vor wenigen Tagen auf dem Gipfel des Marjans hoch über der Stadt ein – nach Intervention des Kulturministeriums "nur noch" zehn Meter hohes – Kreuz aufstellen lassen, ebenfalls unter Bürgerprotest. Ursprünglich sollte es sogar ein Jesus sein, größer als in Rio de Janeiro.

    "Man muss einfach sagen, dass Kerum nicht sehr intelligent ist. Er hat dann auf die Frage hin, warum dieses Kreuz, da hat er gesagt, ja, das ist ein Symbol für das Leiden Jesus. Und Jesus hat die Welt erschaffen. Also Kerum ist für mich einfach ein Symbol der Korruption und der Dummheit."

    Vier Jahre lang hat Kerum über Split geherrscht und das betrieben, was einige "Kerumisierung" nennen: Vetternwirtschaft, Angriffe auf die Hochkultur, Einkaufszentren und neue Denkmäler statt Pflege der alten.

    Das bedeutendste Denkmal der Stadt ist ihr UNESCO-geschütztes Zentrum: der Palast des römischen Kaisers Diokletian, eine etwa 300 nach Christus entstandene Festung mit Straßennetz, mit Villen, Kasernen, Hallen und Tempeln –30.000 Quadratmeter. Die Palaststadt wurde unter byzantinischer, venezianischer, österreichischer und jugoslawischer Herrschaft den Bedürfnissen der Bewohner angepasst, doch in der Substanz kaum beschädigt.

    "Der Palast, das ist eigentlich Split. Das ist die Software, und rundherum haben wir die Hardware."

    Ante Kuštre arbeitet an einem Dokumentarfilm über den "Bürger Kerum", anknüpfend an Orson Welles "Citizen Kane". In Kerum sieht Kuštre nicht nur den Parvenu aus der Provinz, sondern eine Verkörperung Spliter Mentalität.

    Hier gibt es keine Mäßigung, keine goldene Mitte. Man liebt oder man hasst. Den Spliter bestimmt nicht seine Herkunft, sondern seine innere, seelische Verfassung. Wenn er ein "split" in sich trägt, und das im englischen Sinne des Wortes, also einen Riss, eine Gespaltenheit, dann ist er ein Spliter, egal wo er herkommt. In diesem Sinne war Kerum ein waschechter Spliter – und das im Format King Kong Size.

    Filmemacher Ante Kuštre spricht über Kerum bereits in der Vergangenheit, denn als Bürgermeister ist er abgewählt. In einer Stichwahl heute Abend wird - den Umfragen zufolge – der sozialdemokratische Kandidat Ivo Baldasar siegen. Eine erneute Kerumisierung ist aber nicht ausgeschlossen, folgt man der Übersetzerin und Kulturmanagerin Blažena Radas:

    "Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich nicht wirklich weiß, wie die Kroaten sind. Ich hab das Gefühl, dass die Dinge sich auch sehr schnell ändern können, vor allem hier in Dalmatien. Man sagt auch, dass die Menschen sich hier leicht drehen wie der Wind. Das ist aber speziell Dalmatien."

    In der dalmatinischen Metropole geht es etwas lauter und direkter zu als anderswo in Kroatien. Ein spezifischer Humor gehört dazu. Im intellektuellen Leben, vor allem in der Literaturszene kommt er zum Ausdruck. Die bissigste, oft satirische Wochenzeitung Kroatiens "Feral Tribune" erschien viele Jahre in Split. Zu den Satirikern in Split gehört Renato Baretić, dessen Bestseller "Der achte Beauftragte" gerade in Deutschland erschienen ist. Während sich viele Künstler in Split kaum etwas vom EU-Beitritt Kroatiens versprechen, hegt Baretić eine Erwartung:

    "Dass die Menschen begreifen, dass ihnen Europa nichts verbietet, sondern einfach Regeln erstellt, so wie es auch Verkehrsregeln gibt. Die Kroaten sind ein sympathisches, fleißiges, begabtes Volk – und auch gute Menschen, im Prinzip. Aber nur dann, wenn sie jemand kontrolliert, die Aufsicht führt. Schließlich haben wir 23 Jahre Zeit gehabt, zu zeigen, was wir allein können, und gezeigt haben wir nichts. Also ich wünsche mir, dass etwas mehr Ordnung in unser Verhalten kommt."

    Linktipp:
    KroatienKreativ2013