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Streit um Betriebsvermögen
Karlsruhe prüft Erbschaftssteuer

Bevorzugt das Steuerrecht Erben von Betriebsvermögen gegenüber denen von Privatvermögen? Darüber verhandelt ab heute das Bundesverfassungsgericht. Wirtschaftsverbände malen eine düstere Zukunft für den Fall, dass Karlsruhe die Privilegien von Familienunternehmen kippt.

08.07.2014
    Das Foto vom Mittwoch (24.11.2010) zeigt die Roben der Richter des Ersten Senats sowie ein Richterbarett beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe während der Urteilsverkündung zum Gentechnikgesetz.
    Voraussichtlich noch bis zum Herbst 2014 verhandelt das BVG über die Erbschaftssteuer (Uli Deck dpa/lsw)
    Die Richter des Bundesverfassungsgerichts bekommen es mit einer alten Bekannten zu tun. Ob die Erbschaftssteuer verfassungsgemäß ist, muss Karlsruhe nicht zum ersten Mal prüfen. In der Verhandlung ab Dienstmorgen geht es um Zweifel des Bundesfinanzhofes, ob die geltende Regelung nicht betriebliche und private Vermögen unzulässigerweise unterschiedlich behandelt.
    Die angegriffenen Regelungen sehen Privilegien, Freibeträge und unterschiedliche Steuersätze vor. Von diesen profitieren Firmen, land- und forstwirtschaftliche Unternehmen sowie Kapitalgesellschaften. Das führt nach Ansicht der obersten Finanzrichter dazu, dass nur Wenige von großen Steuervorteilen profitieren. Nun will sich Karlsruhe in der mündlichen Verhandlung zunächst mit der Bedeutung der Vorschriften für die Wirtschaft befassen und mögliche Änderungen ausloten.
    BDI warnt vor "Ausverkauf"
    Die Wirtschaftsverbände reagieren alarmiert. "Für die Verschonung von der Erbschaftsteuer sichern Unternehmen im Gegenzug Ausbildungs- und Arbeitsplätze", sagte der Präsident des Verbands "Die Familienunternehmer", Lutz Goebel. Es handele sich nicht um Steuerschlupflöcher. Für viele Unternehmensnachfolger seien die Regelungen die einzige Möglichkeit, um "die existenzbedrohenden Nebenwirkungen im Erbfall abzumildern und den Betrieb zusammenzuhalten." Auch habe der Gesetzgeber Trittbrettfahrern und Erben, die sich nur als Unternehmer tarnen, bereits das Handwerk gelegt. Zuvor hatte der Industrieverband BDI vor einem Ausverkauf von Familienunternehmen gewarnt. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sieht laut Zeitung "Die Welt" pro Jahr rund 500.000 Arbeitsplätze gefährdet.
    "Keine Belege für Insolvenzen durch Erbschaftssteuer"
    Das hatten die Richter am Bundesfinanzhof anders gesehen. Sie betonten, es sei durch nichts belegt, dass die Erbschaftsteuer die Fortführung eines Betriebes gefährde. Mit dieser Einschätzung habe der Bundesfinanzhof recht, sagte die Steuerrechtlerin Johanna Hey gegenüber der ARD. "Es gibt keinen Beleg dafür, dass die Erbschaftsteuer zu Unternehmensinsolvenzen führt. Selbst wenn ein Unternehmen verkauft werden müsste aufgrund der Erbschaftsteuer, heißt das ja nicht zwingend, dass dann Arbeitsplätze verloren gehen, sondern: der Eigner wechselt", so die Professorin von der Universität Köln.
    Die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe warnte vor den haushaltspolitischen Folgen, sollte das Bundesverfassungsgericht die Erbschaftsteuer sofort oder gar rückwirkend aussetzen: "In diesem Fall hätten die Länder Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe zu verkraften, mit all den negativen Folgen für Investitionen in Bildung und Infrastruktur." Mit einem Urteil aus Karlsruhe wird frühestens im Herbst gerechnet.
    (tön/dk)