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Streit um Borkenkäfer

Ganze Wälder können einer Borkenkäfer-Invasion zum Opfer fallen. Im tschechischen Böhmerwald gehen die Behörden radikal vor, um eine Ausbreitung der Krabbler zu verhindern: Befallene Bäume werden abgeholzt. Umweltschützer sind empört.

Von Stefan Heinlein | 24.08.2011
    Steil geht die Fahrt berg aufwärts. Der Regen hat die Waldwege aufgeweicht. Mühsam quält sich der Geländewagen über die Schotterpiste. Hier oben ist der grüne Bergfichtenwald zu Ende. Petr Kahuda zeigt auf die kahle Hochebene mit ihren einsamen Baumleichen.

    "Hier sehen sie die Fläche, die in den letzten drei Jahren abgeholzt wurde. Das schmerzt mich das sehr. Ich kann diesen Blick auf den kahlen Wald nur schwer ertragen."

    Das schwere Gerät der Forstarbeiter hat tiefe Spuren im Waldboden hinterlassen. 1600.000 Bäume wurden allein in diesem Jahr im Böhmerwald gefällt. Mindestens 60.000 weitere Fichten hat der Borkenkäfer angenagt. Auch sie werden in den nächsten Wochen der Motorsäge zum Opfer fallen. In diesem Jahr hat die neue Parkverwaltung beschlossen, auch in einigen Kernzonen des Nationalparks aktiv zu werden.

    Das ist Musik in den Ohren von Bürgermeister Antonin Schubert. Seine Gemeinde Modrava liegt im Herzen des Nationalparks. 200.000 Touristen kommen jedes Jahr. Ohne den grünen Böhmerwald werde Modrava nicht überleben.

    "Es ist besser kleine chirurgische Schnitte zu machen und in diesem Jahr 3000 Bäume zu fällen als im nächsten Jahr dann 30.000 Bäume. Der Borkenkäfer hat sich aus den Naturschutzzonen überall hin verbreitet. Damit muss Schluss sein sonst ist unser Wald bald vollständig kahl gefressen."

    Der Böhmerwald ist ein traditionelles Erholungsgebiet – ein Kleinod der Tschechen. Wer es sich leisten kann, hat dort ein Wochenendhaus. In den Ferien sind die Hotels und Pensionen ausgebucht. Doch die Idylle hat Risse bekommen.

    Renata und Vratislav schmieden neue Pläne. Die Nacht haben sie in einer Berghütte in der Nähe von Modrava verbracht. Jeden Tag gehen die Umweltaktivsten auf Streife durch das Naturschutzgebiet. Sie ketten sich an die Bäume um die Waldarbeiter zu stoppen, berichtet. Vratislav:

    "Es wird auch in Zonen abgeholzt die eigentlich durch das Gesetz geschützt sind. Die Natur kann sich aber selber heilen. Im Bayerischen Wald funktioniert dies seit 40 Jahren. Wir sind nicht dagegen den Borkenkäfer zu bekämpfen aber in die Naturschutzzonen darf der Mensch nicht eingreifen"

    Mehr als zwei Drittel aller Tschechen unterstützt jedoch laut Umfragen die neue Kahlschlagstrategie der Parkverwaltung. Renata hat auch deshalb ihren Glauben an eine politische Lösung verloren.

    "Die Ökologie hat bei uns keine große Tradition. Seit der Revolution vor 20 Jahren kämpfen nur wenige aktiv für den Schutz der Natur. Für die meisten sind wir immer noch sehr merkwürdige Leute. Es ist noch ein lange Weg bis zu einem Umweltbewusstsein wie in den Deutschland oder anderen Ländern."