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Streit um das Atomkraftwerk Cattenom

Seit Anfang der Woche liegen die Antragsunterlagen des französischen Elektrizitätskonzerns EDF im Saarland und in Rheinland-Pfalz aus, nach Protesten der Bundesregierung wurde die Frist für Einwendungen der Bevölkerung im deutschen Grenzraum bis Mitte Oktober verlängert. Die Menschen im Dreiländereck sind beunruhigt, insbesondere die Berufsfischer und alle, die im Fremdenverkehr ihr Auskommen finden. Georg Ohs, Präsident der Fischer Union West, klagt über behördliche Desinformation auch auf deutscher Seite:

Von Anke Petermann |
    Man geht von fehlerhaften Übersetzungen in den Offenlegungsplänen aus. Für uns ist es sehr schwer nachzuvollziehen, wenn in Luxemburg die Unterlagen schon seit dem 24.8., man hat detaillierte Informationen in deutscher und französischer Sprache aus dem Luxemburger Raum, es gibt eine Ständige Grenzfischereikommission, die sich austauschen könnte. Der Bürger hier, der nur 20 Kilometer Luftlinie von Cattenom entfernt wohnt, der mit und an der Mosel lebt, wird nicht informiert. Und die Verunsicherung, was an der Mosel passiert, wird immer größer.

    Nach dem Treffen der Umweltminister der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland mit dem Amtskollegen aus Luxemburg gestern Abend in Trier ist immerhin so viel klar: die Anrainerländer lehnen eine erhöhte Belastung der Mosel durch radioaktive Ableitungen kategorisch ab und infolgedessen auch die geplante Grenzwert-Erhöhung für Tritium um 25 %. Der radioaktive Wasserstoff ist zwar ein gering strahlendes Radionuklid, birgt aber, wenn er über Fisch oder Kleingarten-Bewässerung in die Nahrungskette gelangt, Gesundheitsrisiken. Die Erhöhung des Tritium-Grenzwertes habe rein vorsorglichen Charakter, kritisiert die Mainzer SPD-Umweltministerin Margit Conrad die Vorgehensweise der Kraftwerksbetreibers:

    Grund ist ein neues Abbrandverfahren, eine neue Auslastung von Brennelementen, dies bedarf meines Erachtens einer Extra-Genehmigung, und dann erst stellt sich die Frage, ob erhöhte Tritium-Grenzwerte notwendig und genehmigungsfähig sind.

    Das Bonbon, mit dem die Franzosen im Gegenzug winken, nämlich die Senkung der Grenzwerte für andere Radionuklide, lehnen die Mosel-Anrainer dankend ab. Denn auch die neuen Grenzwerte bleiben um ein Vielfaches höher als die tatsächlichen Einleitungen. Umweltschützer vermuten hinter dem beträchtlichen "Sicherheitsabstand" eine Art vorbeugendes Störfallmanagement – nach dem Motto: wenn die Werte großzügig genug sind, kann nichts schief gehen. "Die Franzosen kippen ihren Dreck in die Mosel, und nach 20 Flusskilometern ist das dann nicht mehr ihr Problem, sondern das Luxemburgs und Deutschlands", schimpft der Fischerei-Lobbyist Ohs. Die Mosel-Anrainer beunruhigt nicht nur die Aussicht auf eine höhere Strahlenfracht, mehr Borsäure, Schwermetalle und Chloride in dem ohnehin stark belasteten Fluss, sondern auch die vom Kraftwerksbetreiber anvisierte Erhöhung von Temperatur und PH-Wert für die Ableitungen:

    Bei 30 Grad kippt ein Wasser, bei PH-Wert 9 geht Ammonium in Ammoniak über, die Beastungswerte sind fast toxisch, das heißt ein Fischsterben ist, wenn diese beiden Faktoren zusammenkommen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit voraussehbar.

    Am 10. Oktober wird das Großherzogtum Luxemburg noch vor Deutschland eine Stellungnahme zu Cattenom vorlegen. Auf die Kriterien für eine abgestimmte Position haben sich die Umweltminister in Trier zuvor geeinigt. Die Verständigung war den dreien leicht gefallen, sie hatten alle schon mal in und gegen Cattenom demonstriert. Der Luxemburger Ressortchef Charles Goerens:

    Wir werden getreu dem Minimierungsgebot und dem Zugriff auf die best available technology unser Gutachten erstellen.

    Auch der Landkreis Trier-Saarburg will die knappe Zeit nutzen und Einwendungen im Cattenom-Verfahren formulieren. "Wenn das nicht hilft" , droht CDU-Landrat Richard Groß, " werden wir klagen":

    Wir sind entschlossen, mit allen Mitteln erhöhte Einleitungen zu verhindern, weil wir hören, dass die normalen, durchaus niedrigeren Einleitungen weit unterhalb der Grenzwerte um ein Vielfaches höher liegen als bei vergleichbaren deutschen Kernkraftwerken.

    Deutschland und Luxemburg wollen den EU-Partner Frankreich zunächst nicht mit Klage-Drohungen verprellen. Vorerst demonstrieren die zuständigen Spitzenpolitiker Zuversicht in den Willen der Franzosen, das Minimierungsgebot für Schadstoff-Emissionen zu beherzigen und bei einer Leistungssteigerung des Atomriesen Cattenom den neuesten Stand auch in der Umwelttechnologie umzusetzen.