Von wegen Bronzezeit: Ob mit Ochsenkarren, hoch zu Ross oder per pedes – schon damals – rund 1000 Jahre vor Christus – waren die Menschen auch über die Kontinente hinweg vernetzt. Das betraf erst recht den Handel mit begehrten Metallen wie Gold, Silber, Zinn und Kupfer, sagt Dr. Stefan Winghart, Präsident im Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Er sieht das heutige Norddeutschland in der Bronzezeit als ein "Durchgangsland" für Reisende:
"Gold ist das wertvollste Material, mit dem man handeln kann, zusammen vielleicht mit Bernstein. Es findet Austausch statt. Und genau hier in Niedersachsen findet eine solche Kreuzung der Wege zwischen Alpen und Skandinavien, zwischen den östlichen Gebieten und den atlantischen Gebieten statt. Im weitesten Sinne ist dieser Hort ein Beleg dieses Austausches des alten Europa, das lange nicht so primitiv gewesen ist, wie das heute gerne dargestellt wird, das - ähnlich wie im Mittelalter – über weit gestreute Kontakte vor allem der Eliten verfügt hat."
Der "Hort" umfasst 117 Goldstücke. 1,8 Kilogramm schwer. Gefunden vergangenes Jahr in der Gemarkung "Gessel" bei Syke, südlich von Bremen. Darunter filigrane Drähte, die möglicherweise "gezogen" statt "gehämmert" wurden. Eine Meisterleistung. Darauf verweisen elektronenmikroskopische Untersuchungen der Drahtoberfläche. Das Gold ist ganz sicher nicht auf germanischem Gebiet bearbeitet worden, urteilt Stefan Winghart. Und ganz sicher lagen auch die Minen, aus denen das Gold gewonnen wurde, woanders. Wo genau, über diese Frage ist nun ein erbitterter Streit unter den Experten entbrannt.
"Es ist insoweit ärgerlich – würde ich sagen – als wir ja noch gar keine Ergebnisse haben. Dass wir uns ganz am Anfang befinden und eigentlich überhaupt noch keine definitiven Äußerungen getroffen worden sind. Also insoweit besteht überhaupt kein Gegenstand zum wissenschaftlichen Disput."
Als der Chef der niedersächsischen Achäologen den Goldfund im Februar diesen Jahres zusammen mit seiner Chefin – der Wissenschaftsministerin Johanna Wanka – vorstellte, war von einer Sensation die Rede. Und davon, dass der Schatz womöglich aus "Zentralasien" stammen könnte. Auf diese Spur führte eine Analyse der sogenannten "Bleiisotope" in der anorganischen Chemie der Universität Hannover unter der Leitung von Professor Carla Voigt:
"Asien ist sehr groß. Und die Bleisiotopie passt sehr gut in den Bereich. Auch die Spurenelemente, die wir gefunden haben, passen zu einer ganzen Reihe anderer Goldobjekte, die beispielsweise aus dem persischen Gebiet zu der damaligen Zeit zum Beispiel in Form von Münzen generiert wurden. Wir haben aber noch nicht alle - beispielsweise europäischen -Goldquellen vergleichsweise untersucht. Das sind also Dinge, die noch ausstehen in unserer Arbeit, sodass wir das als ersten Anhalt haben, dass es ein mittelasiatisches Objekt sein könnte. Aber wir müssen im Verlaufe der nächsten Monate auch noch eine Reihe anderer Goldobjekte der Quellen untersuchen, um ausschließen zu können, dass diese Objekte aus Europa kommen."
Tatsächlich lagen viele Goldminen der Bronzezeit in mittelasiatischen Ländern wie Afghanistan, Kasachstan oder Usbekistan. Als diese Adressen öffentlich geäußert wurden, erfolgte ein Aufschrei von Experten. Am Curt-Engelhorn-Centrum für Archäometrie in Mannheim arbeitet Ernst Pernicka – anerkannt durch seine Untersuchungen an der Himmelsscheibe von Nebra. Sein Urteil zur Herkunft des Goldes: "hoch spekulativ". Mit einem Expertenkolloquium versuchte das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege jetzt, die Gemüter zu beruhigen. Doch für Professor Pernicka haben die Zweifel eher noch zugenommen. Für Münzen, so sein Argument, sei oftmals Altmetall verwendet worden, das heißt, ein Vergleich des Gesseler Goldes mit alten Münzen sei "absolut unzureichend", um die Herkunft zu klären. In Hannover wiederum kann man die Kritik nicht verstehen, habe man doch immer nur von der Möglichkeit einer zentralasiatischen Herkunft gesprochen. Noch einmal Carla Vogt:
"Das ist eben kein eindeutiger Schluss, sondern es heißt damit nur, das die Möglichkeit besteht. Wenn man jetzt eine eindeutige Schussfolgerung daraus ziehen möchte, ob dieses Gold wirklich aus identischer Quelle ist, muss man alle anderen potenziell infrage kommenden Goldquellen, die zur gleichen Zeit im Einsatz waren, ebenfalls untersucht haben. Und das ist eben das Schwierige daran. Das ist fast unmöglich."
Im November vergangenes Jahr schloss die Universität Hannover einen Kooperationsvertrag mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Demnach soll künftig das Uniinstitut für Anorganische Chemie die Echtheit, die Herkunft und das Alter der Fundobjekte aus Niedersachsen überprüfen. Seit fünf Jahren schon spezialisiert sich das Labor in Hannover auf archäometrische Fragestellungen. Die Chemiker verfügen über millionenschwere Geräte, mit denen mehr als 20 Begleitelemente des Goldes mit nie dagewesener Präzision bestimmt werden können. Doch sie stehen vor dem Problem, dass viele antike Goldminen in Mittelasien und auch anderswo vollständig ausgebeutet wurden. Das heißt: Gold aus der Originalquelle, das man mit dem Goldfund von Gessel vergleichen könnte, ist vielleicht gar nicht mehr vorhanden. Bislang ist ohnehin nur ein Goldstück aus Gessel analysiert worden. Ob auch die anderen 116 Fundstücke eine ähnliche Zusammensetzung haben, ebenfalls mit einem Fingerzeig auf Zentralasien, das steht noch in den Sternen. Drei Jahre sollen die Analysen noch dauern, so Stefan Winghart:
"Natürlich wird eine Äußerung wie beispielsweise Zentralasien, die natürlich sensationell wäre, gerne aufgegriffen. Und wir können uns vielleicht mangelnde Vorsicht in der Richtung uns selbst vorwerfen. Aber in der Tat haben wir nie gesagt, dass irgendeine gesicherte Erkenntnis da wäre, dass also die Sensation als solche da wäre. In einer gewissen Euphorie ist vielleicht ein Hinweis, der an einer Probe letztendlich genommen worden ist, gesagt worden. Aber nie ist behauptet worden, dass hier eine Herkunft bereits gesichert wäre. Dazu sind wir noch viel zu sehr am Anfang."
"Gold ist das wertvollste Material, mit dem man handeln kann, zusammen vielleicht mit Bernstein. Es findet Austausch statt. Und genau hier in Niedersachsen findet eine solche Kreuzung der Wege zwischen Alpen und Skandinavien, zwischen den östlichen Gebieten und den atlantischen Gebieten statt. Im weitesten Sinne ist dieser Hort ein Beleg dieses Austausches des alten Europa, das lange nicht so primitiv gewesen ist, wie das heute gerne dargestellt wird, das - ähnlich wie im Mittelalter – über weit gestreute Kontakte vor allem der Eliten verfügt hat."
Der "Hort" umfasst 117 Goldstücke. 1,8 Kilogramm schwer. Gefunden vergangenes Jahr in der Gemarkung "Gessel" bei Syke, südlich von Bremen. Darunter filigrane Drähte, die möglicherweise "gezogen" statt "gehämmert" wurden. Eine Meisterleistung. Darauf verweisen elektronenmikroskopische Untersuchungen der Drahtoberfläche. Das Gold ist ganz sicher nicht auf germanischem Gebiet bearbeitet worden, urteilt Stefan Winghart. Und ganz sicher lagen auch die Minen, aus denen das Gold gewonnen wurde, woanders. Wo genau, über diese Frage ist nun ein erbitterter Streit unter den Experten entbrannt.
"Es ist insoweit ärgerlich – würde ich sagen – als wir ja noch gar keine Ergebnisse haben. Dass wir uns ganz am Anfang befinden und eigentlich überhaupt noch keine definitiven Äußerungen getroffen worden sind. Also insoweit besteht überhaupt kein Gegenstand zum wissenschaftlichen Disput."
Als der Chef der niedersächsischen Achäologen den Goldfund im Februar diesen Jahres zusammen mit seiner Chefin – der Wissenschaftsministerin Johanna Wanka – vorstellte, war von einer Sensation die Rede. Und davon, dass der Schatz womöglich aus "Zentralasien" stammen könnte. Auf diese Spur führte eine Analyse der sogenannten "Bleiisotope" in der anorganischen Chemie der Universität Hannover unter der Leitung von Professor Carla Voigt:
"Asien ist sehr groß. Und die Bleisiotopie passt sehr gut in den Bereich. Auch die Spurenelemente, die wir gefunden haben, passen zu einer ganzen Reihe anderer Goldobjekte, die beispielsweise aus dem persischen Gebiet zu der damaligen Zeit zum Beispiel in Form von Münzen generiert wurden. Wir haben aber noch nicht alle - beispielsweise europäischen -Goldquellen vergleichsweise untersucht. Das sind also Dinge, die noch ausstehen in unserer Arbeit, sodass wir das als ersten Anhalt haben, dass es ein mittelasiatisches Objekt sein könnte. Aber wir müssen im Verlaufe der nächsten Monate auch noch eine Reihe anderer Goldobjekte der Quellen untersuchen, um ausschließen zu können, dass diese Objekte aus Europa kommen."
Tatsächlich lagen viele Goldminen der Bronzezeit in mittelasiatischen Ländern wie Afghanistan, Kasachstan oder Usbekistan. Als diese Adressen öffentlich geäußert wurden, erfolgte ein Aufschrei von Experten. Am Curt-Engelhorn-Centrum für Archäometrie in Mannheim arbeitet Ernst Pernicka – anerkannt durch seine Untersuchungen an der Himmelsscheibe von Nebra. Sein Urteil zur Herkunft des Goldes: "hoch spekulativ". Mit einem Expertenkolloquium versuchte das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege jetzt, die Gemüter zu beruhigen. Doch für Professor Pernicka haben die Zweifel eher noch zugenommen. Für Münzen, so sein Argument, sei oftmals Altmetall verwendet worden, das heißt, ein Vergleich des Gesseler Goldes mit alten Münzen sei "absolut unzureichend", um die Herkunft zu klären. In Hannover wiederum kann man die Kritik nicht verstehen, habe man doch immer nur von der Möglichkeit einer zentralasiatischen Herkunft gesprochen. Noch einmal Carla Vogt:
"Das ist eben kein eindeutiger Schluss, sondern es heißt damit nur, das die Möglichkeit besteht. Wenn man jetzt eine eindeutige Schussfolgerung daraus ziehen möchte, ob dieses Gold wirklich aus identischer Quelle ist, muss man alle anderen potenziell infrage kommenden Goldquellen, die zur gleichen Zeit im Einsatz waren, ebenfalls untersucht haben. Und das ist eben das Schwierige daran. Das ist fast unmöglich."
Im November vergangenes Jahr schloss die Universität Hannover einen Kooperationsvertrag mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Demnach soll künftig das Uniinstitut für Anorganische Chemie die Echtheit, die Herkunft und das Alter der Fundobjekte aus Niedersachsen überprüfen. Seit fünf Jahren schon spezialisiert sich das Labor in Hannover auf archäometrische Fragestellungen. Die Chemiker verfügen über millionenschwere Geräte, mit denen mehr als 20 Begleitelemente des Goldes mit nie dagewesener Präzision bestimmt werden können. Doch sie stehen vor dem Problem, dass viele antike Goldminen in Mittelasien und auch anderswo vollständig ausgebeutet wurden. Das heißt: Gold aus der Originalquelle, das man mit dem Goldfund von Gessel vergleichen könnte, ist vielleicht gar nicht mehr vorhanden. Bislang ist ohnehin nur ein Goldstück aus Gessel analysiert worden. Ob auch die anderen 116 Fundstücke eine ähnliche Zusammensetzung haben, ebenfalls mit einem Fingerzeig auf Zentralasien, das steht noch in den Sternen. Drei Jahre sollen die Analysen noch dauern, so Stefan Winghart:
"Natürlich wird eine Äußerung wie beispielsweise Zentralasien, die natürlich sensationell wäre, gerne aufgegriffen. Und wir können uns vielleicht mangelnde Vorsicht in der Richtung uns selbst vorwerfen. Aber in der Tat haben wir nie gesagt, dass irgendeine gesicherte Erkenntnis da wäre, dass also die Sensation als solche da wäre. In einer gewissen Euphorie ist vielleicht ein Hinweis, der an einer Probe letztendlich genommen worden ist, gesagt worden. Aber nie ist behauptet worden, dass hier eine Herkunft bereits gesichert wäre. Dazu sind wir noch viel zu sehr am Anfang."