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Streit um die rechte Gesinnung eines Burschenschaftlers

Christian Becker und Norbert Weidner sind Bundesbrüder, sogenannte "alte Herren" in der Burschenschaft der Raczeks zu Bonn. Doch ihre persönliche Verbindung ist nicht mehr brüderlich. Sie stehen sich vor Gericht gegenüber. Der eine will dem anderen verbieten, ihn als Kopf einer rechtsextremen Bewegung zu bezeichnen.

Von Monika Dittrich | 05.07.2012
    Christian Becker wirkt nicht gerade wie der Beklagte. Schon eine Stunde vor Verhandlungsbeginn ist er ins Bonner Landgericht gekommen, um Journalistenfragen zu beantworten.

    "Ich habe ganz einfach beschlossen, dass wir den Nazis unsere 200 Jahre alte Verbindung nicht überlassen."

    Fröhlich und entschlossen spricht er druckreife Sätze in Mikrofone und Kameras, lässt sich fotografieren und filmen. Es ist, als käme ihm die Klage gerade recht - um sein Thema voranzubringen.

    "Ich bekenne hier heute Farbe, erstens als Burschenschafter. Und zweitens als Burschenschafter, der sich gegen rechtsextreme Tendenzen einsetzt."

    Im dunklen Anzug steht er da, mit roter Krawatte, darüber das Burschenschaftsband. Am Revers trägt er ein durchgestrichenes Hakenkreuz. Er habe keinen Bock mehr auf Nazis in den Burschenschaften, sagt Becker. Unter den knapp 10.000 Burschenschaftern in Deutschland vermutet er 1.500 Rechtsextreme. Gegen die wolle er etwas tun, mit seiner Initiative "Burschenschafter gegen Neonazis" und mit seinem Internetblog "Quovadisbuxe". Dort hatte er seinen Bundesbruder Norbert Weidner als Kopf einer rechtsextremen Bewegung aus Burschenschaften, Kameradschaften und NPD-Kadern bezeichnet. Weidner plane den Aufbau einer rechtsextremen Studentenpartei und habe zudem Beckers E-Mails gehackt. Genau diese Behauptungen will Weidner nun verbieten lassen.

    Doch sein Auftritt im Bonner Landgericht ist nicht der des selbstbewussten Klägers. Mit schwarzer Sonnenbrille und Zeitung vor dem Gesicht eilt er in den Gerichtssaal, eskortiert von einigen jüngeren Raczeks, auch sie verdecken ihre Gesichter. Kein Wort zu den Journalisten. Und auch die Verhandlung deutet eine Niederlage an: Der Vorsitzende Richter lässt erkennen, dass er die Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt sieht. Weidners Anwalt Björn Clemens, früher ein führender Republikaner, wirft dem Gericht vor, aufgrund des Zeitgeistes zu entscheiden:

    "Es ist ja in solchen Prozessen immer der Fall, dass Gerichte dazu neigen, die politische Komponente hervorzuziehen, und wahrscheinlich in der Öffentlichkeit auch nicht als jemand dastehen wollen, der einem – in Anführungszeichen – Rechten stattgeben will."

    Einzig im dritten Punkt, bei dem es um den Vorwurf einer gehackten E-Mail geht, dürfte Weidner mit seiner Unterlassungsklage Recht bekommen. Ein schriftliches Urteil soll nächste Woche ergehen. Nach dem Termin vor Gericht ist Weidner dann doch zu einem telefonischen Interview mit dem Deutschlandfunk bereit:

    "Es gibt keine Bewegung, die aus Burschenschaften, NPD und Kameradschaften besteht. Das ist Punkt eins. Und zweitens bin ich auch nicht der Kopf davon. Tut mir leid: Ich kenne NPD-Leute nicht. Das ist völliger Quatsch, das ist völlig absurd."

    Er sei freiheitlich-konservativ eingestellt, sagt Weidner über sich selbst, und FDP-Mitglied.

    Die FDP allerdings will ihn loswerden und hat bereits ein Parteiausschlussverfahren auf den Weg gebracht. Denn auch dort ist Weidners rechte Vergangenheit bekannt: Wiking-Jugend, Strippenzieher in der militanten Neonazi-Szene, Karriere in der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei FAP. Als die FAP 1995 verboten wird, verlässt Weidner nach eigener Aussage die rechtsextreme Szene und schlägt eine neue Laufbahn ein: Studium an der Fachhochschule, Bursche bei den Raczeks, Vorstandsmitglied in der Deutschen Burschenschaft, die nun auch sein Arbeitgeber ist.

    Weidner ist Chefredakteur der Verbandszeitschrift, der "Burschenschaftlichen Blätter". Jahreseinkommen: 23.000 Euro. Doch sein Name gerät immer wieder in die Schlagzeilen. Etwa, weil er den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter bezeichnet hat. Und die Raczeks waren es auch, die im vergangenen Jahr eine Mannheimer Burschenschaft aus dem Dachverband der Burschenschaften ausschließen wollten, weil diese einen chinesisch-stämmigen Studenten aufgenommen hatte.

    "Als wir in Spiegel Online lesen mussten, dass meine Verbindung den Antrag stellt, dass nur noch Arier Burschenschafter werden sollen, da sind wir aus allen Wolken gefallen."

    Sagt Christian Becker, für den die Angelegenheit das Fass zum Überlaufen brachte. Er und seine Kameraden hätten schon viel zu lange zugeschaut, wie die Burschenschaften von rechts unterwandert würden:

    "Sie haben völlig Recht mit dem Vorwurf, den machen wir uns weiterhin, den machen wir auch 8500 liberalen Burschenschaftern, dass wir ungefähr 40 Jahre lang gewartet haben, gegen dieses Problem vorzugehen."

    Becker lebt in Hamburg und führt eine eigene PR-Agentur. In den achtziger Jahren studierte er Ernährungswissenschaften in Bonn und wohnte in dem Verbindungshaus der Raczeks. Demokratieversessen und liberal seien sie damals gewesen, erzählt er. Und er kämpfe dafür, dass die Raczeks wieder so werden. Die allerdings wollen Becker gerne loswerden und aus ihrer Burschenschaft ausschließen.