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Streit um die "Viertelparität"
Studenten wollen mitentscheiden

An der TU Berlin wird in diesen Tagen über die "Viertelparität" abgestimmt. Setzt sie sich durch, bekommen Studenten mehr Mitspracherecht. Ob das immer für alle von Vorteil ist, darüber wird nicht nur in Berlin heftig diskutiert.

Von Verena Kemna | 06.07.2016
    Studierende der Georg-August-Universität in Göttingen sitzen in einem Hörsaal.
    Der Asta möchte, dass die Stimme der Studenten mehr Gewicht im "Erweiterten Akademischen Senat" bekommt. (dpa / picture alliance / Swen Pförtner)
    Was ist die Stimme eines Hochschullehrers, eines Studierenden, eines wissenschaftlichen oder sonstigen Mitarbeiters wert? An der Technischen Universität Berlin wird darüber seit Jahren gestritten. Vor allem bei der Stimmverteilung im wichtigsten Gremium, dem sogenannten "Erweiterten Akademischen Senat", scheiden sich die Geister. Da seien laut Allgemeinem Studierendenausschuss Asta 34.000 Studierende mit gerade einmal 10 von 61 Sitzen vertreten. Die fast 700 TU-Professoren hätten dagegen mit 31 Sitzen die Mehrheit. Asta-Sprecher Benjamin Bisping: "Jetzt gerade geht es ja um die Zusammensetzung des Erweiterten Akademischen Senats, der beschließt die Grundordnung und wählt den Präsidenten. Was man sich vor allem erhofft, ist, dass, wer auch immer in Zukunft Präsident werden will, dann stark um Stimmen werben muss bei Studierenden."
    Die sogenannte Viertelparität würde den Rückhalt der künftigen Unileitung stärken, meint Asta-Sprecher Bisping. "Die breite Masse der Studierenden hat ja zurzeit wenig zu tun mit dem, was in den Gremien läuft. Nur, dahin geht ja gerade diese Initiative, dass man sagt, die Studierenden sollten mehr Gewicht erhalten, damit auch mehr Studierende damit zu tun haben und es eine stärkere Rückkoppelung in die Studierendenschaft gibt."
    Professoren befürchten schlechteres Arbeitsklima
    Genau das Gegenteil würde eintreten, meint dagegen Stephan Völker. Er und andere Professoren beschreiben in einem offenen Brief das akademische Leben als freundlich und engagiert. Sollte aber die Stimmverteilung künftig zu Ungunsten der Professoren ausfallen, befürchtet Stephan Völker ein schlechtes Arbeitsklima. Die meisten Professoren würden eine Änderung nicht nur als Entmachtung, sondern als Missachtung ihrer bisherigen Leistung verstehen. Ein Schlag ins Gesicht für engagierte Hochschullehrer - eine Gefahr für den lebendigen Dialog mit den Studierenden.
    "All dies haben wir da, dass die Studierenden sich aktiv beteiligen, dass wir sprechen darüber, wie optimal sind Studienabläufe, was muss wo geändert werden. Wir sind im regelmäßigen Prozess und all das droht einfach zu versiegen, weil ich befürchte, dass sich viele Kollegen, die sich bisher zusammen mit den Studierenden engagiert eingebracht haben, zurückziehen werden."
    Im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen können sich Hochschulen seit zwei Jahren für mehr Stimmrechte der Studierenden in den Gremien entscheiden. Holger Burckhart, Rektor der Universität Siegen, erlebt in seinem Haus seitdem, Zitat, "interessantere" Abstimmungsprozesse. Lange bevor Entscheidungen fallen, würden alle Uni-Angehörigen, vom Professor bis zum wissenschaftlichen Mitarbeiter einbezogen. Ein positiver Effekt, doch die Hoffnung der Studierenden auf mehr Engagement an der Basis hätte sich nicht erfüllt.
    "Es hat für die Studierenden keinen Effekt gehabt, es hat vor allen Dingen nicht den von den Studierenden erhofften Effekt gehabt, den ich mir auch erhofft hatte, eine stärkere Beteiligung auch jenseits des Erweiterten Akademischen Senats in den Fachschaften etc."
    Kultur der Teilhabe statt verfeindete Lager
    Vor allem in Nordrhein-Westfalen und Bremen würde das Thema derzeit diskutiert. Die Berliner TU sei mit der emotional aufgeheizten Diskussion um die Viertelparität eher eine Ausnahme in der Hochschullandschaft. Sein Fazit: Die Hochschule profitiert nicht von verfeindeten Lagern, sondern von einer Kultur der Teilhabe. Genau dafür will sich TU-Präsident Christian Thomsen künftig noch mehr einsetzen.
    "Was mir noch klarer geworden ist als früher, dass es nicht um die formale Partizipation in Form einer Viertelparität gehen kann. Das kann eine Hochschule nicht weiterbringen, auch die Nichtbeschließung würde die Uni nicht weiter bringen. Wie anfänglich gesagt, denke ich schon, dass die TU Berlin sehr partizipativ ist, aber natürlich kann man das verbessern, da werde ich mir Mühe geben."
    Wenn heute zugestimmt wird, bedeutet das allerdings noch nicht die Einführung der Viertelparität. Es kommt darauf an, wie nächste Woche das Kuratorium entscheidet.