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Streit um die Wurst

Für die Rumänen geht es um die Wurst. Genauer gesagt: um die Hackfleischwürstchen Mici, eine Art Cevapcici. Mici sind Nationalgericht in Rumänien, aber EU-Verbraucherschützer wollen sie jetzt verbieten. Das lassen sich die Bürger nicht ohne Weiteres gefallen.

Von Thomas Wagner |
    Lustig brutzeln sie auf dem Gasgrill vor sich hin: Vier längliche Hackfleisch-Röllchen. Diese Leib- und Magen-Speise vieler Rumänen hat einen Namen: Mici. Und diese Mici haben es in sich.

    "Schweinefleisch, Rindfleisch, Zwiebeln, Knoblauch, Kondiment."

    In der "Fabrica de Bere Timisoara", also in der sogenannten "Bierfabrik" im westrumänischen Temeswar, legt Köchin Silvia Icobescu immer und immer wieder die kleinen Hackfleisch-Teilchen auf den Grill. Die "Mici" gelten als rumänische Nationalspeise, die man gerne auch zwischendurch, bei einem Bier, mit ein wenig Senf in launiger Atmosphäre verspeist. Dagegen hätten die Lebensmittelexperten der Europäischen Union ja auch überhaupt nichts einzuwenden, wenn es da nicht noch etwas gäbe, was sie in den kleinen Hackfleisch-Röllchen ausgemacht haben - und was dort ihrer Meinung nach überhaupt nicht hineingehört: Backpulver oder, wie die Rumänen sagen: "Bicarbonat de Sodiu."

    Ohne dieses "Bicarbonat de Sodiu", also ohne dieses Backpulver, lassen sich keine Mici herstellen. Dieses Backpulver ist unverzichtbarer Bestandteil unserer Mici, sagt Andrei Rein, seit Jahrzehnten Gastwirt im rumänischen Temeswar und Mici-Experte durch und durch. Was den Rumänen durch den Magen geht, ist aber der Europäischen Union ein Dorn im Auge: Fleischteilchen, die nur durch Backpulver zusammengehalten werden und dadurch ihre typische Elastizität gewinnen - das ist den Lebensmittelexperten in Brüssel überaus suspekt. Backpulver in einem Fleischgericht - das sei eine "unerwünschte Beigabe", befanden die Experten - und machten kurzen Prozess: Mit den Mici soll es ein Ende haben. Der Verbraucher, auch der rumänische, müsse vor dieser "unerwünschten Beigabe" geschützt werden, heißt es zur Begründung des Mici-Verbotes. Das Problem ist bloß: Der rumänische Verbraucher will, wenn es um die Mici geht, eigentlich gar nicht von der EU beschützt werden.

    "Unsere Mici verbieten? Also das geht gar nicht. Die sind doch Bestandteil der rumänischen Kultur! Also ich bin gegen ein Verbot."

    "Also dieses Mici verbieten, das geht ja ganz klar gegen die persönliche Freiheit. Und wenn jemand Mici essen will, dann ist es ganz sicher seine Entscheidung."

    "Mici schmecken lecker. Aber für den Organismus sind sie vielleicht nicht so gut. Aber ein Verbot? Dagegen spricht doch fast alles."

    Und so ist die rumänische Volksseele wegen des geplanten Mici-Verbotes aus Brüssel mächtig in Aufruhr geraten, übrigens nicht zum ersten Mal. Denn immer mal wieder tun sich die EU-Vertreter schwer mit der Umsetzung von EU-Lebensmittelrichtlinien in Rumänien. Werner Kremm ist Redaktionschef der deutschsprachigen "Banater Zeitung" und erinnert sich an einen Fall, der schon seit Jahren zurückliegt:

    "Die EU wollte die traditionelle Hausschlachtung, das heißt mit dem Schlachtmesser das Schwein ums Leben bringen und dann, wie man es hier gewohnt ist, mit Stroh die Borsten versengen und dann eben halbieren und weiterschlachten, das wollte man verbieten."

    Das gelang aber nur zum Teil: In den großen kommerziellen Schlachtbetrieben werden die Normen zwar beachtet: Bevor der Metzger EU-konform mit dem Messer zusticht, werden die Schweine betäubt. Doch auf dem flachen Land ist, so Werner Kremm, trotz EU-Intervention alles beim Alten geblieben:

    "Man schlachtet weiterhin auf der traditionellen Art, also überhaupt kein Kompromiss. Wir reden von der Hausschlachtung. Denn immer noch ist Rumänien ein Staat, in dem 40 Prozent der Bevölkerung auf dem Land leben und wo ein guter Teil dieser 40 Prozent das eigene Schwein im eigenen Schweinekoben züchtet, um es dann im Herbst, zum sogenannten 'Heiligen Ignatius', also knapp vor Weihnachten, zu schlachten."

    So könnte auch die pragmatische Lösung in der strittigen Hackfleisch-Würstchenfrage aussehen. Die rumänische Regierung unter Ministerpräsident Victor Ponta hat angekündigt, die Mici zur sogenannten "regionalen Spezialität" erklären zu lassen. Dann dürften sie weiterhin nach althergebrachter Rezeptur hergestellt werden. Der rumäniendeutsche Journalist Werner Kremm glaubt dagegen, dass wieder eine pragmatische Lösung ins Haus steht, so ähnlich wie bei den Hausschlachtungen:

    "Der Kompromiss in Sachen Mici dürfte ähnlich aussehen. Die Großproduktion in den Großhandelsketten dürfte gestoppt werden, während die kleinen Produzenten, also beispielsweise die Gastwirte, in der traditionellen Art weitermachen werden."

    Dem stimmt auch Gastwirt Andrei Rein zu, der fest entschlossen ist, auch weiterhin hausgemachte Mici anzubieten. Seine Begründung:

    "Mein Schwiegervater ist 83 Jahre alt. Und er hat sein ganzes Leben Mici gegessen. Und Sie mögen es glauben oder nicht: Der Mann ist immer noch quietschfidel."