Paul Tuybens blättert in einem dicken Aktenordner. Nüchtern kommentiert der pensionierte Flugzeugmechaniker im Brüsseler Vorort Rixensart vergilbte Dokumente.
In Frühjahr 1943 wurde der damals Zwanzigjährige in Brüssel verhaftet. Er war wiederholten Befehlen, sich zum verpflichteten Arbeitseinsatz in Deutschland zu melden, nicht nachgekommen. Die Gestapo brachte ihn nach Berlin-Weißensee. Dort musste er in den Askania-Werken U-Boot-Teile reparieren. Untergebracht waren er und die anderen Zwangsarbeiter in Baracken auf dem Fabrikshof. Das Werk wurde ausgebombt. Paul Tuybens kam in das Konzentrationslager Beendorf bei Helmstedt. In den Salzstollen von "Schacht Maria" wurde er bei der streng geheim gehaltenen Waffen- und Munitionsproduktion eingesetzt. Die Lebensumstände waren erbärmlich. Täglich zwölf Stunden schuftete er in der Hitze unter Tage. Danach fror er oft: Zwangsarbeiter bekamen keine Strümpfe, keine Winterkleidung, keine Bettdecken. Die Baracken wurden nie geheizt. Er litt auch Hunger:
" Wir bekamen pro Tag 125 Gramm Brot, eine Schüssel Suppe. Na ja, Suppe, das war eine dünne, durchsichtige Brühe. Morgens gab's eine Tasse Malzkaffee, ohne Zucker, ohne Milch."
Für die Arbeit bezahlt wurde Paul Tuybens allerdings nicht.
Im Mai 1945 kam Paul Tuybens ausgemergelt und schwer krank nach Belgien zurück. Er wurde offiziell als deportierter Zwangsarbeiter anerkannt. Deshalb bekommt er seit seiner Pensionierung eine deutsche Rente: 43 Euro pro Monat:
" Zum Glück rauche ich nicht (lacht). 43 Euro würden gerade für die Streichhölzer reichen (lacht)."
Ein Zeitungsartikel machte Tuybens im Jahr 2000 auf die Möglichkeit aufmerksam, von der "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" eine Entschädigung zu bekommen. Gewisse Dokumente, insbesondere über die Zeit im geheimen KZ Beendorf, konnte er nicht beschaffen. Seine Geschichte wurde allerdings als "plausibel und glaubwürdig" eingeschätzt. Dennoch wurde sein Antrag letztlich abgewiesen. Diese bittere Erfahrung haben tausende belgischer Zwangsarbeiter gemacht. Senator Philippe Mahoux, der vielen geholfen hat, regt sich über das Verfahren auf:
" Man verlangte von den Opfern, bei ihrem Arbeitgeber, also einer deutschen Rüstungsfirma, die sie zur Arbeit gezwungen hatte, einen Nachweis zu beschaffen. Das ist für Opfer von Schergen sehr erniedrigend und deshalb völlig inakzeptabel."
David De Neef, Vorstandsmitglied von Belgiens "Nationaler Föderation der deportierten Zwangsarbeiter", verfügte über alle Bescheinigungen. Er war von seinem deutschen Arbeitgeber, einem Kartonimporteur, zwischen 1942 und 1945 bezahlt worden. Deshalb bezieht er heute eine kleine deutsche Rente. Im Unterschied zu Paul Tuybens wurde er nach einem Berufungsverfahren von der "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" zusätzlich entschädigt. Er habe einfach Glück gehabt, meint er, weil die Stiftung im Sommer 2001 die Spielregeln gründlich verändert hatte:
" Ich habe selber festgestellt, dass osteuropäische Zwangsarbeiter mühelos eine Entschädigung bekamen. Ich kenne einige polnische und tschechische Zwangsarbeiterinnen, die nach dem Krieg Belgier geheiratet haben und hier wohnen. Ihren Anträgen wurde unverzüglich stattgegeben."
Für alle Abgewiesenen hat sich die "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" einen Trostpreis ausgedacht. Ein belgisch-deutsches Versöhnungskomité soll eine Strategie entwickeln, um das Unrecht, das den Zwangsarbeiter, zugefügt worden ist, "moralisch anzuerkennen". Senator Philippe Mahoux betont, dass zurzeit noch nicht einmal die Gründung des Komités vorbereitet wird. Für Paul Tuybens ist das auch nicht nötig. Der alte Mann ist bitter, resigniert und angewidert.
In Frühjahr 1943 wurde der damals Zwanzigjährige in Brüssel verhaftet. Er war wiederholten Befehlen, sich zum verpflichteten Arbeitseinsatz in Deutschland zu melden, nicht nachgekommen. Die Gestapo brachte ihn nach Berlin-Weißensee. Dort musste er in den Askania-Werken U-Boot-Teile reparieren. Untergebracht waren er und die anderen Zwangsarbeiter in Baracken auf dem Fabrikshof. Das Werk wurde ausgebombt. Paul Tuybens kam in das Konzentrationslager Beendorf bei Helmstedt. In den Salzstollen von "Schacht Maria" wurde er bei der streng geheim gehaltenen Waffen- und Munitionsproduktion eingesetzt. Die Lebensumstände waren erbärmlich. Täglich zwölf Stunden schuftete er in der Hitze unter Tage. Danach fror er oft: Zwangsarbeiter bekamen keine Strümpfe, keine Winterkleidung, keine Bettdecken. Die Baracken wurden nie geheizt. Er litt auch Hunger:
" Wir bekamen pro Tag 125 Gramm Brot, eine Schüssel Suppe. Na ja, Suppe, das war eine dünne, durchsichtige Brühe. Morgens gab's eine Tasse Malzkaffee, ohne Zucker, ohne Milch."
Für die Arbeit bezahlt wurde Paul Tuybens allerdings nicht.
Im Mai 1945 kam Paul Tuybens ausgemergelt und schwer krank nach Belgien zurück. Er wurde offiziell als deportierter Zwangsarbeiter anerkannt. Deshalb bekommt er seit seiner Pensionierung eine deutsche Rente: 43 Euro pro Monat:
" Zum Glück rauche ich nicht (lacht). 43 Euro würden gerade für die Streichhölzer reichen (lacht)."
Ein Zeitungsartikel machte Tuybens im Jahr 2000 auf die Möglichkeit aufmerksam, von der "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" eine Entschädigung zu bekommen. Gewisse Dokumente, insbesondere über die Zeit im geheimen KZ Beendorf, konnte er nicht beschaffen. Seine Geschichte wurde allerdings als "plausibel und glaubwürdig" eingeschätzt. Dennoch wurde sein Antrag letztlich abgewiesen. Diese bittere Erfahrung haben tausende belgischer Zwangsarbeiter gemacht. Senator Philippe Mahoux, der vielen geholfen hat, regt sich über das Verfahren auf:
" Man verlangte von den Opfern, bei ihrem Arbeitgeber, also einer deutschen Rüstungsfirma, die sie zur Arbeit gezwungen hatte, einen Nachweis zu beschaffen. Das ist für Opfer von Schergen sehr erniedrigend und deshalb völlig inakzeptabel."
David De Neef, Vorstandsmitglied von Belgiens "Nationaler Föderation der deportierten Zwangsarbeiter", verfügte über alle Bescheinigungen. Er war von seinem deutschen Arbeitgeber, einem Kartonimporteur, zwischen 1942 und 1945 bezahlt worden. Deshalb bezieht er heute eine kleine deutsche Rente. Im Unterschied zu Paul Tuybens wurde er nach einem Berufungsverfahren von der "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" zusätzlich entschädigt. Er habe einfach Glück gehabt, meint er, weil die Stiftung im Sommer 2001 die Spielregeln gründlich verändert hatte:
" Ich habe selber festgestellt, dass osteuropäische Zwangsarbeiter mühelos eine Entschädigung bekamen. Ich kenne einige polnische und tschechische Zwangsarbeiterinnen, die nach dem Krieg Belgier geheiratet haben und hier wohnen. Ihren Anträgen wurde unverzüglich stattgegeben."
Für alle Abgewiesenen hat sich die "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" einen Trostpreis ausgedacht. Ein belgisch-deutsches Versöhnungskomité soll eine Strategie entwickeln, um das Unrecht, das den Zwangsarbeiter, zugefügt worden ist, "moralisch anzuerkennen". Senator Philippe Mahoux betont, dass zurzeit noch nicht einmal die Gründung des Komités vorbereitet wird. Für Paul Tuybens ist das auch nicht nötig. Der alte Mann ist bitter, resigniert und angewidert.