Donnerstag, 25. April 2024

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Streit um griechische Heilige
Kulturgut oder Kirchentradition?

Die griechischen Brüder Konstantin und Michael wurden als die Heiligen Kyrill und Method bekannt. Bei einem Kongress in Thessaloniki kam es nun zum Streit um das Erbe der Stadtheiligen.

Von Marianthi Milona | 05.01.2014
    Ein wenig stickig ist es im Amphitheater Melina Merkouri gewesen. Der elegante Vortragssaal im Gebäude des Byzantinischen Museums von Thessaloniki war bis zum letzten Platz ausgefüllt. Während die Zuhörer mehr über die Reise von Kyrill und Method im 8. Jahrhundert nach Morawien, zu deutsch: Großmähren, erfahren wollten, hatte Bürgermeister Yiannis Boutaris mit der Organisation eines solchen Kongresses ein anderes Ziel.
    "Wir nutzen die Gelegenheit des Kongresses, um Thessaloniki im Osten als attraktives Reiseziel zu präsentieren und hoffen auf positive Resonanz auch, aber nicht nur für den religiösen Tourismus."
    Womit er den Patriarchen von Thessaloniki, Anthimos, verärgerte, der bei der Eröffnung des Kongresses, sichtbar beleidigt, sagte:
    "Ich fühle mich verpflichtet, die Wahrheit zu sprechen. Ein Kongress zu Kyrill und Method ist eine tolle Sache und ich wünsche sogar viel Erfolg bei der Durchführung. Aber: Es hätte dazu vorweg eine Messe eingeplant werden müssen. In der Kirche zum Heiligen Kyrill und Method in Thessaloniki. Damit das Vorhaben auch eine direkte Verbindung zu ihrem religiösen Wirken, ihrem Glaubenswerk, ihrer Aufopferung und ihren Leidensweg für den Glauben durch die slawischen Länder erhält. "
    Damit war der Streit da und wieder einmal die Frage aufgeworfen, ob die beiden Heiligen Kyrill und Method heute mehr dem kirchlichen oder dem kulturellen Erbe der Stadt angehörten. Der Streit ist extrem kontraproduktiv, sagt Emilios Tihiaos, Direktor des Kyrill und Method Zentrums und Vorsitzender des wissenschaftlichen Ausschusses der Stadt. Vom religiösen Wirken der Heiligen zu berichten, sei Aufgabe der Kirche. Die Pflicht des Wissenschaftlers sei es, darüber hinaus aufzuzeigen, dass sie den Slawen den Zugang zur Literatur im Allgemeinen ermöglichten.
    "Es ist doch heute allen bekannt, dass Kyrill und Method nicht bloß religiöse Persönlichkeiten des Byzantinischen Reiches gewesen sind. Sie waren vor allem zwei begabte Menschen und die Gründer einer gänzlich neuen Kultur. Die erste slawische Schrift war jene, die Kyrill erfunden hat. Sie wurde Glagoliza genannt, nach dem Wortstamm glagol, was so viel wie Reim oder Wort bedeutet. Etwas später wurde diese Schrift durch eine andere erweitert, vom Episkop Konstantinos aus Preslava in Bulgarien. Zu Ehren von Kyrill nannte dieser sie 'Kyrilitsa'. Als Vorbild dienten dazu die Großbuchstaben des griechischen Alphabets."
    Um dem Kongress einen größeren kulturellen Touch zu geben, organisierte die Stadt in Zusammenarbeit mit dem byzantinischen Museum zwei Ausstellungen: eine aus Bulgarien, mit dem Titel: "Das Licht der Buchstaben". Eine zweite unter Zusammenarbeit mit der serbischen Bibliothek in Belgrad. Der Titel: "So gaben sie das Wort an die neuen Völker weiter". In beiden Ausstellungen werden anhand von alten Handschriften die Übergänge von der Glagoliza zur Kyrillischen Schrift deutlich gemacht.
    "Kyrill und Method haben eine neue Kultur in Europa geschaffen. Das hat vor allem mit der Tatsache zu tun, dass Method ein hervorragender Jurist war. Er schuf eine neue Gesetzgebung im Staat der Slawen. Ebenso haben wir heute ein Manuskript gefunden, in altslawischer Sprache, das dem Herrscher Mährens als Ratgeber diente, wie er den Staat zu führen habe."
    Mit dem Kongress über die beiden Männer haben die Stadtväter Thessalonikis Mut bewiesen. Bisher waren solche Vorhaben in Griechenland prekär. Eine klare Abtrennung kirchlicher Interessen von den städtisch-weltlichen ist eigentlich undenkbar. Dafür traten beide Seiten über Jahrhunderte hinweg immer vereint und in gegenseitigem Einvernehmen auf. Ein wissenschaftlicher Kongress aber, der die missionarische Botschaft von Kyrill und Method ausklammert, zeugt vermutlich von einem neuen Verhältnis in den kulturellen Beziehungen zwischen der griechisch-orthodoxen Kirche und Thessaloniki-Stadt.