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Streit um Islamlehrer in Münster

Schon fast zwei Wochen hält die Diskussion um die Ausbildung von Islamlehrern am "Centrum für religiöse Studien" der Uni Münster an. Mit seiner Äußerung, dass die historische Existenz Mohammeds nicht nachzuweisen sei, hat Professor Sven Muhammad Kalisch den Rückzug der Muslime aus dem wissenschaftlichen Beirat ausgelöst. Das Wissenschaftsministerium bemüht sich seitdem vor allem darum, die Wogen zu glätten. Die Lösung heißt: Professor Kalisch wird aus der Lehramtsausbildung abgezogen - was wiederum für neue Empörung sorgt.

Von Heike Zafar |
    Seit zwei Wochen steht das Telefon bei ihm nicht still: Medienvertreter aus aller Welt klingeln bei Professor Kalisch an, alle wollen ein Interview: Mit seinem öffentlich geäußerten Zweifel an der Existenz Mohammeds hat Kalisch eine wahre Lawine und heftigsten Protest der größten muslimischen Verbände ausgelöst:

    "Ich bin enttäuscht, dass die Verbände sich der Auseinandersetzung nicht stellen, ich respektiere natürlich die Religionsfreiheit, darüber brauchen wir gar nicht zu reden, aber ich kann mich ja nicht vor Studenten stellen und Dinge sagen, die ich nicht vertreten kann."

    Ein Dilemma, dass das Wissenschaftsministerium mit möglichst diplomatischem Geschick lösen will: Um den muslimischen Verbänden entgegenzukommen, wird Kalisch aus der Ausbildung der Islamlehrer abgezogen. Ersatz soll eine neue Professur an der Uni Münster schaffen. Besetzt werden soll sie von der Uni Münster - allerdings - und da wird es kompliziert - will Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart zumindest das Okay der islamischen Verbände einholen:

    "Es geht nicht um Mitspracherecht, da gibt es keinerlei vertragliche Verpflichtungen, aber es geht darum, dass wir werben, um eine Akzeptanz zu finden. Deshalb haben wir uns verständigt, dass die Uni das Berufungsverfahren durchführt und wir dann in Austausch mit den Islamverbänden treten. Das ist eine Gradwanderung. Wir beschreiten damit Neuland nicht nur für NRW, aber nicht um den Preis der Aufgabe des Wertekanons und Freiheit von Forschung und Lehre."

    Im Klartext heißt das: Ohne Zustimmung der muslimischen Verbände hat die Besetzung des Lehrstuhls für islamische Religionspädagogik gar keinen Zweck: Professor Kalisch ist über diese Minister-Entscheidung mehr als irritiert: Die türkische, eher konservative Zeitung Zaman hatte seit Monaten gefordert, dass Kalisch wegen seiner Prophetenäußerungen von der Uni Münster abgezogen wird: Dass sich diese Forderung jetzt erfüllt, vor allem das habe ihn entsetzt, so Sven Muhammad Kalisch:

    "Was ich bedenklich finde, dass von den deutschen Politikern das Drehbuch der türkischen Zeitung Zaman nachgebetet wird. Das ist eins zu eins übernommen worden. Ich denke, dass hier ein Chance vertan worden ist, in dem Bereich etwas zu machen. Ich stehe halt für eine moderne offene islamische Theologie, die hier groß geworden ist."

    Den liberalen Muslimen tue der Minister, so Kalisch, keinen Gefallen mit seiner Politik:

    "Die Frage ist: Wie sollen Islamlehrer ausgebildet werden? Wie sollte das in die Schulen getragen werden? Es sollte ja dazu führen, dass die muslimischen Kinder wegkommen von den Koranschulen. Wenn jetzt Koranschulen quasi an die Schulen geholt werden, dann frage ich mich, wo der Sinn ist. Dass es mit meinen Thesen Probleme gibt, ist klar, aber ich hätte mir schon gewünscht, dass man sich von Seiten der Politik mehr auseinandersetzt. Das hat mich überrascht, aber das muss ich hinnehmen, das finde ich bedauerlich. "

    Wie es für die Studenten in Münster weitergeht, ist derzeit noch offen: Denn bis zum Semesterbeginn im Oktober ist der Streit um Professor Kalisch mit Sicherheit noch nicht beendet.