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Streit um Kita-Plätze in Bremen ist ein Zahlenspiel

Im Streit um Kita-Plätze spielt die Schätzung des Bedarfs eine wesentliche Rolle. Wie fast immer argumentieren die Kontrahenten mit unterschiedlichen Zahlen. Bremen ist Schlusslicht beim Kita-Ausbau, sagt die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Die Bremer Sozialbehörde sieht dies anders.

Von Christina Selzer | 23.10.2012
    Bremen ist mal wieder Schlusslicht. Diesmal nicht bei Pisa und Co., sondern was den Ausbau der Kita-Plätze betrifft. Dabei wurden aber nicht alle Eltern befragt, sondern nur solche, die in einem bestimmten Zeitraum keinen Betreuungsplatz hatten. Das ist auch die Kritik des Bremer Sozialbehörde an der Umfrage: Denn nicht ein Fünftel aller Eltern hat keinen Platz bekommen, wie die Studie nahelegt, sondern ein Fünftel aller Eltern, die noch kein Kind in der Kita haben. Damit ergibt sich ein völlig anderes Bild, sagt Heidemarie Rose, sie ist Abteilungsleiterin im Sozialressort.

    "Dann haben Familien ganz unterschiedliche Gründe angegeben. Zum Beispiel: Mein Kind ist nicht in der Kita, weil die Kosten zu hoch sind, weil mir der Weg zu weit ist, weil ich das gar nicht will, oder: weil ich keinen Platz bekommen habe. Da sind rund 19 Prozent für Bremen angegeben worden, das ist relativ hoch. Und zu dem damaligen Zeitpunkt mag das auch so stimmen, aber inzwischen hat sich das verändert."

    Die Studie gibt damit den Stand des abgelaufenen Kindergartenjahres im Land Bremen wieder. Seit der Zeit, auf die sich die Studie bezieht, sind laut Behörde in Bremen 1200 neue Plätze entstanden. Insofern widerspricht sie der These der Studie, wonach Bremen es kaum schaffen wird, den für 2013 beschlossenen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz zu erfüllen.

    "Und jetzt zu sagen, Bremen muss den weiteren Ausbau mit 20 Prozent mehr forcieren, das wäre ja eine Schlussfolgerung, die kann man so nicht machen. Nach unserer jetzigen Berechnung werden wir einen Betreuungsbedarf von 41 Prozent haben, und unsere jetzige Planung sieht vor, dass wir das zum August 2013 auch hinbekommen."

    Das sehen die großen Anbieter von Krippenplätzen anders. Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege kritisiert zum Beispiel, die Behörde wolle nicht genügend Plätze schaffen. Eine Quote von rund 40 Prozent, das reicht nicht, sagt Arnold Knigge. Der Sprecher der Bremer Wohlfahrtsverbände kommt bei seiner Berechnung auf eine viel höhere Zahl:

    "Wir sagen, es gibt bundesweite Umfragen, im Auftrag der kommunalen Spitzenverbände, die eine höhere Nachfrage voraussagen. Und wir orientieren uns mehr an vergleichbaren Entwicklungen in anderen Großstädten, zum Beispiel in Hannover oder Nürnberg, die orientieren sich an Betreuungsquoten, die auf 50 Prozent und darüber hinaus gehen. Und wir sind der Meinung, das eine solche Quote auch für Bremen die realistischere sein wird."

    Für Heidemarie Rose vom Sozialressort stimmt die Zahl nicht ganz. Denn die Nachfrage von Eltern für die ersten drei Lebensjahre des Kindes sei sehr unterschiedlich.

    "Bei den unter 1-Jährigen gibt es einen so genannten "bedingten" Rechtsanspruch, da ist die Nachfragequote zwischen zwei und zehn Prozent. Und mit steigendem Alter steigt die Nachfrage, und bei den 2-3jährigen werden wir leicht auf 60 Prozent kommen."

    Der Streit um Kita-Plätze ist ein Zahlenspiel. Die Länder wollen sich dabei auch gegen Klagewellen absichern. Nach Schätzungen des Familienministeriums fehlen bundesweit 130.000 Plätze, um dem geschätzten Bedarf gerecht zu werden.