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Streit um Lizenzen
"Drachenlord" oder Bild.de – was ist Rundfunk?

Die Livestreams eines als "Drachenlord" bekannten Youtubers gelten offiziell als Rundfunk – die von Bild.de aber nicht? Weil die Rundfunkregeln in Deutschland aus internetlosen Zeiten stammen, ist seit Jahren umstritten, wann Online-Streamer eine Lizenz benötigen. Und noch ist keine Besserung in Sicht.

Von Michael Borgers und Christoph Sterz | 09.04.2019
Kamera, Kopfhörer, Bildschirm: Die Ausrüstung eines Youtube-Kanals von Konsolen-Spielern.
Kamera, Kopfhörer, Bildschirm - fertig ist die Aufnahme. Aber wann wird eine Rundfunklizenz nötig? (Imago / Eibner)
Rainer Winkler hat sich in der Welt des Internets in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Unter dem Pseudonym "Drachenlord" spielt er Online-Spiele, macht Musik oder bespricht sein eigenes Leben – und filmt sich dabei. Die Videos veröffentlicht er in seinem Youtube-Kanal "Drache Offiziell", wo ihm rund 90.000 Abonnenten folgen. Neben den aufgezeichneten Videos ist Winkler immer wieder auch in Livestreams zu sehen. Doch damit könnte bald Schluss sein.
Ende März hat die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) Winkler verboten, seine Angebote online live zu verbreiten. Laut der Aufsichtsbehörde sind die Streams zulassungspflichtiger Rundfunk. Winkler müsste künftig also – will er weitermachen – eine kostenpflichtige Lizenz beantragen.
Aktuell Rundfunk bei mehr als 500 Zuschauern
Der Vorstoß der Landesmedienanstalt ist, wie schon im Fall von PietSmiet vor zwei Jahren, umstritten. Kritiker halten es für unverhältnismäßig, wenn kleine Youtuber eine Lizenz beantragen müssen. Ob ein Video-Angebot im Netz eine Rundfunklizenz benötigt, müssen die Medienanstalten im Einzelfall prüfen. Sie berufen sich auf den Rundfunkstaatsvertrag.
Mitglieder des Teams PietSmiet.
PietSmiet: Kommentieren von Computerspielen via Youtube (imago / Manngold)
Auf der Webseite der Landesmedienanstalt für Medien NRW heißt es zur Frage der Einordnung, "audiovisuelle Bewegtbildangebote werden dann als Rundfunk eingestuft, wenn sie linear, also live verbreitet werden, von mehr als 500 Zuschauern/Usern gleichzeitig gesehen werden können, redaktionell gestaltet sind und entlang eines Sendeplans regelmäßig und wiederholt verbreitet werden". Allerdings sagen die Landesmedienanstalten auch, dass es dringend neue Regeln braucht, was die Rundfunklizenz angeht.
Zuständig für mögliche neue Regeln sind die Regierungen der Bundesländer. Die Medienpolitiker befassen sich schon seit mehreren Jahren mit dem Thema. Einen Beschluss gibt es noch nicht, wohl aber konkrete Überlegungen. So sieht ein Plan vor, dass Streamer, die pro Monat regelmäßig weniger als 20.000 Zuschauer haben, keine große Rundfunklizenz mehr brauchen. In den nächsten Monaten wollen die Länder über einen überarbeiteten Vorschlag beraten. Doch solange gelten die alten Regeln weiter.
"Für die Medienwirtschaft in Deutschland wichtige Frage"
Ein weiterer aktueller Fall zeigt die Folgen der unsicheren Rechtslage auf: In Berlin wird gerade über drei als Livestream verbreitet Videoformate von bild.de verhandelt; konkret geht es um "Die richtigen Fragen", "BILD-Sport – Talk mit Thorsten Kinnhöfer" und "BILD –Live".
Die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (MAAB) hatte den Axel-Springer-Verlag aufgefordert, Rundfunklizenzen für diese Formate zu beantragen. Nachdem der Verlag dem nicht folgte, forderte die Aufsichtsbehörde, die Streams abzuschalten. Doch das Berliner Oberverwaltungsgericht hat nun in der Beschwerde der MAAB festgehalten, "dass die rechtliche Abgrenzung zwischen zulassungspflichtigem Rundfunk und zulassungsfreien Medien in der digitalen Welt bisher ungeklärt sei". Klären müsse diese Frage das bereits laufende Verfahren am Verwaltungsgericht. Und bis dahin darf Bild.de weiterstreamen.
Die Landesmedienanstalt will jetzt nach eigenen Angaben eine schnelle Entscheidung vor dem Berliner Verwaltungsgericht erreichen. In einer Stellungnahme der MAAB-Direktorin Anja Zimmer gegenüber dem Deutschlandfunk heißt es, es gehe um "Rechtssicherheit für viele tausend Live-Streamer" und eine "für die Medienwirtschaft in Deutschland wichtige Frage".