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Streit um polnische Partisanen im Film

In Deutschland wurde der Film "Unsere Mütter, unsere Väter" hoch gelobt. In Polen jedoch sorgten Passagen des Films über die angeblich antisemitische Heimatarmee für Empörung. Die Polen sehen ihre Geschichte verfälscht. Außerdem dürfe gerade Deutschland sich nicht moralisch erheben.

Von Sabine Adler | 10.04.2013
    Das gesamte Team des Deutschen Historischen Instituts Warschau sitzt am helllichten Tag Theaterrestaurant. Ihr Gebäude wurde evakuiert. Bombendrohung. Etwa wegen der Serie?
    Die Vizechefin Ruth Leiserowitz:

    "Nein, die hat damit überhaupt nichts zu tun, wir hatten erst vor Kurzem eine Bombendrohung und eine im Dezember."

    Mehrere Märsche, die am Institut vorbei zum Regierungssitz führen, erinnern an den Absturz des Regierungsflugzeuges von Smolensk, vielleicht sollte eine Demonstration auf diese Weise aufgehalten werden, wie früher schon. An die Serie denken dennoch alle hier. Zumal vor dem ZDF-Studio Warschau, in dem auch das Deutschlandradio sitzt, kürzlich über 100 Demonstranten ihrem Ärger über den Film Luft gemacht hatten.

    "Wir fordern die Wahrheit", rufen sie, und meinen die über die Armija Krajowa, die Heimatarmee. Tadeuz Filipkowski gehörte ihr an.

    "Die AK hat niemals befohlen, Juden zu diskriminieren. In ihren Reihen kämpften Juden, außerdem hat die Heimatarmee 400 Juden aus einem Warschauer Lager befreit."

    Ruth Leiserowitz erklärt, warum die Polen auf die AK, die Armija Krajowa, stets voller Hochachtung schauen.

    "Zum einen symbolisiert sie den Widerstand gegen die deutsche Besatzung, aber nachher eben auch gegen die sowjetische Besatzung. Und das Zweite ist, dass deren Offiziere nach 1944 von den sowjetischen Organen verfolgt wurden und auch hingerichtet wurden. Und dass der von der Armija Krajowa organisierte Warschauer Aufstand sehr lange auch totgeschwiegen wurde. Also die Armija Krajowa war eigentlich ein "Un-Thema" in den Zeiten der Volksrepublik und umso stärker ist diese Symbolfigur nach 1989 gewachsen."

    Adam Krzeminski, Journalist der Wochenzeitung "Politika", findet den ZDF-Film nicht durchgängig misslungen. Während aber Russen, Ukrainer und erst recht Deutsche differenziert dargestellt wurden, hätte man die Polen samt Heimatarmee auf Antisemitismus reduziert. Deswegen die Aufregung, nicht weil Antisemitismus nicht angesprochen werden dürfe.

    "Wenn es um diese antisemitische Passage geht: Sie ist total überzeichnet. Aber natürlich ist es erwiesen, dass es Fälle von Antisemitismus gab und das wird auch in Polen breit und tief greifend diskutiert. Und die Frage ist natürlich, ob die Deutschen jetzt als die moralischen Schiedsrichter auftreten können. Wenn man jetzt mit dem erhobenen Zeigefinger kommt und sagt: Naja, ihr seid genau so schlimm gewesen wie wir, dann ist das diese Gleichung: AK gleich SS."

    Krzeminski fehlen die gerechte Gewichtung und der Hinweis, dass Polen erst durch die deutsche Besatzung in diese Lage gerieten. Er wird deutlich:

    "Man vermutet immer noch Ignoranz, zweitens Stereotypisierung, drittens eine kaltschnäuzige Gleichgültigkeit gegenüber der polnischen Geschichte."

    Der polnische Partisanenkampf fand ausschließlich in der Heimatarmee statt, die kennen muss, wer diese Kämpfer als Protagonisten auftreten lässt. Wo haben die Historiker ihr Handwerk gelernt, fragt Tadeus Filipkopwski, der ehemalige AK-Kämpfer. Die Zeitschrift "Uwazam ze", was übersetzt "ich denke", "ich meine" heißt, sie zeigt die auf ihrem neuen Titelblatt Angela Merkel in KZ-Kleidung. Sie wirft Deutschland Geschichtsfälschung vor, in der aus Tätern Opfer werden und bezeichnet den ZDF-Film als anti-polnisch, auch weil mit dem damals europaweiten Antisemitismus immer nur Polen genannt werde. Deutsche Historiker kennen diesen Vorwurf.

    "Wenn man uns fragt, warum wir das machen, dann muss man sagen, dass es auf diesem Gebiet viele Defizite gibt, weil in Volkspolen zu diesen Fragen nicht geforscht werden konnte."

    Weil für Produktionen wie der des ZDF historische Genauigkeit nicht an vorderster Stelle stehe, sei Vorsicht geboten, warnt Ruth Leiserowitz von Deutschen Historischen Institut in Warschau.

    "Ich würde nur zuraten, solch eine Rolle zu übernehmen, wenn man nicht nur seinen Namen gibt, sondern, dass die eigene Bewertung, Einschätzung auch gehört wird."

    Sie betreute selbst verschiedene Filmprojekte, zum Beispiel eines über Wolfskinder.