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Streit um Rütli-Feier

Das Rütli am Ufer des Vierwaldstätter Sees ist der Ursprungsort der schweizerischen Nationalgeschichte. Auf der Wiese findet jedes Jahr am 1. August die Nationalfeier statt. Seit Jahren allerdings stören immer wieder Rechtsextreme das Fest. Auch in diesem Jahr war das zu befürchten. Erst zwei unerwartete Geldgeber retteten das Fest. Aus der Schweiz berichtet Andrea Krüger.

24.07.2007
    Abfahrt der "MS Schwyz". Langsam schiebt sich das behäbige Schiff vom Anleger in Luzern. Von hier geht es über den Vierwaldstätter See in Richtung Südosten. Eine der Stationen auf der gut dreistündigen Fahrt ist das Rütli – jene Wiese, auf der vor mehr als 700 Jahren die Geburtsstunde der Schweiz geschlagen haben soll. In wenigen Tagen wird auf dem abgelegenen Flecken Land deshalb wieder gefeiert. Auf Schiffen werden dann 2000 geladene Gäste aufs Rütli gebracht – unter ihnen auch die Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey. Mit der politischen Feier haben die meisten Passagiere auf der "Schwyz" nichts am Hut.

    So meint eine Frau mit Kind: "Man kann an diesem Tag dankbar sein für das, was man in der Schweiz hat. Aber ich bin jetzt auch nicht völlig patriotisch und sehe nicht nur alles rosarot. Es ist schön, diesen Tag zu feiern - jetzt aber nicht übertreiben."

    Ein älterer Mann mit Hut sagt: "Diese Reden, die da gehalten werden, das müsste auch nicht sein."

    Die fehlende Begeisterung dürfte auch mit den vielen Verwicklungen zu tun haben, die es in diesem Jahr um die Rütli-Feier gab. Die Nationalfeier stand unter keinem gutem Stern. Anfang des Jahres hatte die sozialdemokratische Bundespräsidentin Calmy-Rey angekündigt, am 1. August auf dem Rütli eine Rede zu halten. Bemerkenswert ist das auch deshalb, weil linke Parteien bisher einen Bogen um die Wiese gemacht haben. In diesem Herbst aber stehen Parlamentswahlen an, und so wurden Vorwürfe laut, Calmy-Rey wolle ihre Rütli-Rede für Wahlkampfzwecke nutzen. Herbert Ammann, der Geschäftsführer der privaten Rütlikommission, die die Feier jedes Jahr organisiert, erklärt die Irritationen:

    "Was neu ist, dass Micheline Calmy-Rey als Sozialdemokratin jetzt ebenfalls für sich in Anspruch nimmt zu definieren, was Heimat ist, was Rütli ist, was Schweiz ist. Damit wird das Monopol einer eher nationalkonservativen Partei wie der Schweizerischen Volkspartei, sagen wir mal, in Frage gestellt. Bis anhin war das eigentlich deren Domäne, auch draußen im Wahlkampf."

    Der eigentliche Zündstoff kam dann von rechts außen. Rechtsextreme hatten ihre Anhänger zum Marsch aufs Rütli aufgefordert. Erinnerungen an 2005 kamen auf, als die Rechten den damaligen Redner niederschrieen. Um ähnliches zu verhindern, sollten die ungebetenen Gäste in diesem Jahr bereits am Besteigen der Rütli-Schiffe gehindert werden. Den dafür benötigten Polizeieinsatz aber wollten weder die umliegenden Kantone noch der Bund bezahlen. Am Ende gab es keinen Hafen, von dem die Schiffe hätten auslaufen können - die Rütlikommission zog die Konsequenz.

    Herbert Ammann: "Dann haben wir gesagt: Okay. ohne Abfahrt gibt es keine Ankunft. Wenn man nirgendwo abfahren kann, kann man auch nicht ankommen. Wir müssen unter diesen Umständen leider diese Bundesfeier absagen."

    Das war Ende Mai – eine verfahrene Situation, das Signal nach außen verheerend: In der Schweiz scheitert die Bundesfeier, weil niemand für die Sicherheit der anwesenden Gäste zahlen will. Den Rettungsanker haben nun zwei Schweizer Privatunternehmer ausgeworfen. Sie wollen die Kosten übernehmen. Einer von ihnen, der Maschinenbauunternehmer Johann Schneider-Ammann, sagt, warum:

    "Dieses Land kennt seit Jahrhunderten eine friedvolle Geschichte, in diesem Land gibt es all die möglichen Freiheiten, es gibt in diesem Land insbesondere auch die Meinungsfreiheit. Das sind Werte, hochzuhaltende Werte. Und wir haben nicht verstanden, dass man von der politischen Behörde aus quasi kapitulieren wollte, weil eine gewisse Randgruppe gesagt hat, wir machen Radau."

    Zur genauen Summe, die er stiftet, will Schneider-Ammann sich nicht äußern. Die Rede ist von 130.000 Euro.

    Zurück auf der "MS Schwyz" in Richtung Rütli: Dass die Rechten die Bundesfeier fast gekippt hätten, löst bei vielen Passagieren immer noch Empörung aus, auch wenn die Feierlichkeiten durch private Sponsoren nun gesichert sind.

    Ein Passagier: "Das ist großzügig von den Leuten, aber mir scheint, da hätte der Bund dafür sorgen müssen. Der Bund müsste dafür sorgen, dass an jedem Ort der Schweiz frei gesprochen werden kann."

    Und so wird am 1. August wohl doch gefeiert werden auf dem Rütli. Ob es ein friedliches Fest wird, bleibt offen. Denn im Internet rufen Rechtsextreme derzeit erneut zur Teilnahme an der Feier auf. Noch reagieren die Behörden gelassen.