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Streit um Studiengebühren und Elitenförderung

Die Studiengebühren und die Finanzierung der Hochschulen sind Schwerpunktthemen im NRW-Wahlkampf. Grüne und SPD wollen die Gebühren abschaffen, Schwarz-Gelb sie erhalten - und auch sonst überwiegen die Unterschiede.

Von Bernd Dicks | 24.03.2010
    "Ja, wann wollen sie denn die Studiengebühren abschaffen?"

    Die Lautstärke von NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart gestern Nachmittag im Landtag widerspricht dem Bild, das sich den Beobachtern bot.

    Zum Zeitpunkt der Ministerrede waren gerade mal 25 Abgeordnete im Saal, sodass der Tagesordnungspunkt drei - "Abschaffung der Studiengebühren" -beinahe zum privaten Schlagabtausch unter Hochschulpolitikern wurde.

    "Gute Show, Herr Minister", kommentierte ein Oppositionsmitglied, denn die Standpunkte, vor allem in Sachen Studiengebühren, sind schon lange geklärt und in den Wahlprogrammen niedergeschrieben.

    CDU und FDP wollen die Studiengebühren auch nach der Wahl beibehalten, stellvertretend für SPD und Grüne wollen Karl Schultheis und Sylvia Löhrmann sie wieder abschaffen:

    Schultheis: "Auf jeden Fall ist dies machbar und wir stehen dafür, dass eines der ersten Gesetze, das im neuen Landtag beschlossen wird, das Gesetz über die Abschaffung der Studiengebühren sein wird."

    Löhrmann: "Wir wollen die Studiengebühren aus dem Landeshaushalt kompensieren und wir Grüne werben dafür, dass es zusätzliche Einnahmen zugunsten von Bildung gibt. Wir werben ja auch dafür, dass es einen Bildungssoli gibt, weil wir für eine gesamtstaatliche Verantwortung für Bildung sind von Bund, Ländern und Gemeinden."

    Doch dieser Bildungssoli, also die vorgeschlagene Umlenkung der "Aufbau-Ost-Milliarden" in Schule und Hochschule, sowie die Abschaffung der Studiengebühren, ohne eine Verminderung der aktuellen Lernsituation, haben einen bisher kaum bekannten Haken:

    Würde das Land die durch Studienbeiträge zusätzlich eingestellten Dozenten übernehmen wollen, müssten die Hochschulen aus rechtlichen Gründen deutlich mehr Studenten aufnehmen.

    Schuld ist eine aus den 70er-Jahren stammende, sogenannte Kapazitätsrelevanzverordnung, die die personellen Lehrkapazitäten über einen hochkomplexen Schlüssel an eine Aufnahmeverpflichtung seitens der Hochschule koppelt.

    Die verbesserte Betreuungsrelation, die man durch Studiengebühren zum Teil erreicht hat, wäre damit passé.

    Mit einem ökonomischen Argument warnt dagegen die CDU und ihr derzeitiger Fraktionsvorsitzender, Helmut Stahl, vor einer Abschaffung der Studiengebühren:

    "Dann fehlten den Hochschulen in NRW auf einen Schlag etwa 270 Millionen Euro, die keiner ersetzen kann. Weil das hieße, dass das Geld, das dann nicht eingenommen würde wieder dem Kapitalmarkt entnommen und auf den Schuldenberg oben draufgelegt werden würde. Auf den Schuldenberg, der dann später auch von der jungen Generation abzutragen wäre."

    Bemerkenswert: Im Wahlprogramm der CDU findet man die Leitlinien zur Hochschulpolitik nicht etwa beim Punkt Bildung, sondern unter dem Punkt "Wachstum schafft Arbeit".

    Eine plausible Antwort dazu gab es vom Fraktionsvorsitzenden dafür nicht.

    Die FDP und ihr Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart versuchen dagegen Plausibilität und studentische Wählerstimmen mit einer waren Flut von Zahlen zu erreichen - sowohl im Wahlprogramm, als auch im Interview:

    "Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland von 16, das den höchsten Anteil von Bildungsausgaben am Gesamthaushalt hat. Die Bildungsausgaben sind in den letzten fünf Jahren dreimal schneller gewachsen, als der gesamte Landeshaushalt, und das zeigt, dass wir beim Thema Bildung die Priorität in den vergangenen fünf Jahren gelegt haben."

    Es gibt aber auch andere Zahlen: Laut Bildungsfinanzbericht 2009 vom Statistischen Bundesamt ist NRW, was die laufenden Ausgaben pro Student angeht, immer noch im unteren Mittelfeld.

    Eine Steilvorlage für die Studenten, die unmittelbar vor den Landtagswahlen einen weiteren, landesweiten Bildungsstreik unter dem Motto "Wähle deine Bildungsperspektive" initiiert haben.

    Neben der Abschaffung der Studiengebühren wollen die Studenten, wie Hilmar Schulz, der Landeskoordinator der Studierenden Ausschüsse, auch ihre Kritik an dem geplanten Stipendienprogramm nicht hinter dem berg halten:

    "Wo wieder nur Elitenförderung gemacht wird. Das kann nicht Sinn und Zweck von Studienfinanzierung sein, sondern die breite Masse der Studierenden muss staatliche Unterstützung bekommen, die sind so die Kernprobleme der Studierenden und die Gründe, warum sie auf die Straße gehen."

    Am 5. Mai haben die Studenten eine Großdemonstration in Düsseldorf geplant – vier Tage später wird gewählt.