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Streit ums Wasser in Zentralasien

In Taschikistan bemüht sich die Regierung um den Bau eines Wasserkraftwerks. Doch die Weltbank prüft seit Monaten die Kreditvergabe - ohne zu einem Schluss zu kommen. Tadschikistan vermutet, dass Usbekistan Druck ausübt, weil es fürchtet, von der Wasserversorgung abgeschnitten zu werden.

Von Christina Nagel | 07.09.2013
    Mit brachialer Gewalt schießt das Wasser aus einer Röhre im Berg gegenüber der tadschikischen Kleinstadt Nurek. Die Gischt, hoch und breit wie eine Wand, versperrt den Blick auf den See zu Füßen des höchsten Staudamms der Welt. Der Wind weht feinen Sprühnebel ans Ufer. Eine wohltuende Abkühlung in den heißen Morgenstunden.

    Wasser ist Leben – steht in Großbuchstaben an einer Mauer des Kraftwerks, das als eines der größten Zentralasiens gilt. Für Tadschikistan ist es überlebenswichtig:

    "Das Wasserkraftwerk von Nurek hat einen Anteil von 75 Prozent an der Stromherstellung der Republik."

    Sagt der stellvertretende Chefingenieur, Sejsjo Abdulojew. Seit das sowjetische Prestigeprojekt am Fluss Wachsch nach und nach modernisiert worden sei, könne man drei Millionen Kilowatt in der Stunde erzeugen.
    Eine Menge, die allerdings nicht ausreicht, um das Land in den Wintermonaten zu versorgen. Strom gibt es in der Regel nur drei Stunden am Tag. Seit Jahren bemüht sich die politische Führung deshalb, den noch zu Sowjetzeiten begonnenen Bau eines weiteren Wasserkraftwerks rund 100 Kilometer von der Hauptstadt Duschanbe entfernt voranzutreiben. In Rogun.

    "Das Roguner Wasserkraft könnte mit sechs Aggregaten à 600 Megawatt, also mit insgesamt 3600, die Lücke füllen. Der Rest könnte in den Export gehen."

    Dass das Projekt aus tadschikischer Sicht Sinn macht, daran zweifelt niemand. Doch das Land, das als das ärmste Zentralasiens gilt, kann das Milliarden Dollar teure Projekt allein nicht finanzieren. Es ist auf Kredite angewiesen. Auch auf die Hilfe der Weltbank. Die prüft seit Monaten das Projekt. Und kommt zu keinem Schluss. In Tadschikistan ist man sich sicher, dass Usbekistan hinter den Kulissen Druck ausübt. Das Nachbarland befürchtet, von der Wasserversorgung abgeschnitten zu werden. Was dramatische Folgen für den bewässerungsintensiven Baumwollanbau hätte.

    Der usbekische Präsident Karimow habe mittlerweile auch andere Nachbarstaaten, die an den Unterläufen der Flüsse liegen, aufgewiegelt. Er beschwöre immer häufiger die Gefahr eines Wasser-Krieges. Usbekistan tue einfach alles, um Tadschikistan das Leben schwer zu machen, meint der Wirtschaftsexperte, Chodschamachmad Umarow. Ganze Grenzabschnitte habe man vermint. Visa eingeführt. Die Gasversorgung Ende vergangenen Jahres unterbrochen – was zum Stillstand zahlreicher Fabriken führte:

    "Usbekistan ist gegen eine Ausweitung der Nutzfläche in Tadschikistan. Ist gegen neue Betriebe in Tadschikistan. Gegen unsere Aluminiumfabrik. Usbekistan blockiert die Eisenbahnverbindungen nach Tadschikistan. Und ist gegen den Bau von Stromleitungen, die in andere Länder führen sollen. Überall nur Usbekistan."

    Die Stimmung ist aufgeheizt, Rogun zu einem Synonym geworden – für politischen und wirtschaftlichen Druck seitens des Nachbarlandes. Der Vorsitzende der Partei der islamischen Wiedergeburt Tadschikistans, Muchiddin Kabiri, schüttelt den Kopf. Die ganze Diskussion werde viel zu emotional geführt.

    "Ich denke, wir müssen das Rogun-Projekt entpolitisieren und daraus das machen, was es ist – ein Wirtschaftsprojekt. Wir müssen unseren Nachbarn erklären, dass wir mit Rogun niemanden unter Druck setzen wollen. Dass Rogun nicht dazu dient, aus Tadschikistan einen mächtigen Staat zu machen, der sich gegen jemanden richtet. Sondern, dass wir dieses Projekt einfach brauchen."

    Die Befürchtung, dass Tadschikistan vor allem in trockenen Sommern einen der größten Flüsse Zentralasiens aufstauen könnte, um Wasser für die Wintermonate zu sparen, statt die tiefer gelegenen Länder mit dem kostbaren Nass zu versorgen, weist der stellvertretende Chefingenieur des Wasserkraftwerks von Nurek zurück:

    "Angenommen es gäbe das Kraftwerk in Rogun - unsere tiefer gelegenen Kraftwerke müssen doch auch laufen. Wenn wir den Staudamm in Rogun dichtmachen würden, dann gäbe es doch auch kein Wasser hier in Nurek und bei den anderen Kraftwerken. Wir werden uns doch nicht das Wasser abstellen!"

    Und damit - den Strom. Abdulojew lehnt sich an das gusseiserne Geländer oberhalb der Turbinen und weist mit der Hand auf die weiße Wand aus Gischt, die aus dem Berg schießt

    Bitte schön! Wir führen sogar zusätzlich Wasser zu! Zurzeit lassen wir zusätzlich 400 Kubikmeter ab. 400 Kubikmeter!

    Von einem Engpass in Usbekistan könne keine Rede sein. Trotz der Rekordhitze. Er schüttelt den Kopf und lacht leicht verlegen. Das Gezerre um Rogun – für ihn nichts anderes als ein politisches Spiel. Ein gefährliches Spiel um Macht und Einfluss, zu Lasten der Völker – ober- und unterhalb des Flusslaufes.