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Streiten für den Britenrabatt

Mit der Handtasche soll sie 1984 auf den Brüsseler Verhandlungstisch gehauen haben, verbunden mit der Forderung: "I want my money back" – ich will mein Geld zurück. Die damalige britische Premierministerin Maggie Thatcher bekam ihren Willen, genauer den so genannten Britenrabatt. Der ist nun Hauptstreitpunkt auf dem heute beginnenden EU-Gipfel. Aus London berichtet Martin Zagatta über die wieder erwachte Missstimmung zwischen Insel und Kontinent.

    Getrommelt wird hier zwar nur für die Geburtstagsparade der Queen – aber britische Medien sehen Tony Blair heute in eine regelrechte Schlacht ziehen. "Change or die" - ändere Dich oder stirb, fordert die Sun von der EU. Und das Londoner Massenblatt lobt den britischen Premierminister ausdrücklich dafür, dass er dem französischen Präsidenten Chirac "den Krieg erklärt" habe.

    Die anderen 24 Staaten müssen einlenken, nicht Großbritannien. Die Briten haben schließlich ihren festgeschriebenen Rabatt. So sieht Trevor Kavanagh von der "Sun" Tony Blair in einer starken Position. "Hart bleiben" fordert auch der "Daily Mirror". Der so genannte Britenrabatt sei heute noch genauso gerechtfertigt wie 1984 – eine Meinung, die auf der Insel über die Parteigrenzen hinweg geteilt wird. Und auf allen Kanälen wird Margret Thatcher gelobt, die als Premierministerin damals Handtaschen schwingend den milliardenschweren Nachlass erkämpft hat, mit der Forderung, sie wolle ihr Geld zurück.

    Die Ausgleichszahlung, die Großbritannien erhält, weil es wegen seiner kleineren Landwirtschaft weit weniger von den Agrarsubventionen profitiert, hat den Briten bisher insgesamt rund 75 Milliarden Euro eingebracht, nach Zeitungsangaben, völlig zu Recht – da ist sich die Londoner Presse einig und ihrem Regierungschef dankbar für deutliche Worte.

    Trotz des Rabatts habe Großbritannien in den zurückliegenden zehn Jahren zweieinhalb mal soviel in die EU eingezahlt wie Frankreich, ohne den Rabatt wären es 15mal mehr als Frankreich gewesen – so hat Tony Blair klargestellt, dass er keineswegs nachgeben will. Auch ein Einfrieren des Rabatts sei allenfalls dann ein Thema, wenn die EU von den wahnwitzigen Agrarsubventionen abrücke, von denen vor allem Frankreich profitiert. Lenken der "arrogante" Franzose Chirac und sein deutscher "Kumpan" Schröder, wie sie in der britischen Presse genannt werden, lenken sie nicht ein, dann will Blair keinen Moment zögern, sein Veto einzulegen – so geht der britische Regierungschef kampfeslustig in die Brüsseler Verhandlungen. Blair wirkt sichtlich aufgeblüht nach den langen Auseinandersetzungen um den Irak-Krieg und seinem schwer erkämpften dritten Wahlsieg.

    Jeder wisse doch, dass Präsident Chirac den Britenrabatt nur in die Diskussion gebracht hat, um von dem Nein der Franzosen zur EU-Verfassung abzulenken, so stärkt Michael Howard, der Chef der konservativen Tory-Opposition, Tony Blair in der Europa-Politik jetzt ausdrücklich den Rücken. Die Kritik an dem europafreundlichsten Premierminister aller Zeiten ist weitgehend verstummt. Und seit die britische Regierung das Referendum über die Verfassung kurzerhand abgesetzt hat – auch wenn offiziell nur von einem Aussetzen gesprochen wird, seitdem wird auch nicht mehr über den vorzeitigen Rücktritt Blairs spekuliert. Im Gegenteil: wenn er in zwei Wochen den EU-Vorsitz übernimmt, kommt Tony Blair sogar, ob er will oder nicht, eine Führungsrolle zu, erst recht, wo die deutsch-französische Lokomotive jetzt, so spottet die Times, nur noch ein Haufen Schrott ist. Und für die "Sun" ist der "Hauptbremser" Jacques Chirac ohnehin nur noch ein Auslaufmodell.

    Eines Tages werden die Agrarsubventionen neu geregelt – und irgendein französischer Präsident wird das zu akzeptieren haben, sagt Trevor Kavanagh, Großbritannien könne das mit seinem Rabatt erzwingen. Wenn Paris und Berlin sich dem heute widersetzen, kann die britische Regierung aus Londoner Sicht allenfalls einem Ausgleich für die osteuropäischen Mitglieder zustimmen, damit diese ärmeren Länder den Britenrabatt nicht mitbezahlen müssen. Für den Umgang mit Jacques Chirac bildet die Times Tony Blair jetzt allerdings schon als Soldaten ab, in der Uniform des Herzogs von Wellington, des Mannes, der die Briten bei Waterloo zum Sieg geführt hat, über Napoleon und seine Franzosen.