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Streiten um Sinn und Unsinn der Bildung

Der direkte Austausch zwischen Studierenden und den bildungspolitisch Verantwortlichen ist selten genug. Umso vielversprechender war die Begegnung zwischen Streikenden und Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD). Ein Streitgespräch in Ausschnitten.

Von Daniela Siebert | 17.12.2009
    Der erste Streitpunkt: Haben die Hochschulen genug Geld? Dazu eine Studentin.

    "Meinen Sie denn wirklich, dass die Hochschulverträge, so wie die sind, also nach Ihrem Drei-Sockel-Modell, das heißt einem Drittel Grundfinanzierung, einem Drittel leistungsbezogener Finanzierung und so weiter, meinen Sie denn dadurch den Forderungen entsprechen zu können? Meinen Sie, das ist wirklich eine Verbesserung? Bei den gestiegenen Kosten überall in allen Bereichen und bei den Forderungen der Studierenden nach einem offenen Zugang und so weiter. Das entspricht dem einfach überhaupt nicht, finde ich."

    Dazu der Konter vom Bildungssenator:

    "Ich meine, dass wir erreicht haben, durch die neuen Hochschulverträge, dass es einen Paradigmenwechsel im Stellenwert der Hochschulen gibt, wenn diese Hochschulverträge in Kraft sind, zum ersten Mal in der Republik, der Stellenwert der Professorinnen und Professoren nicht nur davon abhängt, ob sie einen Sonderforschungsbereich einwerben. Weil dieses mehr Geld für die Universität gibt. Weil es das erste Mal in der Republik so ist, dass die Hochschule automatisch mindestens soviel Geld bekommt, wie sie braucht, um Studierende gut auszubilden."

    Der zweite Streitpunkt: Das Geld, das die Hochschulen haben, kommt nicht zwingend den Studierenden zugute:

    "Was haben wir davon, wenn jetzt eine Exzellenzuniversität weiterhin Zuschüsse bekommt und die einfach entscheiden können, wo es reinfließt. Wenn ich als Student das nicht merke, wenn das bei mir nicht ankommt, sondern das in Forschungsprojekte gesteckt wird, kann der Senat noch so viele Zuschüsse geben, das noch weiter steigern, das wird bei uns nicht ankommen."

    Das Problem sieht Jürgen Zöllner auch. Eine zweckgebundene Geldzuweisung, die von der Senatsverwaltung zentral kontrolliert wird, könnte eine Lösung sein. Die lehnt Zöllner aber ab, weil sie zu Fehlsteuerungen führe. Er setzt darauf, dass das in hochschulinternen Gremien geregelt wird:

    "Sie müssen dafür sorgen – innerhalb der Gremien – dass, wenn es offensichtlich fehlalloziert wird, das Mittel, dass es nicht stimmt und sie können auch abschätzen, wenn ein Studiengang mehr bekommt oder ein anderer weniger bekommt, ob das gerecht oder ungerecht ist, weil es von den individuellen Situationen abhängt."

    Es ging aber nicht nur ums Geld. Ein anderer Streitpunkt war, inwiefern Exzellenz in der Lehre und Forschung gefördert werden sollte. Während die Studierenden eher gute Bedingungen für alle forderten, plädierte Zöllner für eine Eliteförderung in der Wissenschaft. In der Lehre auch unter Beteiligung der Studierenden:

    "Für mich ist ein System nicht vorstellbar, in dem nicht entscheidend oder alleine die Studierenden, die Betroffenen letztlich entscheiden, was gute Lehre ist."

    Die Begeisterung der Studierenden dafür hielt sich in Grenzen, obwohl Mitbestimmung ja eigentlich ein zentrales Ziel des Streiks ist. Was denn da überhaupt Exzellenz in der Lehre sei, wollten sie wissen und kritisierten die jetzige Form der Evaluation:

    "Haben Sie mal so einen Bogen gesehen? Da steht drauf: Waren die Folien leserlich, konnte der Professor irgendwelche Fragen beantworten und so weiter. Das ist einfach nicht das, was ich mir unter Qualitätssicherung und guter Lehre und so weiter vorstelle. Wer wirklich mitsprechen darf, was gut ist und was nicht, das sind Akkreditierungsagenturen und die sind privat. Und das ist einfach lächerlich. Und dafür wird auch noch ein Haufen Kohle ausgegeben."

    Immerhin: Beim Stichwort Solidarität ließ sich eine Schnittmenge zwischen den Vorstellungen des Senators und der Studierenden erkennen. Ein Student bekam großen Applaus für seinen Hinweis, die Elite werde vom Rest abgegrenzt und so Narzissmus statt Solidarität gefördert. Eine Elite, die sich abgrenze, sei keine, stimmte Zöllner zu und sprach sich für eine Elitenförderung aus, die aber Teil eines solidarischen Systems sein müsse.

    Man ahnt es: Ein greifbares Ergebnis brachte diese Diskussion unterm Strich nicht. Jürgen Zöllner kommentierte auf Nachfrage hinterher, ihm habe sie keine neuen Erkenntnisse gebracht. Und die Studierenden? Max, einer der Audimaxbesetzer, der die Diskussion demonstrativ im Bademantel verfolgt hat, kritisierte, Zöllner habe seine bisherigen Leistungen zu sehr in den Vordergrund gestellt. Missen wollte er die Debatte aber trotzdem nicht:

    "Ich denke, es ist ein gutes Zeichen, dass man überhaupt erstmal anfängt, miteinander zu reden, das wird ja auch weitergehen, man muss dann in Zukunft halt sehen, wie das dann in kleineren Runden zur konstruktiven Ausarbeitung konkreter Sachverhalte führt."

    Übrigens: Der zeitgleich stattfindende Bildungsgipfel wurde bei der Berliner Diskussion im Audimax mit keiner Silbe erwähnt.