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Streitfall Iran
Trump fährt Kurs der Härte

Seit der Kündigung des Atomabkommens fährt US-Präsident Donald Trump einen Kurs der Härte gegen den Iran. Die Sanktionen sowie die verstärkte militärische Präsenz im Nahen Osten zielten auf einen Sturz des Mullah-Regimes, sagt der ehemalige amerikanische Konteradmiral James Kirby.

Von Marcus Pindur | 11.05.2019
Die US- und iranische Flagge nebeneinander, darüber als Schattenriss das typische Donald-Trump-Profil.
Amerikanische Sanktionen haben den Iran in eine tiefe Wirtschaftskrise gestürzt (imago images / Ralph Peters)
Die Drohung kam an einem Sonntag, um maximale Aufmerksamkeit zu erregen. Die USA würden eine Flugzeugträgergruppe und eine Bomberstaffel in den Nahen Osten verlegen. Sicherheitsberater Bolton begründete dies mit einer Reihe beunruhigender Warnzeichen, die er allerdings nicht näher erläuterte. Der Adressat: die politische Führung des Iran. Man wolle keinen Krieg, aber die USA seien darauf vorbereitet, auf jeden Angriff zu reagieren.
Bolton gilt seit langem als außenpolitischer Ultra-Falke, insbesondere in Bezug auf den Iran.
Je länger man damit warte, die Bedrohung aus dem Iran zu konfrontieren, desto schwerer werde es, das Problem zu lösen, sagte Bolton bereits 2006, damals Uno-Botschafter der Bush-Administration. Und Bolton ließ nie einen Zweifel daran, dass dies seiner Ansicht nach am besten mit einem "Regime change", einem Sturz des Mullah-Regimes zu erreichen sei. Damit ist er nicht alleine, doch viele befürchten, dass Bolton dies mit militärischen Mitteln zu erreichen versuchen werde.
"Regime change" als Ziel
Dagegen spricht allerdings, dass sein Dienstherr, US-Präsident Trump, sich stets gegen größere militärische Engagements ausgesprochen hat. Die Drohung ist auch nur begrenzt: Denn die Flugzeugträgergruppe "Abraham Lincoln" war völlig planmäßig bereits fünf Wochen zuvor zu ihrer routinemäßigen Tour in den Nahen Osten aufgebrochen.
Aber: Es ist ein Kurs der Härte, den Trump fährt, seit er vor einem Jahr im Alleingang das Atomabkommen mit dem Iran gekündigt hatte. Und der ehemalige amerikanische Konteradmiral James Kirby, jetzt militärischer Analyst für den Nachrichtensender CNN, meint, die Trump-Regierung ziele mit den strikten wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen auf einen "Regime change" im Iran:
"Es ist schwer, zu einer anderen Schlussfolgerung zu kommen. Die Rhetorik der Trump-Regierung deutet darauf hin. Sie will, dass die Mullahs die Macht abgeben. Aber was sie tut, ist folgendes: Sie stärkt die Hardliner im Iran. Die einzigen, die den Nukleardeal mehr hassen, als Trump und seine Unterstützer, sind die Mullahs, die Hardliner. Sie mögen Rouhani nicht, und sie mögen den Nukleardeal nicht. Die Trump-Regierung wird wahrscheinlich einen bewaffneten Konflikt mit dem Iran zu vermeiden suchen. Aber wenn sie einen Machtwechsel im Iran will, tut sie genau das Falsche. Sie besorgt das Geschäft der iranischen Hardliner."
USA wenden extraterritoriale Sanktionen an
Die Europäer, also die Signatarstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien, können derzeit nicht viel tun, außer an die iranische Regierung und an Trump zu appellieren. Die USA wenden gegen den Iran sogenannte extraterritoriale Sanktionen an. Das heißt: Firmen, die mit dem Iran Handel treiben, können in den USA mit Strafen belegt werden. Das zwingt europäische Firmen dazu, sich zwischen dem iranischen und dem amerikanischen Markt zu entscheiden, und diese Entscheidung fällt in den allermeisten Fällen gegen den Iran aus.
Das Nuklearabkommen hat das unbestreitbare Sicherheitsproblem, das die iranische Atomrüstung darstellt, zumindest für eine begrenzte Zeit eingehegt. Deswegen seien die Europäer erzürnt, dass die Trump-Regierung die Büchse der Pandora ohne Not wieder geöffnet habe, so Oliver Thränert, Experte für Rüstungskontrolle und Massenvernichtungswaffen an der ETH Zürich.
"Die Welt ist durch diesen Nukleardeal sicherer geworden insofern, als man erst mal Zeit gewonnen hat. Solange der Deal in Kraft ist, ist es eigentlich so gut wie ausgeschlossen, dass Iran tatsächlich Atomwaffen entwickelt, weil die Herstellung von spaltbarem Material wichtig ist. Vor allen Dingen aber auch durch die eingehenderen Inspektionen der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien, die durch das Abkommen ermöglicht worden sind, ein Maß an Transparenz hergestellt wird, das es für die Dauer des Abkommens eigentlich nahezu unmöglich macht, Atomwaffen zu bauen. Und deswegen, wenn das Abkommen beendet wird, sind wir wieder zurück in der Situation von vor dem Abkommen. Und dann wäre die Wahrscheinlichkeit größer, dass Iran Kernwaffen entwickelt und baut."
Das Abkommen trägt nichts dazu bei, die aggressive iranische Außenpolitik in der Region einzuhegen – dazu war es aber auch nie gedacht. Wie auch in den Rüstungskontrollverhandlungen mit Sowjetunion in den 70er-Jahren fokussierten sich die Verhandlungsparteien ausschließlich auf das Kernwaffenproblem, um zu einer Einigung zu gelangen.
Ablenken vom Mueller-Report
Die amerikanische Kündigung des Nuklearabkommens ist weniger einer kohärenten außenpolitischen Strategie als der amerikanischen Innenpolitik geschuldet. Trump will so seinen Anhängern zeigen, dass er in der Lage ist, die Hinterlassenschaft seines Vorgängers Obama zu demontieren. Gleichzeitig kann Trump so von dem für ihn desaströsen Mueller-Report ablenken.

Die Demontage des Iran-Nukleardeals hat jedoch globale Folgen, besonders für die Bemühungen, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern, so Oliver Thränert.
"Der Fall Iran war ja eigentlich der erste Fall, wo ein Mitgliedsstaat des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages, der bei umfänglichen Vertragsbrüchen erwischt worden ist, mit diplomatischen Mitteln wieder in das Vertragsregime über das Abkommen von 2015 zurückgeführt werden konnte. Und insofern war das ein nicht-verbreitungspolitischer Leuchtturm, der da aufgebaut wurde. Und wenn der jetzt wieder einstürzt, dann fällt natürlich vieles weg und die Krise des nuklearen Nichtverbreitungsregimes würde sich noch weiter verstärken und es wäre durchaus möglich auch mit Blick auf die Konfrontationen in der Region, dass andere Länder dort auch einen nuklearen Weg gehen, an allererster Stelle natürlich Saudi-Arabien. Und wenn das passiert, dann wird eben dieses ganze nukleare Nichtverbreitungsregime möglicherweise an seine Grenzen kommen."