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Streitschlichter im Einsatz

Aufeinander achten, füreinander da sein, miteinander lernen: Unter diesem Motto steht das sogenannte Buddy-Programm. In Deutschland setzten es 800 Schulen um, eine davon ist die Anne-Frank-Grundschule in Berlin.

Von Claudia van Laak | 18.09.2010
    Große Pause in der Anne-Frank-Grundschule direkt an der Spree. Ein Hof, von dem Schülerinnen und Schüler träumen: Klettergerüste, Tischtennisplatten, Trampolins. Viel Platz zum Rennen, Spielen, Toben. Kinder drängeln sich um die Trampoline, feuern ein Mädchen an. Plötzlich springt ein Junge mit auf das Trampolin, rempelt das Mädchen an, es kommt zum Streit. Zwei Mädchen in neongelben Westen und mit gelber Baseballkappe auf dem Kopf kommen dazu, versuchen zu schlichten.

    "Also, ihr wollt nicht, dass die Jungs euch nerven und reinspringen. Könnt ihr dann bitte aufhören, sie zu nerven, weil, ihr könnt ja gerne mitspringen. Wichser. Auch bitte keine Ausdrücke. Der schubst mich eben."

    Ganz so einfach sind die Streithähne nicht zu trennen. Immer mehr Kinder mischen sich ein, das Ganze droht zu eskalieren. Die 11-jährige Lara hebt ihre Stimme:

    "Alle die am Streit beteiligt waren, bitte mitkommen, alle anderen bleiben beim Trampolin."

    Lara lässt sich von beiden Seiten den Hergang des Konflikts erläutern, fordert Entschuldigungen von allen Beteiligten.

    "Er hat sich auch entschuldigt. Nein? Dann entschuldige dich mal. Entschuldigung. Angenommen. Und du entschuldigst dich auch noch einmal. Wenn's noch mal passiert, dann schreiben wir das auf und geben den Zettel deiner Lehrerin. Und dann kann da was passieren. Dann kriegst du Ärger. Und dann kriegst du einen Brief an deine Eltern und dann kriegst du wirklich Ärger. Jetzt könnt ihr spielen gehen, und wenn noch einmal so etwas passiert, dann sagt ihr uns einfach bescheid."

    Antonia hat ein schwarzes Klemmbrett und einen Stift in der Hand. Sollte ein Streit so eskalieren, dass sie ihn nicht schlichten kann, dann füllt sie einen Zettel aus, gibt ihn weiter an den zuständigen Lehrer.

    "Hier schreibt man den Namen von uns, den Buddies. Den Ort des Konflikts, Vorderhof oder Hinterhof. Die Zeit, erste große Pause oder zweite große Pause. Dann Zeugen, das ist auch immer wichtig."

    Antonia, Lara, Lelesa und Emilia tragen gelbe Westen. Sie sind Buddies - Kumpel. Sie opfern ihre Pausen, um auf dem Schulhof der Anne-Frank-Grundschule Streit zu schlichten. Sie beschützen die Schwachen vor den Starken, die Kleinen vor den Großen. Und sie vermitteln die wichtige Stoppregel. Diese lautet: Wer laut Stopp ruft und dabei die Hand hebt, der muss von den anderen in Ruhe gelassen werden - nicht immer einfach umzusetzen.

    "Hallo, ich bin Lelesa und ich bin 11 Jahre alt."

    "Wurdest du schon selber mal angeschrien oder angemotzt oder so?"

    "Da waren mal zwei Viertklässler, die haben sich geprügelt und ich wollte dazwischengehen und ich wusste nicht, wie das geht. Dann bin ich dazwischen und hat selber was abbekommen. Aber jetzt weiß ich wie das geht."

    "Also ich finde das auch gut, das Kinder Buddies sind. Kinder haben selber schon mal so einen Fall gehabt und die Kinder haben vielleicht mehr Vertrauen zu ihnen als zu den Lehrern. Hier sind jetzt so viele Kinder auf dem Hof, vielleicht können wir sie mal fragen, wie sie das Buddy-Projekt finden. Ihr beiden, kommt ihr mal her? Wie findet ihr das Buddy-Projekt?"
    "Doof."
    "Warum?"
    "Ich mag Buddies nicht."

    "Wir haben eine Umfrage gemacht, und alle fanden das gut, da gab es nur ein paar Ausnahmen, so wie der hier, das sind Einzelfälle, die das doof finden. Der hier, der ist auch ganz schön auffällig."

    Bereits vor sechs Jahren hat sich die Anne-Frank-Grundschule dem Buddy-Programm angeschlossen, seitdem ist das Klima in der Schule eindeutig besser geworden, bestätigen alle. Da die Kinder viele Konflikte unter sich lösen, haben die Lehrer mehr Zeit für ihre eigentliche Aufgabe, so profitiert auch der Unterricht.