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Stressmessung bei Pflanzen

Pflanzenphysiologie. - Pflanzen sind zahlreichen Stressfaktoren ausgesetzt, die sich auf den Ertrag auswirken. Leipziger Botaniker haben jetzt einen Schnelltest entwickelt, mit dem sich diese Wirkungen erkunden lassen.

    Von Hartmut Schade

    Stress zu haben, ist kein Vorrecht des Menschen. Auch Pflanzen leiden unter Stress: Trockenheit beispielsweise oder zu große Nässe, Parasiten oder Pilzattacken. Diesen Stress kennen die Pflanzen schon seit Jahrtausenden und haben Gegenstrategien entwickelt. Und wenn nicht sie - so der Mensch, der mit Bewässerung und Pflanzenschutzmitteln für ein stressarmes pflanzliches Leben sorgt. Doch in den letzten Jahres tauchten neue Stressfaktoren auf : Ozon und UV-Licht.

    Für den Menschen stellt sich die Frage: welche Pflanzen halten diesen Stress am besten aus? Bisher konnte diese Frage nur durch langwierige Messungen und Beobachtungen über eine Vegetationsperiode beantwortet werden. Botaniker der Universität Leipzig, ersannen eine Methode, die Pflanzenzüchtern innerhalb kürzester Zeit eine Antwort gibt.

    Unter der Laborsonne stehen die Erbsen schon in voller Blüte. Doch Dr. Mattias Gilbert hat keinen Blick für die weißen und zartrosa Blüten. Er legt ein Holzbrett unter ein Blatt und nimmt ein dünnes scharfkantiges Metallrohr in die rechte Hand

    Gilbert: Wir drücken kurz an und drehen den Korkbohrer

    Mattias Gilbert dreht das Rohr einmal um die Achse, setzt den Korkbohrer wie ein Blasrohr an seine Lippen und pustet ein kreisrundes Blattstück in seine Hand.

    Das fingernagelgroße Stück legt der Leipziger Botaniker in eine wassergefüllte Schale und klemmt diese unter seinen Thermolumineszenzappararat. Während dieser das Blatt von 20 Grad Raumtemperatur auf Null Grad abkühlt, erklärt Matthias Gilbert das weitere Verfahren, das sich den alltäglichen Vorgang der Photosynthese zu nutze macht. Die Sonnenstrahlen erzeugen im grünen Blatt positive und negative Ladungen.

    Gilbert: Die Ladungspaare sind bei tiefer Temperatur stabil. Deshalb belichten wir die Probe bei tiefer Temperatur und heizen dann die Probe auf und die getrennten Ladungspaare vereinen sich bei bestimmter Temperatur und wenn sie sich vereinen, dann wird Energie freigesetzt, Es entstehen Glühkurven, und lassen Aussagen zu, wie stark Pflanzen geschädigt sind.

    Und nicht nur das: die Glühkurven lassen erkennen, ob Ozon. Ultraviolettes Licht oder Herbizide die Pflanzen stressten. So können die Leipziger Botaniker sehr schnell erkennen, wie verschiedene Pflanzensorten auf diese Stressfaktoren reagieren. Bei den traditionellen Verfahren heißt es für die Pflanzenzüchter Warten, warten und beobachten, so der Pflanzenphysiologe Professor Christian Wilhelm von der Universität Leipzig:

    Wilhelm: Und da möchte man heute Info haben, wenn eine Pflanze gestresst worden ist, hat sie Stress verkraftet, wird sie weiterwachsen, Früchte tragen, Erträge bringen oder ist sie in der Reaktion so massiv beeinträchtigt und führt nur noch Kümmerdasein.

    Im Kellerlabor ist inzwischen das Blatt auf Null Grad gekühlt und Matthias Gilbert schaltet die Heizung ein:

    Gilbert: Wir sind jetzt bei 10 Grad, das heißt im Moment vereinen sich die getrennten Ladungen, was als rotes Licht aus der Blattscheibe abgegeben werden.

    Mit bloßem Auge ist die Rotstrahlung nicht zu sehen, doch empfindliche Messapparaturen registrieren die Lichtimpulse und zeichnen eine Kurve auf den Bildschirm.

    Gilbert: Wir sehen, dass der Peak bei 35 Grad liegt , da verlangsamt der Prozess, also ein Großteil der Ladungsträger vereinigt sich. Wir sind jetzt im Temperaturbereich 55 bis 60 Grad, da ist nochmals ein kleiner Peak. Das ist das Zeichen für oxidativen Stress, wie bei Ozon.

    Jeder Stressfaktor hat einen eigenen unverwechselbaren Fingerabdruck. Ozon. UV-Licht und Herbizide erkennen die Leipziger Botaniker mittlerweile an ihren verräterischen Rotlicht- Spuren. Von den Schwermetalle wollen sie in den kommenden Monaten die Fingerabdrücke nehmen. Vor allem Pflanzenzüchter können von den Leipziger Stressuntersuchungen profitieren.

    Wilhelm: Wenn man transgene Pflanzen zum Beispiel erzeugt hat, wo man Inhaltsstoffe oder Fruchtqualität hat, dann nutzt es nicht, wenn man solche Pflanzen kultiviert , wenn sie bei geringer Ozonkonzentration ihr Wachstum einstellen.

    Bisher mussten aufwändige und langwierige Freilandversuche unternommen werden, um die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen zu testen. Mit dem Stress-Screening können die Züchter nun rasch feststellen , welche Sorten die Mühe lohnen. für die Waldbesitzer könnte der Nutzen noch größer sein: Was nützt es, Baumsorten zu pflanzen, die zwar dem sauren Regen widerstehen aber bei starker UV-Strahlung Blätter oder Nadeln fallen lassen? Freilandtests auf derartigen Stress sind extrem langwierig. Im Labor ist nach einer Viertelstunde alles vorbei.

    Wilhelm: Die Messung ist beendet. Jetzt wird Probe wieder von 80 Grad auf 20 Grad gekühlt, das Entscheidende ist, das diese Hochtemperaturbanden, die machen eine Aussage, was hat die Pflanze vor im Leben an Stress gesehen, wie stark war die gestresst zum Beispiel von Ozon.

    Damit derartige Messungen zum Handwerkszeug des Pflanzenzüchter werden, entwickeln die Leipziger Botanikern jetzt zusammen mit einer Analysefirma ein handliches Messgerät.