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Strom aus dem Klo

Energie.- Dass Abwasser genutzt werden kann, um Energie und Dünger zu gewinnen, kann seit einigen Jahren in einem Pilotprojekt in Lübeck beobachtet werden. In Hamburg soll nun eine große Neubausiedlung mit dem innovativen Abwasser-Konzept ausgestattet werden.

Von Frank Grotelüschen | 07.03.2011
    Eigentlich sieht das Klo ganz normal aus. Doch als Kim Augustin die Spülung betätigt, hört man nicht das vertraute Rauschen, sondern ein leises Plätschern, gefolgt von einem kurzen Schlürflaut.

    "Eine Vakuumtoilette wird mit Vakuum abgesaugt. So dass wir sehr wenig Wasser verbrauchen."

    Sieben Liter sind es bei der Wasserspülung, nicht mal ein Liter bei der Vakuumtoilette, sagt Augustin, er leitet bei Hamburg Wasser die Abteilung Zukunftstechnologien.

    "Und das ist genau das, was wir wollen: Wir wollen wenig Wasser verbrauchen."

    Das Vakuumklo, wie man es sonst in Zügen und Kreuzfahrtschiffen findet, steht in Flintenbreite, einer Siedlung in Lübeck. 150 Menschen leben hier. Die Vakuumtoiletten sind zentraler Bestandteil eines noch jungen Abwasserkonzepts, dem Vakuum-Biogas-System. Es basiert nicht wie üblich auf einer Abwasserleitung, sondern auf zwei.

    "Das ist das Entscheidende, dass wir das wenig verschmutzte Wasser von dem stark verschmutzten Wasser trennen."

    Das wenig verschmutze Wasser kommt aus Waschbecken, Duschen, Wasch- und Spülmaschinen. In Flintenbreite wird es in ein Pflanzen-Klärwerk geleitet – einfach ein kleines, mit Schilf bepflanztes Feld am Rand der Siedlung. Das stark verschmutze Wasser, das Toilettenwasser, wird vom Vakuumklo über ein eigenes Röhrensystem in einen Kessel in den Keller transportiert – quasi eine Rohrpost für Fäkalien.

    "Wir haben hier die Technikanlage für Siedlung Flintenbreite in Lübeck. Hier ist die Vakuumstation für die Vakuumtoiletten."

    Ralf Otterpohl, Professor für Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz an der TU Hamburg-Harburg, zeigt auf einen wuchtigen Kessel – die Vakuumpumpe.

    "Die Unterdruckpumpen saugen die Leitungen aus, sodass die Toiletten funktionieren. Das, was hier gesammelt wird, wird dann weiter gedrückt und kann zur Biogasanlage gepumpt werden."

    Hier vergären die Fäkalien – vermischt mit Abfällen aus der Biotonne – zu Biogas. Dieses Biogas landet im Heizungsraum.

    "Das ist das Blockheizkraftwerk. Ein Motor, der mit Gas angetrieben wird und Strom für die Siedlung erzeugt. Die Wärme wird für die Wärmeversorgung der Siedlung benutzt, also für Heizung und im Sommer für Warmwasser."

    Fünf bis zehn Prozent des Energieverbrauchs der Siedlung deckt das System, sagt Otterpohl. Deutlich mehr soll es in Hamburg werden. Dort, im Stadtteil Jenfeld, plant Kim Augustin das weltweit größte Abwasser-Projekt seiner Art, Hamburg Water Cycle genannt.

    "Wir wollen für 2000 Einwohner ein neues Entsorgungskonzept aufsetzen. Das Energiekonzept sieht im Endausbau vor, dass wir 100 Prozent der Wärme nachhaltig und CO2-frei erzeugen können und ungefähr 50 Prozent vom Strom."

    Verwertet werden sollen Bioabfälle aus der Umgebung, etwa die Fettreste aus Restaurants. Die Rückstände aus der Biogasanlage sollen als Dünger in der Landwirtschaft landen. Das Grauwasser wird in einer kleinen Kläranlage vor Ort gereinigt und in einen Teich geleitet.

    "Das Projekt geht jetzt in die heiße Phase. Mit dem ersten Spatenstich rechnen wir am 1.11.. Dann geht's richtig los. Wir rechnen mit einer Bauzeit von vier bis fünf Jahren."

    Und die Kosten? Immerhin muss der angehende Wohnungsbesitzer zusätzliche Abwasserrohre für das Vakuumsystem einbauen lassen. Und ein Vakuumklo ist auch etwas teurer als ein konventionelles Modell. Macht rund 3000 Euro Mehrkosten für den Häuslebauer. Aber:

    "Dadurch, dass wir die Energie günstig erzeugen können und der Wasserverbrauch dramatisch zurückgeht, hat er auch Einsparungen."

    Nach 10 bis 15 Jahren, schätzt Augustin, dürften sich die Mehrkosten amortisiert haben. Und solange sollte ein anständiges Vakuumklo eigentlich halten.