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Strom aus dem Untergrund

Geologie. - Erdwärme könnte die Energieprobleme der Menschheit lösen - die im Erdinneren gespeicherte Energie ist gewaltig. Doch der Zugriff darauf ist schwierig, teuer und riskant. Mit seismischen Schockwellen wollen Geologen jetzt viel versprechende Bohrstellen günstig ausloten.

Von Maren Schibilsky | 06.02.2006
    Ein verschneiter Winterwald in der Schorfheide nördlich von Berlin. Auf vereisten Waldwegen arbeiten sich zwei LKW voran. Auf der Ladefläche: Equipment für eine kleine Bohranlage. In klirrender Kälte bauen drei Monteure das Bohrgestänge zusammen, das sich wenige Minuten später durch den gefrorenen Boden arbeitet. Alle 800 Meter werden im Wald diese Löcher gebohrt. Sie sind Vorbereitung für ein europäisches Pilotprojekt: die seismische Erkundung von Erdwärmestandorten. Sind die Löcher fertig, versenkt Sprengmeister Uwe Krümling ein Paket Gelantine artigen Sprengstoffs darin.

    "Das Bohrloch ist zwanzig Meter tief. Im Bohrlochtiefsten ganz unten ist eine Ladung von einer Gesamtmasse von 30 Kilogramm."

    Nach dem Wiederverfüllen des Bohrlochs gibt Seismiker Klaus Bauer vom GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) die Sprengung frei: die Erde bebt. Dort, wo das verfüllte Bohrloch ist, fliegen vereinzelt Erdkrumen in die Luft. Seismiker Klaus Bauer vom Geoforschungszentrum Potsdam erklärt, was unterirdisch jetzt passiert:

    "Da gibt´s eine Detonation. Da gibt´s kein Loch in der Erde. Da wird eine Druckwelle auf das umliegende Material ausgeübt. Und das pflanzt sich dann in der Erde fort wie so eine Druckwelle, die in Festmaterial sich ausbreitet."

    Bis in sechs Kilometer tiefe Erdschichten dringen die im Untergrund erzeugten Schallwellen vor. Stoßen sie auf Widerstände, werden sie reflektiert und gelangen wieder an die Erdoberfläche. Ihre unterirdische Reise dokumentieren 200 seismische Messgeräte, die die Wissenschaftler im Wald auf einer Fläche von 40 mal sechs Kilometern ausgelegt haben. Sie zeichnen die Zeit und Stärke der Schallwellen auf. Außerdem werden Erdströme elektrisch gemessen. Diese Daten ergeben ein Muster, aus denen der Aufbau der oberen Erdkruste interpretiert werden kann. Klaus Bauer:

    "Wir versuchen jetzt nicht, direkte Bilder vom Untergrund zu bekommen. Was wir machen können, ist physikalische Eigenschaften in der Erde zu erkunden. Wenn wir dort eine Wasserlinse haben, die interessant wäre für die Geothermie oder eine Stelle, wo das Material sehr warm ist, dann sind die physikalischen Eigenschaften ein bisschen anders. Da breiten sich die Wellen schneller aus oder bestimmte Wellentypen werden plötzlich angeregt. Das sehen wir in den Daten."

    Bisher wurden seismische Messungen nur zur Erkundung von Erdgas- und Erdöllagerstätten durchgeführt. Für die Erkundung von Erdwärmestandorten ist das völlig neu. Dafür entwickeln die Potsdamer Geoforscher speziell angepasste Auswerteverfahren. Außerdem bestimmt ihr geophysikalischer Gerätepool erstmals die Raumrichtung der Schallwellen. Damit können die Wissenschaftler die genaue Lage und Geometrie von Heißwasser führenden Erdschichten bestimmen. Bisher wurden die nur punktuell durch kilometertiefes Bohren aufgespürt - für mehrere Millionen Euro.

    "Die seismischen Messungen, wenn man die so selber vorbereitet, denkt man, dass das sehr teuer ist. Aber wenn man das mit einer Bohrung vergleicht, ist es ein Zehntel oder noch weniger von den Kosten und man kann große Gebiete erstmal grob erkunden. Wir versuchen das Fehlbohrrisiko einzuschränken."

    Die Potsdamer Geoforscher haben so ein Know-how entwickelt, mit dem auch anderswo kostengünstig Erdwärmelagerstätten aufgespürt werden können. In ihrem eigenen Geothermielabor bei Groß Schönebeck haben sie bereits eine Lagerstätte erschlossen, mit der sie im nächsten Jahr zeigen wollen, dass man auch in Deutschland wirtschaftlich Strom aus Erdwärme produzieren kann. Ernst Huenges leitet das Projekt:

    "In 4300 Meter Tiefe befindet sich hier unter der Erdoberfläche eine Wasser führende Schicht, heißes Tiefenwasser mit einer Temperatur von 150 Grad Celsius. Und das ist unsere Lagerstätte."

    Ein Erdwärme-Kraftwerk mit einem Megawatt Leistung soll entstehen.