Archiv


Strom aus dem Wärmetauscher

Technik. - Thermoelektrische Materialien können Temperaturdifferenzen in Strom verwandeln oder umgekehrt Strom in Wärme. Die Technik ist zwar elegant, viele Einsatzmöglichkeiten scheitern aber an der schlechten Effizienz der zur Verfügung stehenden Stoffe. Mit Hilfe von Nanotechnologie konnten Bostoner Wissenschaftler aber einen Durchbruch erzielen.

Von Mathias Schulenburg |
    Damit ein thermoelektrisches Teil - in der Praxis häufig ein handygroßer Block mit zwei elektrischen Anschlüssen - effizient Strom in Temperaturdifferenzen oder Temperaturdifferenzen in Strom umsetzen kann, muss es elektrischen Strom gut, Wärme aber schlecht leiten. Bei den meisten Materialien geht beides aber Hand in Hand, gute Wärmeleiter sind auch gute elektrische Leiter. Eine Ausnahme ist das klassische thermoelektrische Material Wismutantimontellurid; um aber über technische Nischenanwendungen hinaus zu kommen, ist auch das nicht effizient genug, weil die Wärmeleitfähigkeit immer noch zu hoch ist. Bostoner Wissenschaftler, unter ihnen Zhifeng Ren vom Boston College in Chestnut Hill, haben dem alten Material nun einen neuen Kick gegeben - mit Nanotechnologie:

    " Wenn das Material aus Nanokristallen besteht, bleibt der Elektronenfluss ungestört, aber der Wärmefluss nicht. Der wird von Schallquanten getragen, und deren Fluss wird von den vielen Korngrenzen zwischen den Nanokristallen aufgehalten. Die sind wie Hürden, die einen Läufer langsamer machen. Der Wärmefluss wird also gebremst, und damit steigt letztlich die Effizienz des Materials. "

    Die Bostoner haben ihr Wismutantimontellurid mit einem im Prinzip sehr simplen Verfahren in Nanokristalle zerlegt: Sie haben das Material zermahlen:

    " Es gibt viele Möglichkeiten, zu Nanokristallen zu kommen. Die nasschemischen Verfahren haben aber nicht funktioniert, sie waren zu schwierig zu steuern, aber das Zermahlen in Kugelmühlen war sehr effizient; auch ließen sich Verunreinigungen fernhalten. "

    Kugelmühlen sind sich drehende Trommeln, in denen verschleißarme Hartkeramikkugeln das Material zwischen ihnen mechanisch zerkleinern. Eine Komplikation: Die entstehenden Nanopartikel neigen ihrer Winzigkeit wegen zu heftigen chemischen Reaktionen wie etwa Staubexplosionen, weshalb sie unter Schutzgas verarbeitet werden müssen.

    " Wir verarbeiten das Nanopulver in einer Glove Box, einer mit dem Edelgas Argon gefüllten Kiste, in die man mit gasdichten Fingerhandschuhen aus Gummi hineingreifen kann. So kommt das Pulver nicht mit Sauerstoff oder Verunreinigungen zusammen. Dann pressen wir das Pulver in einen Graphittiegel, nehmen den heraus und heizen das Ganze mit Gleichstrom auf, beim Wismutantimontellurid auf 500 Grad Celsius, halten es da eine Weile und nach zehn Minuten ist alles vorbei. "

    Das neue nanoskalige thermoelektrische Material wäre etwa in einer Camping-Kühlbox zwischen zehn und 20 Prozent effizienter als das alte. Das scheint nicht sehr bemerkenswert, ist aber - nach Jahren der Stagnation - ein technologischer Sprung, der mit verblüffend einfachen Mitteln gelang, so dass eine Fortentwicklung des Nanoansatzes sehr vielversprechend scheint. Die möglichen Anwendungen sind unübersehbar, so ließe sich vielerorts industrielle Abwärme oder auch Erdwärme mit wartungsfreien Geräten zu Strom veredeln. Ein Start-up-Unternehmen zur Verwertung, sagt Professor Ren, ist auch schon gegründet.