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Strom aus Gülle und Mais

300.000 Tonnen Mais pro Jahr, 20.000 Tonnen Getreide, 60.000 Tonnen Gülle braucht eine Biogasanlage, die derzeit in Penkun in Mecklenburg-Vorpommern entsteht. Genug Strom für eine Kleinstadt soll sie erzeugen. Im Sommer soll die Biogasanlage der Superlative in Betrieb gehen.

Von Eberhard Schade |
    Autobahn A 11, Richtung Stettin. Letzte Ausfahrt Bundesrepublik. Penkun. Ein 1200-Seelen-Ort mit Kopfsteinpflasterstraßen, einem alten, verfallenen Schloss. Ringsherum Ackerland. Am Ortsrand stehen auf einer Fläche von 40 Fußballfeldern 40 Betonsilos. 8 Meter hoch, 20 Meter Durchmesser, so genannte Fermenter. Wie riesige Rührschüsseln stehen sie da in Reih und Glied. Alle zusammen: die größte Biogasanlage der Welt, sagt Balthasar Schramm:

    "Was sie hier sehen, ist natürlich für diese Region etwas ganz, ganz Besonderes. Hier entstehen gewerbliche Arbeitsplätze, und zwar sichere Arbeitsplätze in einem Bereich, der hier auch notwendig ist. Wir bauen eben keine Raketenchips, sondern wir haben Nachfrage nach Mitarbeitern, die wir hier auch finden."

    Maschinen- und Elektrotechniker zum Beispiel, so der Geschäftsgründer und Vorstandsvorsitzende der "NAWARO BioEnergie AG". NAWARO steht für nachwachsende Rohstoffe:

    "So, dann können wir noch mal in einen Fermenter reinklettern. Jawoll, so sieht ein Fermenter von innen aus. In einer weiteren Baustufe laufen hier drin Stahlringe mit Heizungsschnecken, und zum Schluss gibt es noch Rührwerke, und in der Mitte ein Pfeiler, der das Dach, die Plane, trägt."

    Fertig ist der Bioreaktor:

    "Wunderbar. Das ist der Anmischbehälter. Hier ist drin: Gülle, Maissilage, Getreide, Wasser","

    erklärt der technische Leiter und zeigt auf einen 300 Tonnen schweren Edelstahltank in einem Anbau gleich neben dem Silo. Von hier wird die feuchte Biomasse direkt ins Innere des Silos gepumpt und mittels Bakterien zersetzt.

    ""Dieser Biobehälter bildet einen Kuhmagen ab, also das, was in einem Magen einer Kuh passiert. Dazu gehört eine bestimmte Temperatur. Es sind tatsächlich die gleichen biologischen Prozesse, sind auch die gleichen Vorgänge, die dort ablaufen. Und das wird in diesem Fermenter abgebildet."

    Biogas entsteht. Über einen Motor geschickt wird daraus Strom, genug, um eine Kleinstadt mit 40.000 Einwohnern zu versorgen, sagt Schramm. Strom aus Biomasse in industriellem Maßstab produzieren, wirtschaftlich effizient und ökologisch sauber, genau das ist die Geschäftsidee, mit der Schramm alle Skeptiker erneuerbarer Energien überzeugen will.

    "Wir werden viele Menschen hierher bringen, insbesondere um zu zeigen, dass man Energie produzieren kann aus Biomasse, ohne dass es zu Geruchsbelästigung kommt."

    Der Kuhmagen als Showroom, mit Industriefiltern, unterirdischen Gülleleitungen und einer riesigen Düngemittelfabrik am Ende der Produktionskette. Damit der stinkende Rest nicht flüssig auf den Feldern landet. Die Gesamtkosten der Anlage: 80 Millionen Euro.

    Die Dünger-Fabrik: noch im Rohbau. Drinnen wartet Volker Albrecht, Landwirt in der Region. Sein Hof liegt nur 15 Kilometer von hier, 350 Hektar groß, baut er auf 40 Hektar ausschließlich Mais für Biogas an:

    "Die Preise waren ja in den letzten Jahren immer so, dass sie sehr geschwankt sind. Wenn ich für Mais jetzt weiß, ich krieg zehn Jahre den gleichen Preis, kann ich damit rechnen, habe genau die Anbaukosten, weiß, was Dünger, was Pflanzenschutz kostet und weiß ganz genau, was ich damit erreichen kann. Und das kann ich mit den anderen Früchten immer nicht."

    Vom Landwirt zum Energiewirt quasi über Nacht. Balthasar Schramm, vorher Europa-Chef bei Sony, ist auch erst knapp zwei Jahre im Biogas-Geschäft, will es aber noch lange bleiben:

    "Wenn Sie mich fragen, ich möchte in zehn Jahren Weltmarkt- und Technologieführer in diesem Gebiet sei. Und wir rechnen uns gute Chancen aus, wenn wir es schaffen, die Förderbedingungen entsprechend weiterzuentwickeln."