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Strom aus Vulkangestein
Erdwärmebohrung förderte Dampf aus einer Magmakammer

An Vulkanen zeigt der Planet Erde, welch ungeheure Menge Energie in ihm steckt. Das stellte auch ein internationales Forscherteam vor sechs Jahren fest, als es auf Island versehentlich eine Blase frisches Magma anbohrte. Im Nachhinein wurde das Tiefbohrprojekt trotzdem zum Erfolg.

Von Karl Urban | 21.05.2014
    Dampfwolken steigen von der Vulkaninsel Surtsey in die Luft. Die Insel entstand 1963 durch einen Vulkanausbruch unter Wasser und liegt rund 20 Kilometer entfernt von Heimaey, der Hauptinsel der isländischen Westmännerinseln.
    Island ist eine der aktivsten Vulkanregionen der Erde (picture alliance / dpa / Polfoto)
    Zwischen Kratern und dampfenden Spalten bohrten Ingenieure im Jahr 2008 ein tiefes Loch, mitten im aktiven Vulkangebiet Krafla. Es war nicht die erste Erdwärmebohrung im Osten von Island, aber die erste in wirklich heißes Vulkangestein. Die Arbeiten gerieten schon lange vor den anvisierten fünf Kilometern Tiefe an ihre Grenze.
    "Unser Bohrgerät steckte fest. Wir konnten es nicht nach unten freibohren oder einfach wieder herausziehen. Also haben wir den unteren Teil des Bohrgestänges abgeschraubt und haben seitlich des Bohrlochs einen neuen Bohrer angesetzt. Und es passierte wieder genau das Gleiche!"
    Der Bohrer drückte sich in zwei Kilometern Tiefe in eine Magmakammer, erinnert sich Projektleiter Gudmundur Fridleifson vom isländischen Energieversorger HS Orca. Die Arbeiter an der Oberfläche bemerkten das flüssige Gestein aber nicht sofort.
    "Beim dritten Mal haben wir nicht mehr versucht, den feststeckenden Bohrkopf rauszuziehen: Wir bohrten einfach immer weiter und pumpten kühlendes Wasser ins Loch. Nach zwei oder drei Stunden war das Wasser ganz schwarz und extrem säurehaltig. Noch mal eine halbe Stunde später schwammen schwarze Partikel in dem Wasser: Das war reines Glas."
    "Wir wollten gar nicht bis ins Magma bohren"
    Das vulkanische Glas war entstanden, als sich flüssiges Gestein im Bohrloch sehr schnell abkühlte. Für das Projekt, das über 20 Millionen Euro an Fördermitteln von den USA und der Europäischen Union erhalten hatte, bedeutete das zunächst einen Fehlschlag. Zwar wollten die Techniker möglichst heißes Gestein erreichen. Bei 374 Grad Celsius erreicht Wasserdampf nämlich seinen kritischen Punkt und er transportiert plötzlich deutlich mehr Energie an die Oberfläche als der viel kühlere Dampf, der aus gewöhnlichen Erdwärmebohrungen strömt. Über 900 Grad Celsius heißes Magma lässt sich technisch aber nicht mehr handhaben.
    "Wir wollten gar nicht bis ins Magma bohren. Aber es war eben passiert und wir entschieden uns, die herrschende Hitze zumindest einmal zu testen. Wir haben also Wasser über das Bohrloch ins Gestein darüber gepumpt und gewartet, bis der Dampf eine stabile Temperatur erreicht. Es dauerte erstaunlich lange - mehr als ein halbes Jahr -, bis das Bohrloch aufgeheizt war."
    Und danach ließen die Ingenieure das erhitzte Gas austreten.
    Die Wissenschaftler untersuchten, wie viel Energie sie aus diesem Wasserdampf ziehen könnten, wenn sie hier eine Kraftwerksturbine anschließen würden. Fridleifson:
    "Wir bekamen etwa 36 Megawatt elektrische Leistung aus dem Bohrloch, erzeugt aus superheißem Dampf. Eine durchschnittliche Erdwärmebohrung irgendwo auf der Welt bringt kaum mehr als vier bis fünf Megawatt. Wir haben also eine andere Größenordnung erreicht und genau das war unser Ziel gewesen."
    Viele Probleme noch offen
    Zwei Jahre lang konnten die Ingenieure die Anlage so betreiben. Danach versagte unter den extremen Bedingungen ein Ventil - und das Bohrloch musste mit kaltem Wasser geflutet werden. Vor dem nächsten Versuch müssen die Techniker einige Probleme lösen: Sie müssen hitzebeständigere Elektronik entwickeln, die so hohe Temperaturen überstehen kann. Außerdem trug der empor geförderte Dampf winzige Partikel mit sich, die Rohre und Filter zerfraßen. Gleichzeitig zersetzten Salzsäure und Flusssäure das Material von innen. Spätestens nächstes Jahr will Gudmundur Fridleifson im Süden Islands einen neuen Versuch starten - und schließlich die Energieausbeute aus Erdwärmebohrungen in Vulkangebieten weltweit erhöhen:
    "Auch in Italien oder Indonesien gibt es heiße Vulkangebiete, die sich vielleicht nach guten Erfahrungen auf Island erschließen lassen."