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Vulkanausbruch im Miniaturformat

Das geschmolzene Gestein im Innern von Vulkanen weist gasgefüllte Blasen auf. Wenn sich jene Blasen schneller ausdehnen als die Gase entweichen können, bricht der Vulkan aus. Wie eine internationale Forschergruppe herausgefunden hat, entscheiden die Festigkeit des geschmolzenen Gesteins und seine Gasdurchlässigkeit am Anfang der Blasenbildung darüber, wie stark der Ausbruch wird.

Von Sabine Goldhahn | 30.10.2012
    Wir schreiben das Jahr 79 nach Christus. Reges Treiben herrscht auf den Straßen der wohlhabenden römischen Stadt Pompeji am Fusse des Vulkans Vesuv. Doch plötzlich: Donner, der Vulkan bricht aus, seine Spitze: weggesprengt. Gesteine aus der Tiefe der Magmakammer werden nach oben geschleudert, Ascheregen prasselt auf die Gegend herab, die Eruptionssäule reicht bis in 30 Kilometer Höhe. Nur einen Tag später liegt Pompeji begraben unter 20 Metern Asche und Gestein. Es war eine sogenannte Plinianische Eruption, wie auch der Ausbruch des Eyjafjallajökull 2010.

    "Plinianische Eruptionen sind die gewaltigsten Eruptionen, die es gibt, und es ist sehr selten, dass eine solche Eruption in basaltischem Gestein entsteht – aber ganz Island besteht ja aus Basalt. Sie können sehr verheerend sein, wie wir erst 2010 gesehen haben."

    Deshalb wollen Forscher verstehen, was genau bei dieser schwersten Form der Vulkanausbrüche passiert, am liebsten gar zuschauen. Doch das ist zumindest in der Natur nicht möglich. Im Kleinen jedoch hat es Julie Fife am Schweizerischen Paul-Scherrer-Institut mit hochenergetischer Röntgenstrahlung geschafft: In einer nur reiskorngroßen Probe Basalt vom Ausbruch des Vulkans Stromboli 2003.

    "Wir haben die Probe hier im Synchrotron auf einen kleinen Halter montiert und haben das Gestein mit einem neuen laserbasierten Heizsystem rundum aufgeheizt. Während dieses Prozesses haben wir mit einem Computertomografen in der sogenannten TOMCAT-Beamline jede einzelne Sekunde aufgenommen und konnten so zuschauen, wie sich die ganze Mikrostruktur im Gestein unter Hitze ändert."

    Nur 18 Sekunden brauchte Fife, um das Basaltstück mit zwei Lasern auf über 1000 Grad zu erhitzen. Da es in seinem Inneren etwa drei Prozent Wasser enthält, entsteht bei solch einer hohen Temperatur Wasserdampf – eingeschlossen in Blasen. Der Druck will entweichen, kann es aber erst, wenn das Basaltstück zähflüssig ist. Dann dehnen sich die Blasen so weit aus, dass aus dem reiskorngroßen Basalt plötzlich ein Stück so groß wie eine Minitomate wird. Wenn dieser Vorgang zu schnell vonstattengeht, gibt das Gestein dem gewaltigen Druck nach und platzt. Das passiert auch in der Natur, wenn das geschmolzene Gestein aus den Tiefen der Erde nach oben steigt.

    Wenn sich das Gas hingegen bei weniger starker Hitze langsamer ausdehnt, haben die kleinen Bläschen Zeit, sich zu großen zu verbinden – was den Druck im Gestein und die Gefahr für eine Explosion verringert. Auch die Porosität des Gesteins ist wichtig – denn je löchriger das Material ist, umso leichter kann es den Druck wieder herauslassen. Und noch weitere Faktoren entscheiden:

    "Es hängt von der Menge des Gesteins ab und von der Menge des darin eingeschlossenen Wassers. Aber auch von der Temperatur, bei der der kritische Punkt überschritten wird. Wenn das Gestein zu schnell zu heiß wird, ist es noch nicht flüssig genug und hat keine Zeit gehabt, sich an die Veränderungen in seinem Inneren anzupassen. Dann kommt es zur Katastrophe."

    Zehn Sekunden entscheiden darüber, ob ein Ausbruch eher maßvoll oder gewaltig wird. Wenn die an Größe und Zahl wachsenden Blasen bis dahin nicht das Gestein gesprengt haben, passiert auch in Folge nichts Schlimmes mehr. Doch was können die Forscher aus der reiskorngroßen Probe im Experiment für die echten Vulkane lernen?

    "Es war überhaupt eines der ersten Male, dass man zuschauen konnte, wie sich die Blasen entwickeln und welche Vorgänge schließlich zum Ausbruch führen. Wenn wir verstehen, was hier im Kleinen abläuft, werden wir irgendwann sagen können, was bei großen Vulkanen passiert."