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Strom aus Zementabgas gewinnen

Im oberbayerisches Zementwerk Rohrdorf werden Klinker produziert; ein Prozess, bei dem viel Wärme gebraucht wird. Mit einem Teil dieser Wärme erzeugt das Unternehmen jetzt selbst Strom, den es dann an Ort und Stelle auch nutzt.

Von Ralph Ahrens | 15.11.2012
    Die Zementerzeugung verbraucht viel Wärme.
    Die Zementerzeugung verbraucht viel Wärme. (picture-alliance / ZB / Jan Woitas)
    Zement herzustellen ist ein heißes Geschäft. Rohstoffe wie Kalkstein und Mergel werden dazu in einem Ofen auf 1.500 Grad Celsius erhitzt. Das Ofenabgas verlässt dabei den Ofen mit etwa 1.000 Grad. Diese Hitze nutzt jedes Zementwerk – so auch das südbayrische Portland-Zementwerk der Gebrüder Wiesböck in Rohrdorf:

    "Es wurde ja schon bereits ein Großteil der Wärme genutzt von 1.000 bis 450 Grad, um das Rohmehl, also das Rohmaterial, chemisch umzuwandeln und aufzuwärmen."

    Erklärt Verfahrensingenieur Helmut Leibinger. Und mit einem Drittel des fast 450 Grad warmen Abgases werden feuchte Rohstoffe getrocknet. Doch:

    "Zwei Drittel des Abgases wurde bisher nicht genutzt und wurde in einer sogenannten Energievernichtungsmaschine gekühlt."

    Rund 30 Kubikmeter Grundwasser hat das Zementwerk stündlich gebraucht, um die heiße Luft zu kühlen. Das ist genug, um jede Stunde einen Swimmingpool zu füllen. Und die Wärme erwärmte das Wasser, sonst nichts. Das hat sich jetzt geändert. Helmut Leibinger steht stolz vor dem neu errichteten Wärmetauscher, dem Abhitzekraftwerk.

    "Mit dieser neuen Anlage fahren wir etwas mehr Wasser immer im Kreislauf. Es sind auch etwa 35 Tonnen Wasser, die wir im Kreis fahren, um Dampf zu erzeugen – und dieser Dampf erzeugt in einer Turbine Strom."

    Mithilfe dieser Turbine nutzt das Zementwerk die Abwärme des fast 450 Grad heißen Abgases nun nahezu vollständig.

    "Im Endeffekt erzeugen wir an dieser Turbine in etwa 30 Prozent unseres täglichen Bedarfes."

    Das Zementwerk heizt das Klima damit nur noch mit gut 60.000 statt mit rund 90.000 Tonnen Kohlendioxid jährlich auf. Und die Stromrechnung des Zementwerks sinkt damit um knapp ein Drittel.

    "Das ist auf alle Fälle auch ein Vorbild für andere Zementwerke in Deutschland."

    Meint Bettina Rechenberg vom Umweltbundesamt.

    "Wobei ich dazu sagen muss, dass das Kraftwerk, wie es jetzt gebaut worden ist, sicherlich nicht eins-zu-eins auf andere Anlagen übertragen werden kann, da auch Betriebsabläufe und die Temperaturen des Abgases sich unterscheiden."

    Wie auch die Feuchte der Rohstoffe. So enthalten die in Rohrdorf eingesetzten Rohstoffe im Schnitt fünf Prozent Wasser. Andere Zementwerke setzen feuchtere Rohstoffe ein. Volker Hoenig vom Forschungsinstitut des Vereins Deutsche Zementwerke in Düsseldorf.

    "Im Bereich von zehn Prozent wird praktisch die gesamte Abwärme, die ein Zementwerk zur Verfügung hat, benötigt für die Trocknung der Rohstoffe. Und dann steht keine weitere Wärme mehr zur Verfügung."

    Doch Hoenig weiß:

    "Sicherlich ist es so, dass auch andere Zementwerke in Deutschland gewisse Wärmemengen übrig haben, die entsprechend genutzt werden könnten, wenn die wirtschaftliche Situation das dann erlauben würde."

    Denn Wärmetauscher sind teuer. So zahlt das Zementwerk in Rohrdorf für das Abhitzekraftwerk sowie für zwei weitere kleinere Wärmetauscher rund 31 Millionen Euro. Helmut Leibinger:

    "Die ganze Investition rechnet sich so im Großen und Ganzen nach zehn bis zwölf Jahren, wobei die Strompreisentwicklung in diesem Zeitraum auch sehr schwer vorauszusehen ist."

    Damit weitere Zementwerke solche Wärmetauscher freiwillig einbauen, muss Strom also deutlich teurer werden. Oder es braucht gesetzliche Vorgaben. Das Portland-Zementwerk in Rohrdorf konnte als Pilotprojekt von Subventionen profitieren: Das Bundesumweltministerium hat den Bau der Wärmetauscher mit rund 5,4 Millionen Euro aus seinem Umweltinnovationsprogramm unterstützt.