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Strom
Mini-Generator für Reibungsenergie

Das Konzept ist bekannt: Wer mit einem Luftballon an seinen Haaren reibt, dem stehen diese danach zu Berge. Den physikalischen Effekt wollen chinesische Forscher nun für eine neuartige Art von Stromgenerator nutzen.

Von Franziska Konitzer |
    Das Gerät, das zukünftigen Einbrechern den Tag vermiesen könnte, dreht sich dreitausend Mal pro Minute und ist so groß wie eine Handfläche. Das zumindest suggeriert das Video eines Teams um den Nanoforscher Zhong Lin Wang: Darin stellen die Wissenschaftler eine neue Art von Stromgenerator vor, der allein durch Rotation genug Energie für eine Alarmanlage liefert. In diesem Fall wird die Drehung durch einen Motor verursacht - zu Demonstrationszwecken. Doch eigentlich sollen alltäglichen Bewegungen als Energiequelle für den Stromgenerator herhalten.
    "In unserem alltäglichen Leben gibt es eine Menge mechanische Aktivität wie zum Beispiel menschliche Bewegungen, wenn man läuft, wenn ein Auto oder ein Zug fährt, oder auch nur der Wind. Und all diese mechanische Aktivität wird bislang nicht genutzt, um Energie zu gewinnen. Das genau ist die Art von Energie, die wir nutzen wollen", erklärt Zhong Lin Wang von der US-amerikanischen Universität Georgia Tech die Funktionsweise seines sogenannten "triboelektrischen Generators", kurz TEG.
    Der TEG besteht im Grunde aus zwei flachen, übereinanderliegenden Scheiben, ähnlich aufeinandergestapelten DVD. Die untere, nicht drehbare Scheibe besteht aus Goldelektroden, die obere Scheibe aus strahlenkranzförmigen Kupferkontakten. Dreht sich die obere Scheibe ähnlich einer DVD im Laufwerk, schleifen ihre Kupferkontakte über die Goldelektroden der unteren Scheibe. Bei Berührung der beiden Materialien baut sich zwischen zwei Elektroden eine Spannung auf.
    "Sobald dieser Effekt der Tribo-Elektrifizierung stattfindet und man zwischen den beiden Materialien eine kleine Lücke herstellt, entsteht eine Spannung. Das liegt daran, dass aufgrund des Elektronenaustausches eine Oberflächenladung entsteht, ein Ungleichgewicht der Elektronen. Um dieses Ungleichgewicht, also diese Potenzialdifferenz, auszugleichen, müssen die Elektronen in der unteren und in der oberen Elektrode fließen – der Stromfluss. Mit diesem Prozess wandeln wir mechanische Energie in Elektrizität um."
    Die Forscher treiben ihren triboelektrischen Generator auf viele verschiedene Arten an: mit fließendem Leitungswasser etwa, oder mit Luftströmen. So konnten sie eine Leistung von 1,5 Watt erzeugen – genug, um eine Digitaluhr zu betreiben, LED-Leselampen aufleuchten zu lassen oder sogar ein Smartphone aufzuladen. Insgesamt haben die Forscher über dreißig solcher Stromgeneratoren gebaut.
    "Bei einem Nanogenerator, den wir gebaut haben, können wir rund 30 Volt zur Stromerzeugung produzieren, nur indem man spricht und dadurch Schwingungen erzeugt."
    In diesem Fall wird Strom durch zwei dünne, flache Schichten erzeugt, die sich aufgrund der Stimmvibration immer wieder berühren und trennen. Die Berührung reicht aus, damit zwischen den zwei Materialien negative Elementarteilchen, also Elektronen, ausgetauscht werden: Sie werden elektrisch geladen. Prinzipiell funktioniert das bei vielen verschiedenen Materialien. Aus dem Alltag kennt man dieses Phänomen, wenn man mit Plastiksohlen über einen Teppich läuft: Teppich und Sohle werden elektrisch geladen - was man spätestens beim Anfassen einer metallischen Türklinke bemerkt. Dann schließt sich der Stromkreis und man bekommt einen kleinen elektrischen Schlag verpasst. Kein Wunder, das der triboelektrische Effekt bislang kaum positiv aufgefallen ist. Wang und seine Kollegen wollen das nun ändern:
    "Der triboelektrische Effekt wurde bislang immer als negativer Effekt betrachtet. Es gibt nur wenig Forschung, um ihn zur Stromerzeugung zu verwenden. Wir haben zufällig vor drei Jahren herausgefunden, dass er sehr effektiv zur Stromerzeugung eingesetzt werden kann. Als wir dann danach systematisch die Forschungsarbeiten durchgegangen sind, haben wir uns auch gefragt: Warum wurde bislang ein so bekannter, so einfacher Effekt nicht zu diesem Zweck eingesetzt?"