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Strom und Wärme aus dem Inneren der Erde

Geophysik. - Das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven bekommt ein neues Labor- und Bürogebäude. Weil die Polarforscher das Erdklima schonen wollen, haben sie nach innovativen Energiequellen für den Erweiterungsbau gesucht - und wurden fünf Kilometer unterhalb des neuen Hauses in einem Salzstock fündig. Wärme und Strom sollen mit einem gänzlich neuen System aus der Tiefe ans Tageslicht gefördert werden.

    Von Folkert Lenz

    In Island sprudeln Geysire, am Ätna fließt heiße Lava aus der Erde. Wer in Norddeutschland die Energie aus dem Inneren des Globus holen will, der muss schon auf die Suche gehen. Einen Salzstock will man jetzt in Bremerhaven anzapfen. Geothermie - Wärme aus der Erde - soll für Heizung und Strom im neuen Labortrakt des Alfred-Wegener-Institutes für Polarforschung sorgen. Der Geophysiker Karsten Gohl:

    Wir wollen für das Geothermie-Projekt bis auf fünfeinhalb Kilometer Tiefe. Das ist geplante Endteufe, wie die Leute im Bergbau sagen. Man stößt also erst mal durch die jüngeren Sedimentschichten des so genannten Deckgebirges durch und wird dann ungefähr bei 1.800 Meter in das Salz hinein kommen. Und dort wird dann die Bohrung zu Ende geführt bis an die Basis des Salzstock, die so bei fünfeinhalb Kilometer Tiefe liegt.

    Dort erwarten die Forscher eine Temperatur von rund 160 Grad. Die vorhandene Hitze wollen sie sich zu Nutze machen. Das Prinzip ist einfach. Eine Röhre mit gerade zehn Zentimeter Durchmesser führt in die Tiefe, erklärt Stefan Foerster von den Stadtwerken Bremerhaven, wo das Verfahren entwickelt wird. Die so genannte "Erdwärmesonde" wird dann mit 900 Kilogramm flüssigem Ammoniak gefüllt:

    Es rieselt die Wand in einem geschlossenen Film hinunter. Und der Film verdampft auf dem Weg nach unten. Das Ganze wird angetrieben durch die Schwerkraft. Und nachdem es in den dampfförmigen Zustand übergegangen ist, eben Energie aus dem Erdreich aufgenommen hat, strömt es nach oben.

    Hinunter fließt das Ammoniak also an der Röhrenaußenwand, im Inneren steigt es als Gas wieder auf. Normalerweise wird Wasser oder ein anderes Medium wie Butan verwendet, um die Energie zu transportieren. Der Einsatz von Ammoniak ist neu, aber auch nötig, erläutert der Ingenieur Foerster:

    Wenn ich jetzt Strom erzeugen will, und darum geht es hier ja: Ich möchte auch Strom erzeugen und nicht nur Wärme nutzen. Dann muss ich einen Turbinenprozess in Gang bringen. Dazu brauche ich Dampf. Aber das besondere bei uns ist eben - und dadurch kommen wir auch zu höheren Wirkungsgraden - dass wir das niedrig siedende Medium direkt an die Wärmequelle bringen .

    Zwischenkreisläufe - wie sie beim Einsatz von Wasser nötig sind - entfallen. Das Gas steigt an die Erdoberfläche, bei seiner Ankunft ist es immer noch über 100 Grad heiß. Dann kann die Energie abgegriffen werden.

    Wir haben eine Turbine, die einen Generator antreibt, hier sogar ein zweistufiges System vorgesehen, um die Energie entsprechend gut ausnutzen zu können: Eine Hochdruckturbine und eine Niederdruckturbine. Und das, was dann noch an Energie über bleibt, wird über einen Wärmetauschersystem ausgekoppelt in Nutzwärme.

    Ein weiterer Pluspunkt von Ammoniak: Durch die Dichteunterschiede zwischen dem gasförmigen und dem flüssigen Medium zirkuliert der Stoff quasi selbstständig im System: Teure Pumpen werden überflüssig.

    Die Ingenieure sehen trotzdem ein Problem. Holger Janßen von den Stadtwerken Bremerhaven:

    Auf der einen Seite rieselt das Ammoniak an er Innenseite hinunter. Es kann sein, dess, wenn der Prozess nicht richtig optimiert ist, der aufsteigende Dampf diesen Rieselfilm abreißen lässt. Und auf der anderen Seite kann es ein, dass der aufsteigende Dampf so viel Flüssigkeit - sprich: so viel Ammoniak - aufnimmt, dass es oben nicht zu dem gewünschten Prozess kommt, wo wir den Dampf abgreifen wollen.

    Deswegen wird das flüssige Ammoniak mit einer Injektionsleitung in 2,5 Kilometer Tiefe gebracht. Erst dort strömt es aus und rieselt die nächsten drei Kilometer in der Sondenröhre hinunter: in der so genannten Verdampfungszone. Die Ingenieure hoffen, die richtige Menge an Ammoniak ausgerechnet zu haben, die nötig ist, damit das System in der Balance bleibt. Noch gibt es aber keine derartige Anlage auf der Welt.

    Handelt es sich bei dem rund sieben Millionen Euro teuren Projekt zwar eher um eine Forschungsanlage, so hoffen die Stadtwerke Bremerhaven dennoch, das Verfahren danach zur Serienreife zu bringen. Theoretisch funktioniert das System überall - besonders gut ist es allerdings, wenn Salzstöcke im Untergrund vorhanden sind, sagt der Geophysiker Karsten Gohl vom Alfred-Wegener-Institut:

    Zum einen besitzt Steinsalz eine relativ hohe Wärmeleitfähigkeit. Das wird sich natürlich günstig auswirken für den Wärmeübergang vom Salz in die Erdwärmesonde. Zum anderen ist das Bohren im Salz eben sehr viel billiger als im normalen Sedimentgestein.

    Unterirdische Salzstöcke gibt es in Nordeuropa zuhauf. Das System ließe sich gut auf andere Standorte übertragen, hoffen die Bremerhavener Ingenieure.

    Im kommenden Frühling sollen die Bohrungen beginnen - ein Jahr später könnte die Anlage laufen. Die Polarforscher wollen auf jeden Fall in ihr neues Gebäude einziehen - auch wenn beim Geothermie-Projekt nicht auf Anhieb alles klappt. Deswegen haben die Stadtwerke für alle Fälle schon mal einen "normalen" Stromanschluss und eine zusätzliche Gasleitung geplant.

    [Ein Beitrag aus Forschung am Morgen]