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Stromfressende Superhirne

Informationstechnik. – Bislang zählte bei Supercomputern nichts als die Rechenleistung. Die Rangfolge wurde nach der Zahl der geleisteten Standardrechenoperationen bestimmt und in Giga- oder Teraflops gemessen. Doch auch Riesenrechner müssen Energie sparen lernen. Und so war der effizientere Umgang mit dem Strom eines der Themen auf der Supercomputer-Konferenz, die jetzt in Dresden zu Ende ging.

Von Peter Welchering |
    Fast 100 Megawatt benötigt allein das Rechenzentrum des amerikanischen Geheimdienstes National Security Agency, kurz: NSA. Das entspricht dem Strombedarf einer Großstadt. Als im heißen Hochsommer vergangenen Jahres überall an der amerikanischen Ostküste die Klimaanlagen hochgefahren wurden, mussten sogar einige Supercomputer im NSA-Rechenzentrum abgeschaltet werden. Der Grund dafür: Strommangel. Was der NSA im vergangenen Sommer passierte, droht in den kommenden Monaten auch vielen wissenschaftlichen Rechenzentren. Frank Baetke von Hewlett-Packard bringt das Problem so auf den Punkt.

    "Die Probleme resultieren eben oft von klassischen Systemen, die hemmungslos und ohne Rücksicht auf den Energieverbrauch designed wurden."

    Die Zeiten, in denen immer mehr Rechenleistung durch immer höhere Taktfrequenzen der Prozessoren erreicht wurde, sind deshalb vorbei. Denn je höher ein Prozessor getaktet ist, desto mehr Strom verbraucht er. Die Folge: er produziert mehr Abwärme und muss mit hohem Energieaufwand gekühlt werden. Frank Baetke:

    "Man muss sich vor Augen halten, wenn man die Prozessorfrequenz um nur 20 Prozent senkt, sinkt der Energieverbrauch um die Hälfte."

    Neben niedrigeren Taktfrequenzen setzen die Supercomputer-Entwickler auch auf neue Netzteile für die Stromversorgung der Zahlenfresser. Supercomputer bestehen aus vielen einzelnen kleinen Rechnern. Zusammengeschaltet bearbeiten sie Rechenaufgaben gleichzeitig und erzielen damit enorme Rechenleistung. Bislang hatte jeder einzelne Rechner und jeder Datenspeicher in einem Supercomputerverbund ein eigenes Netzteil, das ihn mit Strom versorgte. Das führte zu unnötig hohem Stromverbrauch. Um den Energiebedarf zu drosseln, werden jetzt mehrere Rechner in einem Supercomputerverbund von nur einem großen Netzteil versorgt, das zudem den Energieverbrauch jedes einzelnen Rechners genau kontrolliert. Oliver Dziuba von der Transtech GmbH sieht hier viele Vorteile:

    "Wir haben die Möglichkeit durch die großen Netzteile den Wirkungsgrad entsprechend nach oben zu treiben und haben dadurch eine bessere Leistungsausbeute als wenn Sie für jedes einzelne Mainboard oder für jedes einzelne System ein kleines Netzteil nutzen mussten."

    Viel Energie kann auch beim Kühlen der Prozessoren eingespart werden. Bisher wurde die Abwärme der Prozessoren einfach in die Luft geblasen. In einem mittelgroßen Rechenzentrum laufen dafür viele tausend Ventilatoren. Eigene Kühlkreisläufe machen diese Energiefresser künftig überflüssig. Die Abwärme der Prozessoren wird nicht mehr in die Luft geblasen, sondern durch eine Kühlflüssigkeit abtransportiert. Dadurch erhitzt sich die Kühlflüssigkeit. Diese Wärme gibt sie an einen Wärmetauscher ab, von dem aus dann Büros oder Wohnungen beheizt werden. Ein erster Pilotversuch in einem Ulmer Rechenzentrum läuft viel versprechend. Andere Rechenzentren wollen nachziehen. Oliver Dziuba:

    "BMW in München beispielsweise plant ein neues Rechenzentrum, wo dieser Aspekt mit einfließt. Es ist allerdings nicht überall möglich. Wenn schon Rechenzentren vorhanden sind, haben Sie nur schwerlich Möglichkeiten, die entstehende Wärme auch zu verteilen. Sie müssen ein Trägermedium finden, zum Beispiel eine Flüssigkeit, die Sie wieder durch Wärmetauscher bringen, um sie dann in Heizkreisläufe einzuspeisen."

    In Höchstleistungsrechenzentren wie dem des amerikanischen Geheimdienstes NSA ließen sich so zwischen zehn und 15 Megawatt einsparen. Noch einmal bis zu acht Megawatt könnten durch die Umstellung auf große und intelligente Netzteile erzielt werden. Und die Absenkung der Taktfrequenz der Prozessoren um bis zu 20 Prozent würde noch einmal gute 30 Megawatt bringen. Allerdings muss dafür auf eine neue Rechnerarchitektur umgestellt werden, die mit mehreren Prozessorkernen arbeitet. Diese Umstellung dürfte gut zwei Jahre in Anspruch nehmen. Doch dann können die meisten Supercomputer-Rechenzentren ihren Energieverbrauch glatt um die Hälfte reduzieren.