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Strommasten gegen die Magnetfeldangst

Energie. - Kaum etwas ist so ungeliebt wie ein Strommast. Doch es wird in Zukunft viel mehr geben müssen. Anwohner ärgern sich über die Masten und Trassen und sorgen sich um deren Magnetfelder. Ingenieure aus Holland hoffen, Ärger und Sorgen mithilfe eines neuen Strommasts zu besänftigen.

Von Sönke Gäthke |
    Der Standardmast für Stromfernleitungen in Deutschland ist der sogenannte Donaumast: ein Gittermast, 30 bis 60 Meter hoch, mit zwei Traversen rechts und links, die oberen etwas kürzer als die unteren. Die Stromkabel hängen an den Traversen, an der oberen je eines, darunter je zwei. So werden Strommasten seit dem Ende der 50er-Jahre hierzulande gebaut – doch ihre Zeit könnte zu Ende gehen. Der mögliche Nachfolger – Wintrack genannt - steht bei Bleiswijk in den Niederlanden: Statt auf Gitter setzen die Holländer auf eine glatte, runde Konstruktion, statt auf einen Mast auf zwei, die eng beieinander stehen. Auf diese Weise ist der Strommast nicht mehr 30 Meter breit, sondern nur noch etwas mehr als 16.
    "Wir konnten die Stromkabel so eng beieinander aufhängen, weil wir auf den Turm in der Mitte verzichtet haben. Nur deshalb konnten wir die Stromkabel bis auf 6,2 Meter aneinander rücken, statt wie beim Donaumast üblich, 11 bis 12 Meter."

    Erklärt der Projektleiter Peter Kolmeijer vom Niederländischen Energieentwicklungs- und Prüfinstitut KEMA.

    Die sechs Stromkabel hängen zwischen diesen Masten, je drei am linken und drei am rechten Mast mit langen Isolatoren befestigt. Die Form soll nicht nur besser aussehen, sondern auch technisch Vorteile haben.

    "Wir konnten die Breite des Magnetfelds durch die Strommasten von 300 auf 100 Meter verkleinern."

    Jede Stromleitung erzeugt ein Magnetfeld. Je größer die Spannung, desto breiter das Feld, das sich um die Strommasten herum ausbreitet und sich wie ein breiter Läufer durchs Land zieht. Mit ihrem neuen Mast konnten die Holländer diesen Läufer nun erheblich schmaler machen.


    "Die enge Bauweise schwächt die Magnetfelder ab. An Hochspannungsmasten fließt ja Drehstrom mit drei Phasen. Jede Phase läuft durch ihr eigenes Kabel und erzeugt ein eigenes Magnetfeld. Rücken wir die Kabel und damit die Magnetfelder eng zusammen, schwächen sich die Felder gegenseitig. Vor allem am Boden."

    Das funktioniert, weil die drei Phasen – Spannungswellen sozusagen– leicht zeitversetzt durch eigene Stromkabel laufen. Steigt in dem einen Kabel die Spannung, baut sich das Magnetfeld auf – sinken Spannung und Magnetfeld bereits in einem anderen, oder sind im dritten auf Null. Sie beeinflussen sich dabei gegenseitig, und zwar so, dass sie sich im Idealfall auslöschen. Dafür müssten die Kabel aber ganz eng nebeneinander liegen. Aus Sicherheitsgründen unmöglich. Aber durch einen weiteren Kniff konnten die Techniker die Felder immerhin sehr schwächen, erklärt Peter Kolmeijer.

    "Wir haben die Phasen miteinander getauscht, sodass immer die gegenüber liegen, die sich am meisten beeinflussen."

    Die Ingenieure von KEMA haben den Wintrack getauften Strommast gemeinsam mit den Technikern des Stromnetzbetreibers TenneT entwickelt. Von denen stammte auch die Idee. Denn TenneT muss in den Niederlanden 400 Kilometer neue Höchstspannungsleitungen bauen, um neue Wind- und konventionelle Kraftwerke ins Stromnetz einzubinden. Gleichzeitig müssen diese neuen Leitungen schärfere Grenzwerte für elektromagnetische Strahlung erfüllen als die alten. Billiger wird der neue Strommast allerdings wohl nicht.

    "Es wird, lassen sie mich das mal sagen, so 20, 30 Prozent teurer sein in Zukunft diese Art von Masten, dagegen muss man aber auch sagen, dass es weniger Wartung gibt, also das wird dann etwas billiger, aber insgesamt wird es etwas teurer sein."

    So Lex Hartmann, verantwortlich bei TenneT für das Wintrack-Projekt.

    Die ersten Trasse mit den neuen Höchstspannungsmasten baut TenneT zwischen Rotterdam und Amsterdam. Und auch in Deutschland will der Netzbetreiber die neuen Masten aufstellen. Ob die hierzulande wirklich auf Gegenliebe stoßen, bezweifeln deutsche Experten noch. Sie verweisen auf eine Studie der Universität Magdeburg, wonach den Anwohnern egal sei, welcher Mast die Kabel trägt. Der Haken an dieser Studie ist jedoch, dass bei der Befragung nur Masten zur Auswahl standen, die sich sehr ähnlich waren. Ob ein prinzipiell neuer Mast mit neuen technischen Eigenschaften besser abschneiden würde, ist damit noch offen.